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Interview mit Geschäftsführer Ralf Thiehofe

100 Jahre Rupp + Hubrach: Eins plus eins bleibt zwei

R und H - Gründer Max Rupp und Carl Hubrach
So fing alles an: Max Rupp (links) und Carl Hubrach, die das Unternehmen vor 100 Jahren gründeten (Bild: Rupp + Hubrach)

Älter als 100 Jahre sind laut Creditreform nur knapp 1,5 Prozent der aktiven deutschen Unternehmen. Rupp + Hubrach (R+H) ist der fünftgrößte Brillenglas-Hersteller in der DACH-Region und gesellt sich 2022 unter die Hundertjährigen. Mit Geschäftsführer Ralf Thiehofe, der seit 26 Jahren zum Unternehmen gehört, traf sich eyebizz-Chefredakteur Jürgen Bräunlein am Firmensitz in Bamberg, um den Status quo oder auch das New Normal einzufangen.

Wo liegen Erfolgsrezepte für durchlebte Krisen? Was tut Rupp + Hubrach in puncto Nachhaltigkeit? Und wie ist das Verhältnis zum Mutterkonzern EssilorLuxottica? Corona, so erfährt man, hat die Belegschaft noch enger zusammengeschweißt.

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eyebizz: Herr Thiehofe, ausgerechnet im Corona-Jahr 2020 hat Rupp + Hubrach hat mit anateo ME ein neues Gleitsichtglas eingeführt. Wie haben Sie dieses schwierige Jahr erlebt?

Ralf Thiehofe: Ich bin ein Freund permanenter Veränderungen bzw. Anpassungen. Unsere Mitarbeiter sind es deshalb gewohnt, dass sich permanent etwas tut. Ob das die Flexibilität am Arbeitsplatz oder die Anpassung unserer Stoßrichtung ist. Im Zuge von Corona haben wir uns nicht lange mit komplizierten Abstimmungs- und Diskussionsprozessen aufgehalten.

Rupp + Hubrach - Ralf Thiehofe
Ralf Thiehofe (Jahrgang 1960) ist seit 1995 beim Bamberger Glashersteller Rupp + Hubrach. Im April 2003 wurde er technischer Geschäftsführer, 2009 alleinverantwortlicher Geschäftsführer der Rupp + Hubrach Optik GmbH. Der gelernte Maschinenschlosser und Ingenieur (physikalische Optik/fotografische Chemie) begann seine berufliche Karriere bei Bertelsmann als Produktionsleiter für optisches Mastering. Thiehofe ist gebürtiger Kölner und Vater zweier erwachsener Töchter (Bild: Rupp + Hubrach)

Wir haben Corona auch deshalb gut gemeistert, weil wir ein gutes Kommunikationsklima im Haus haben. Klar war: Wir haben verstanden, dass es Grundregeln gibt, die jetzt einzuhalten sind. Jeder, der Zuhause arbeiten konnte, durfte das, wir haben Laptops gekauft und spezielle Luftreinigungsgeräte installiert. Wir haben die Kommunikation zu unseren Kunden permanent aufrechterhalten. Das ist einer der Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg, dass wir unsere Kunden laufend wachgehalten haben.

Wie?

Mit Newslettern und Kommunikation auf allen Kanälen – auch per Telefon. Und wir haben relativ schnell virtuelle Seminare aufgesetzt. Wir hatten das Thema Web-Seminare gefühlt drei Jahre auf dem Plan, ohne diesen umgesetzt zu haben. Während Corona haben wir es in drei Wochen hinbekommen.

Was bleibt von den Veränderungen?

Alles von dem, was neu ist, wird in Zukunft bleiben, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. Es hat sich gezeigt, dass die Digitalisierung viele Vorteile mit sich bringt. Was sicherlich bleiben wird, ist eine reduzierte Reisetätigkeit. Wenn ich früher viermal im Jahr zu einem Kunden gereist bin, reise ich jetzt vielleicht nur noch einmal und erlaube uns dann, dieses Treffen emotional aufzuwerten.

2022  feiert Rupp + Hubrach 100-jähriges Firmenjubiläum. Was planen Sie da?

Wir werden aufs Jahr verteilt vier Kundenevents in Deutschland veranstalten. Unsere Idee: Auf einer Messe kommen die Kunden zu uns, jetzt kommen wir zu ihnen. Wir werden unsere Kunden zeitlich versetzt in vier Regionen Deutschlands an wirklich spannenden Locations einladen und gemeinsam mit ihnen eine sportliche Herausforderung meistern. Mehr möchte ich an dieser Stelle noch nicht verraten.

Gerade wurde die für Januar geplante opti wegen Corona auf Mai verschoben. Glauben Sie, dass die wichtigste Branchenmesse in Deutschland zu alter Stärke zurückfinden kann?

Die Messelandschaft hat sich verändert. Warum geht man auf eine Messe? Um sich schlau zu machen! Um Kontakte zu knüpfen! Die opti war immer auch eine Einkaufsmesse für Augenoptiker*innen. Sie wollen Fassungen anschauen, anfassen, kaufen. Für das Fassungsgeschäft, gerade für kleine Labels, die sich keinen Außendienst leisten können, wird die Messe als Plattform weiterhin notwendig sein. Ein Glashersteller – vermutlich spreche ich da auch für andere – nutzt die opti eher als Präsentationsform für neue Produkte und Ideen.

Rupp + Hubrach Zentrale
2022 wird das Unternehmen 100 Jahre alt (Bild: Rupp + Hubrach)

Wir haben auch in der Vergangenheit auf der opti verkauft, aber es war nie so, dass ein Augenoptiker spontan zu unserem Stand kam und dann für 30.000 Euro ein Messgerät gekauft hat. War das der Fall, hat unser Außendienst schon fleißig vorgearbeitet, sodass die Kaufentscheidung schon vorher gefallen war. Als Verkaufsmesse und speziell für Fassungshersteller wird die opti sehr wohl eine wichtige Säule bleiben. Als Traditionshersteller sind wir seit den 1960er Jahren auf jeder Augenoptik-Messe gewesen.

Schon im April haben Sie sich entschieden, nicht auf der opti 2022 auszustellen. Hat sich mit dem neuen Termin, eben im Mai, etwas an Ihrer Entscheidung geändert?

Nein, wir haben uns ja nicht wegen des Termins für eine Nichtteilnahme entschieden. Sondern weil wir unseren Kunden in unserem Jubiläumsjahr etwas Besonderes bieten wollen.

Wie ist das Jahr 2020 für Ihr Unternehmen wirtschaftlich gelaufen?

Wir hatten Kurzarbeit. Der Außendienst hat regelmäßig mit unseren Kunden telefoniert. Wir haben sie dazu motiviert, Terminplanung zu machen und haben festgestellt, dass die Menschen hochwertiger eingekauft haben. Der negative Volumeneffekt ist durch die Wertigkeit der Produkte ausgeglichen worden. Wir sind 2020 gut durchgekommen. 2021, das kann ich jetzt schon sagen, wird ein gutes Jahr sein.

Nachhaltigkeit ist gesellschaftlich ein wichtiges, aktuelles Thema, auch in Ihrem Unternehmen?

Grundsätzlich sollte man nicht so verkrampft an das Thema herangehen, sondern lockerer. Dann findet man vieles, das sich verbessern lässt. Wir beziehen seit Jahren grünen Strom für die Fertigung, auch wenn er teurer ist. Der Kunststoff, den wir verwenden, ist absolut sortenrein und kann recycelt werden. Wir haben zudem in den vergangenen Jahren viel in Energieeffizienz investiert und jetzt ein zentrales Leitsystem im Haus. Jeder Raum, jedes Licht, jede Maschine, alles, was Energie verbraucht, ist mit diesem zentralen Steuerrechner gekoppelt und wird je nach Auslastung ein- oder ausgeschaltet. Als ich hier anfing, war immer alles angeschaltet. Das sind immense Kosten, die wir jetzt einsparen.

Rupp + Hubrach hat eine Niederlassung in Blessington in der Republik Irland. Wie haben sich Corona und der Brexit dort bemerkbar gemacht?

Das Werk in Blessington ist ähnlich strukturiert wie das in Bamberg, nur alles etwas einfacher und mit etwas weniger Komplexität, aber dafür mit etwas mehr Volumen. Da der irische Betrieb mehrheitlich Europa beliefert, sind dort auch die Lieferketten nicht unterbrochen worden. Der Brexit berührt uns bis heute nicht. Unser Werk in Irland hat rund 120 Mitarbeiter und ist auch ein Service-Dienstleister für die EssilorLuxottica-Gruppe.

Wie kam es eigentlich dazu, dass Rupp + Hubrach eine Produktionsstätte in Irland aufgebaut hat?

1994 suchten die geschäftsführenden Gesellschafter des damaligen Familienunternehmens einen weiteren Produktionsstandort, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Ich hatte damals das Glück, dass mir das Projekt anvertraut wurde. Es schien naheliegend, nach Tschechien zu gehen, von Bamberg aus sind es hundertfünfzig Kilometer bis zur Grenze. Doch wir waren uns nicht sicher, ob wir den hohen Service- und Qualitätsanspruch, den wir an unsere Produkte stellen, dort realisieren können, zudem sprach keiner von uns Tschechisch. Auch Portugal, damals ein Land mit den niedrigsten Löhnen in Europa, zogen wir in Erwägung. Auch dort stellte sich das Sprachproblem.

Rupp + Hubrach - Karl Zimmermann
Karl Zimmermann ist die Seele der Brillenglasproduktion in Bamberg. Mit viel Herzblut leitet er den Bereich Oberflächenfertigung, Veredelung und Einschleifservice. Produziert werden hier sämtliche Gläser für die DACH-Region, in 3-Schichten auf einer Fläche von 3.100 qm, im Durchschnitt rund 10.000 Brillengläser pro Tag, zu Spitzenzeiten bis zu 17.000 (Bild: Rupp + Hubrach)

Irland hatte hingegen Vorzüge: Es ist ein Auswandererland, die Iren sind „open minded“, es gibt genügend Arbeitskräfte. Wenn Sie einmal den Kontakt zur „Industrial Development Agency“ (IDA) gefunden haben und erklären, dass sie in Irland investieren wollen, läuft es perfekt strukturiert. Die sagten uns: Okay, wann kommen Sie? Wir holen Sie vom Flughafen ab! Die IDA hat geeignete Banken und juristische Berater empfohlen und uns bis zum Eintrag ins Firmenregister begleitet. Man hat uns damals für zehn Jahre Kapitalertragssteuer von zehn Prozent zugesagt, danach zwölf Prozent, wo Deutschland schon bei über 30 Prozent lag. Ich konnte mir bis dahin nicht vorstellen, dass eine Regierungsorganisation so serviceorientiert sein kann. Wichtig war mir, in Irland einen irischen Manager einzusetzen, der die Mentalität der Menschen vor Ort kennt. 1998 produzierten wir die ersten Gläser und waren dort von Beginn an profitabel und das bis heute.

Seit 2003 ist Rupp + Hubrach eine Tochtergesellschaft des EssilorLuxottica-Konzerns. Wie behaupten Sie Ihre Eigenständigkeit?

Die Verantwortung beim Konzern ist auf viele Köpfe verteilt. Wir sind erfolgreich, weil wir anders sind. Wenn wir so wären wie der Konzern, dann wäre die Gleichung: eins plus eins ist eins. Wir aber schauen, dass eins plus eins zwei bleibt. Eine große Herausforderung wird sein, unsere Freiräume, die wir innerhalb des EssilorLuxottica-Konzerns haben, beizubehalten.

Ein großer Konzern ist aufgrund seiner Größe anonymer, distanzierter. Wir sind viel näher am Kunden, anfassbar. Wenn jemand beim Kundenservice anruft und unbedingt den Geschäftsführer sprechen will, ist das möglich. Der Markt weiß, dass wir Teil des EssilorLuxottica-Konzerns sind, aber bis heute verspüren wir keine Veränderung in der Kundenakzeptanz, das finde ich schon einmal gut. Der Konzern sieht das übrigens genauso und lässt Rupp + Hubrach bewusst seine Eigenständigkeit als etablierte Marke und traditionsreichen Glasentwickler und -produzent. Natürlich brauchen wir den Rückhalt des Konzerns, dass wir auch weiterhin so agieren können, wie wir sind. Und da ist unsere Herausforderung, dass wir die erfolgreichen Tradis auch weiter stärken und wachsen lassen. Auch verändert sich der Markt ständig, augenoptische Geschäfte werden verkauft oder machen zu, die Filialisten legen zu.

Beunruhigt Sie Letzteres?

Wir sind davon überzeugt, dass der Fachhandel und der qualifizierte Augenoptiker eine Zukunft haben. Ich sehe nicht, dass sich Deutschland in absehbarerer Zeit zu einem Filialland entwickelt, wo alle Brillen nur noch 100 Euro kosten. Das hat auch damit zu tun, dass wir eines der technologisch höchstentwickelten augenoptischen Länder weltweit sind. Bei uns wird viel dafür getan, dass Augenoptiker*innen auch weiterhin hochqualifiziert bleiben.

Wie können sich mittelständische Augenoptiker*innen gegenüber Filialisten und bei zunehmender Marktkonzentration behaupten?

Augenoptiker*innen müssen noch mehr an Kundenservice denken und ihr Geschäftsmodell überdenken. Es gibt noch genügend Augenoptiker*innen, die ihre Dienstleistung in die Fassung oder die Gläser einpreisen, was dazu führt, dass der Endverbraucher sagt, da kostet es 100 Euro, doch bei dir 300 Euro. Doch da, wo er so billig kauft, bekommt er keine Augen vernünftig vermessen, keine Zentrierung, keine Anpassung, keine richtige Beratung. Augenoptiker*innen müssen den Mut haben, sich diese Dienstleistung auch bezahlen zu lassen. Das wird sie stärken. Denn eine intensive Beratung werden die Filialisten bei ihrer Kalkulation nicht hinbekommen.

Doch Menschen werden älter, da nehmen auch die Einschränkungen der Sehfähigkeit zu, so dass sich hier ein Potenzial für Augenoptiker*innen bietet. Der Beratungsbedarf ist da, es fehlen Augenärzte. Das ist nicht neu, stimmt aber mehr denn je: In die Lücke können Augenoptiker*innen stoßen, wenn sie sich als Dienstleister für Sehgesundheit verstehen und verstärkt optometrische Dienstleistungen anbieten.

Was berichten Außendienstler von Augenoptiker*innen, die sie besuchen?

Was ich immer wieder höre, ist, dass sich der Außendienst wünscht, dass der Augenoptiker mehr in Richtung Marketing denkt und proaktiv ist. Stichwort Zweitbrillenverkauf. Wieso ist das so schwer? Wir haben einige Kunden, die verkaufen immer eine Zweitbrille, und zwar zusammen mit der Erstbrille in einem Schwung. Der Zweitbrillenverkauf wird hingegen schwierig bis unmöglich, wenn Augenoptiker*innen beim Erstverkauf einen Gutschein mitgeben und sagen: Wenn Sie innerhalb von sechs Monaten wieder kommen, dann mache ich Ihnen ein weiteres gutes Angebot. Dann ist der Zweitbrillenverkauf schon fast verloren.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Thiehofe!

/// Das Interview führte Jürgen Bräunlein.

 

Rupp + Hubrach Optik GmbH

Gründerväter: Max Rupp und Carl Hubrach, CEO seit 2003 Ralf Thiehofe

Gründungsjahr: 1922, seit 2003 Tochtergesellschaft von EssilorLuxottica;

Produktionsstandorte: Bamberg, Blessington (Irland)

Mitarbeiter: rund 320 Mitarbeiter

Kapazität: 2,33 Mio. Brillengläser pro Jahr, in 3-Schichten-Produktion auf einer Fläche von 3.100 qm

Markt: deutschsprachiger Raum (DEU, AUT, CHE, LUX), Export über Distributoren: Israel, Ukraine, Russische Föderation

R + H gehört zu den großen fünf deutschen Glasherstellern neben Rodenstock, Essilor, Zeiss Vision und Hoya. Anbieter von Premium-Korrekturgläsern mit hochwertigen Veredelungen, aber auch Highend-Messinstrumente. Seit 1990 jährliche Vergabe des R+H-Wissenschaftspreises für herausragende Bachelor- oder Masterarbeiten der Fachrichtung Augenoptik.

rh-brillenglas.de

 

Artikel der eyebizz 1.2022 (Dezember/Januar)

 

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