Wegweiser zur erfolgreichen Neu-Positionierung – Teil 3
von Karin Stehr,
In den ersten beiden Teilen dieser Serie ging es um die Frage, warum sich unabhängige Augenoptiker neu positionieren sollten – und wie sie dafür ein stimmiges Konzept entwickeln können. Jetzt geht es an die Arbeit: Wie mache ich diese Neu-Positionierung sichtbar? Wie wird aus einer Idee ein Erlebnis?
Beispiele für eine Neu-Positionierung in der Augenoptik (Quelle: Karin Stehr)
Ein kleines Stück Schokolade hat mir vor vielen Jahren in meinem eigenen Geschäft klar gemacht, dass es auf jedes Detail ankommt. Wir hatten einem Kunden zu seinem Kaffee wie immer ein Stück Merci-Schokolade serviert. Ein süßes, kleines Extra, so dachten wir. Der Kunde lächelte und sagte: „Also, bei dem Anspruch, den ihr hier habt – da müsste es doch eigentlich Feodora sein.“ Ich stutzte kurz und dann verstand ich: „Eine so klare Positionierung, wie wir sie haben, muss komplett stimmig sein. Wer – so wie dieser Kunde – spürt, wofür ein Unternehmen steht, der spürt es überall. In der Sprache, in der Brillenauswahl, in der Atmosphäre und ja – sogar in der Wahl der Schokolade.
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Kundinnen und Kunden erinnern sich selten an technische Dinge oder Materialbeschreibungen. Sie erinnern sich aber an Gefühle, an die Atmosphäre, an ein Lächeln, eine Szene, ein Detail. Positionierung ist kein theoretischer Marketingbegriff, sondern die Grundlage für nahezu jede Alltagsentscheidung. Konsequent gelebt, führt sie zu Kunden-Erlebnissen aus einem Guss. Sie zieht sich durch alles, was die Kundschaft wahrnimmt: visuell, sprachlich, kulturell, emotional.
Versetzen wir uns einmal in zwei imaginäre Geschäfte. Zwei Konzepte, zwei Welten – und beide sprechen ihre Kunden auf ganz individuelle Weise an: Zum einen das Geschäft einer Vielleserin und Literaturliebhaberin: Wir stehen in einem Raum, in dem Brillenfassungen und Lieblingsbücher sorgfältig in Szene gesetzt sind. Es riecht nach Holz und Papier. Es gibt Kaffee und Tee. Leselampen und bequeme Sessel sorgen für Atmosphäre. Auf einem sitzt ein Kunde und liest – während seine Brille gerade in der Werkstatt ist.
Die Brillenauswahl reicht von zeitlos-klassisch bis ausdrucksstark und charaktervoll. Es gibt viele Brands, die eine echte Story bieten. Die Inhaberin führt einen Buchclub, lädt zu Lesungen ein und weiß, welche Fassung zu Thomas Mann passt – und welche zu Haruki Murakami. Die Mitarbeitenden sprechen kultiviert, und herzlich – und empfehlen auch mal ihre Lieblingsbücher.
Zufällig auch begeisterter Augenoptiker
Zum anderen der Lebenstraum eines Fußballfans, der zufällig auch begeisterter Augenoptiker ist: Ein Brillen-Shop für Fans. Große Bildschirme mit Bundesliga-Highlights (lautlos), Stadionbänke als Wartezone, ein unterschriebenes Trikot an der Wand. Die Mitarbeitenden tragen Poloshirts mit Logo. Die Sprache ist direkt, locker, freundschaftlich. Jeden Samstag-Nachmittag wird gemeinsam Fußball geguckt: Public Viewing für Lieblingskunden.
Natürlich wird hier nicht einfach nur verkauft, hier wird gefachsimpelt. Über Fußball und über Brillen, die einiges mitmachen müssen. Diejenigen, die für den Überblick im Stadion sorgen und die, die etwas hermachen, wenn man auf dem (E-)Bike unterwegs ist oder am PC-Arbeitsplatz sitzt. Die Brillenauswahl? Sportlicher Style, gute Verarbeitung, alltags- und sporttauglich. Markantes Design für souveräne Typen. Für Brillen- und Fußball-Fans.
Was haben diese beiden Konzepte gemeinsam? Absolute Konsequenz. Und den Mut, nicht jedem gefallen zu wollen – sondern denen, die sich hier sofort zuhause fühlen. Sie könnten kaum gegensätzlicher sein und sind – genau deshalb – überzeugend. Weil sie für eine unmissverständliche Positionierung stehen.
Und was ist mit dem klassischen Allrounder, dem typischen Generalisten? Er bietet gute Produkte, hohe Qualität, Fachkompetenz, freundlichen Service und engagierte persönliche Beratung. Doch in einer Welt voller Möglichkeiten reicht ein solides, vertrauenswürdiges Angebot nicht mehr aus. Die Kundschaft entscheidet sich immer häufiger für Orte mit Persönlichkeit – und nehmen Mainstream nur noch hin, wenn es keine Alternative gibt.
Was ist mit dem typischen Generalisten?
Aber auch ein Allrounder kann Profil entwickeln. Wenn er aufhört, auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu setzen – und beginnt, sich auf seine Wunschkunden auszurichten.
Noch mehr Touchpoints – oft übersehen, nie unwichtig:
Tonfall im WhatsApp-Chat
Design der Visitenkarten
Duft im Geschäft
Art der Rechnungsstellung
Newsletter-Ansprache
Kleidung der Mitarbeitenden
Verpackung & Etuis
Playlist im Laden
Fortbildungsauswahl
Nachbetreuung
Touchpoints zeigen Haltung – und lösen etwas aus
Eine starke Positionierung entsteht also nicht durch einen Slogan, sondern durch die vielen kleinen Erlebnisse und Erfahrungen, die ein Kunde beim Optiker macht. Jeder Touchpoint vervollständigt das Gesamtbild, und sorgt dafür, dass das Geschäft wie geplant und gewünscht wahrgenommen wird. Frage dich also: Was soll dein Kunde sehen, hören, fühlen, denken und erleben, wenn er dein Geschäft betritt – oder auch nur deine Visitenkarte, deine Website oder dein Instagram-Profil sieht? Wenn du auf diese Frage klare Antworten hast, beginnt deine Marke zu leben. Dann entsteht kein Konzept von der Stange – sondern ein Erlebnis, das in Erinnerung bleibt.
Möchtest du deinen Kunden dieses Gefühl vermitteln? Bist du bereit für DEINE Positionierung? Dann verabschiede dich von den branchenüblichen Marketing-Bausteinen, wie sie dir von vielen Seiten angeboten werden. Eine starke Positionierung hat nichts mit Me-too zu tun. Werde selbst aktiv, und hole dir nach Bedarf die passende Unterstützung. Vielleicht schon in der kreativen Phase oder auch erst in der Umsetzung. Sorge dafür, dass dein ganz persönliches Optik-Universum entsteht und wachsen darf.
Je klarer dein Profil, desto einfacher fällt deiner Kundschaft die Entscheidung.
Je konsistenter das Markenerlebnis, desto größer die Wiedererkennbarkeit.
Je konsequenter die Umsetzung, desto emotionaler die Bindung.
Und wenn es dann sogar bei der Schokolade „Feodora statt Merci“ heißen muss – dann zeigt sich: Positionierung wirkt. Bis ins kleinste Detail.
Unabhängige Augenoptiker auf ihrem Weg zur eigenen Marke zu begleiten – das ist Karin Stehrs Mission mit True Eyewear. Mit 33 Jahren Erfahrung als erfolgreiche Augenoptik-Unternehmerin bringt sie tiefes Branchenwissen mit. Ihre kreative Natur kombiniert sie mit einem scharfen Sinn für Strategie, den sie ihrem vielseitigen beruflichen Werdegang verdankt: von der Spedition über den internationalen Handel bis hin zur Ausbildung als Werbetexterin. Ihre große Leidenschaft gilt den Independent Eyewear Brands – für sie die perfekte Grundlage, um einzigartige Geschäftskonzepte zu schaffen und den Mainstream hinter sich zu lassen.
Artikel aus der eyebizz 3.2025 (Mai/Juni)
Serie „Wegweiser zur erfolgreichen Neu-Posionierung“
Teil 1: AO-Erfolgsmodell von gestern zukunftsfit machen (eyebizz 1.2025)
Teil 2: Schritte zum unverwechselbaren AO-Geschäft (eyebizz 2.2025)