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Serie zum Projekt JOBinklusive, Teil 2

Jobcarving: Arbeitsstellen nach Maß schaffen

Jobcarving: Mehr Inklusion auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt - Projekt JOBinklusive
Jobcarving: Stellenprofile neu denken und Arbeitsstellen nach Maß schaffen – für mehr Inklusion von Menschen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (Projekt JOBinklusive; Bild: Andi Weiland | Gesellschaftsbilder.de)

Die Langzeit-Kampagne JOBinklusive ist ein Projekt der Sozialheld*innen e.V. in Berlin und entwickelt Maßnahmen zur Inklusion von Menschen mit Behinderung in Unternehmen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Teil 2 unserer Serie beschreibt das Win-Win-Prinzip von Jobcarving mit Vorteilen für Betriebe und Angestellte: Arbeitsstellen nach Maß schaffen.

Die meisten denken, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten oder einer sogenannten geistigen Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten können und dass für sie ausschließlich eine Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen in Frage kommt.

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Viele Arbeitsstellen, wie sie derzeit in Unternehmen definiert und angeboten werden, sind auch tatsächlich nicht geeignet. Neben dem eigentlichen Kompetenzfeld setzen sie einen bestimmten Schul- und Berufsabschluss sowie eine Vielzahl von Fähigkeiten voraus und umfassen meist noch fachfremde Aufgaben.

Aber ist es zwingend notwendig, dass die Assistenz der Geschäftsführung die Büropflanzen pflegt? Braucht es einen Akademischen Abschluss, um Akten zu archivieren? Oder medizinisches Fachpersonal, um Patienten zum Untersuchungsraum zu führen?

Stellenprofile neu gedacht

Hohe fachliche Anforderungen und erwartete Vorkenntnisse sowie Erfahrungen machen es für Menschen mit kognitiven Einschränkungen schwierig, einen passenden Arbeitsplatz zu finden. Hinzu kommen bspw. zu lange Arbeitszeiten und der Anspruch an die Bewerber*innen, zeitnah selbstständig arbeiten zu können.

Was aber ist, wenn Stellenprofile neu gedacht werden? Was ist, wenn nicht in Berufen, sondern in Tätigkeiten gedacht wird? Wahrscheinlich gibt es in nahezu jedem Job Aufgaben,

  • die den Arbeitsfluss des Fachpersonals mindern bzw. stören,
  • die immer wieder liegen bleiben,
  • die sich regelmäßig wiederholen,
  • die viel Zeit binden,
  • die viele (bezahlte) Überstunden verursachen,
  • die nicht die Qualifikation des/der Ausführenden benötigen,
  • die unter Anleitung erlernt werden können,
  • die mit informell erworbenem Wissen / Fähigkeiten ausgeführt werden können,
  • die auch ohne Hintergrundwissen erledigt werden können,
  • die aus dem bisherigen Stellenprofil herausgelöst werden können.

Das Prinzip von Jobcarving

Genau hier setzt Jobcarving an. Es geht darum, Aufgaben im Unternehmen umzuschichten und so einerseits Fachpersonal mehr Raum für deren Kerntätigkeiten zu geben und andererseits Stellen auf die Fähigkeiten von Personen mit Einschränkungen zuzuschneiden. Die zugeschnittene Arbeitsstelle wird den individuellen Fähigkeiten, Kenntnissen und Erfahrungen des Menschen entsprechend geschaffen und nicht der passende Mensch für die Arbeitsstelle gesucht.

Das kann sowohl das Aufgabenfeld als auch die Arbeitszeiten und -dauer oder auch individuelle Umsetzungsmöglichkeiten betreffen. Gerade in der Einarbeitung, und bei Bedarf auch darüber hinaus, werden in enger Abstimmung zwischen Unternehmen und (potenziellen) Mitarbeiter*innen individuelle Hilfsmittel und Prozesse erarbeitet, damit die Arbeit optimal erledigt werden kann.

Dafür gibt es viele einfache und sehr praktische Beispiele: Kleine Kästchen, die das Abzählen von großen Mengen von Kleinteilen erleichtern, ein Kalender, an dem die Tage bis zum Mindesthaltbarkeitsdatum abgezählt werden können, das Markieren von Regalen mit Wäscheklammern, damit die Mitarbeiterin sich merken kann, an welcher Stelle sie gerade war.

Ein positiver Nebeneffekt dieser Lösungen: Instrumente, die sich dabei als erfolgreich herausstellen, können zu allgemeinen Anpassungen und Optimierungen von Unternehmensprozessen führen, die auch anderen Mitarbeiter*innen zugutekommen. Mit dieser Aufgabe werden Betriebe nicht allein gelassen. Ein Jobcoach begleitet diesen Prozess individuell und wird in der Regel über den Integrationsfachdienst beauftragt und finanziert.

Ziel ist eine Win-Win-Situation

Jobcarving ermöglicht eine Win-Win-Situation für Unternehmen und Beschäftigte: Fachpersonal kann sich dem eigentlichen Aufgabenfeld widmen, es fallen keine unnötigen Überstunden an, der/ die Beschäftigte mit Behinderung wird entsprechend seiner/ ihrer Fähigkeiten eingesetzt und erlebt gesellschaftliche Teilhabe.

Aber auch finanzielle Vorteile für beide Seiten sind nicht von der Hand zu weisen: Die Mitarbeiter*innen werden fair entlohnt und können selbstbestimmt ihren Lebensunterhalt bestreiten. Und auch für das Unternehmen gibt es Einsparungspotenzial, zum Beispiel durch den Wegfall der Ausgleichsabgabe und finanzielle Fördermöglichkeiten.

Zu guter Letzt: In Zeiten von Fachkräftemangel ist Jobcarving aktueller denn je. Inklusion und Diversität sowie der Fokus auf den Menschen mit seinen individuellen Fähigkeiten können Unternehmenskultur und -klima maßgeblich bereichern.

Das Umdenken, das Jobcarving erfordert, macht es auch darüber hinaus möglich, unerkannte Potenziale und neue Bewerber*innen-Pools zu erschließen. Denn auch jenseits des beschriebenen Personenkreises gibt es viele Menschen, die auf Tätigkeitsprofile, jedoch nicht auf detailliert definierte Stellenprofile, passen.

Um Jobcarving in im Betrieb umzusetzen, gibt es Beratungsangebote durch Jobcoaches, die gemeinsam mit den Verantwortlichen auf die Suche nach geeigneten Tätigkeitsfeldern im Betrieb gehen und bei der Passung zwischen Beschäftigten mit Behinderung und Unternehmen unterstützen können. Neben der Prozessbegleitung können sie Informationen zu finanziellen Unterstützungsangeboten und Fördermöglichkeiten hinsichtlich Arbeitsplatzgestaltung geben sowie an weiterführende Stellen verweisen.

 

Den kompletten Artikel finden Sie unter jobinklusive.org.

 

Teil 1: Zur Nachhaltigkeit in Unternehmen gehört auch Inklusion

Teil 2: Jobcarving: Arbeitsstellen nach Maß schaffen

Teil 3: Inklusion: Gezielt Arbeitskräfte mit Behinderung finden

Teil 4: Inklusion in der Augenoptik: Barrieren nur im Kopf

 

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