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Interview mit Detlef Göttlich

Die Denkfabrik Augenoptik lebt von den Teilnehmenden

Gemeinsam mit IGA-Gründer Hans-Wilm Sternemann hat Detlef Göttlich Ende 2023 26 Augenoptiker zur ersten „Denkfabrik“ nach Münster eingeladen, um gemeinsam über den Fachkräfte-Mangel zu diskutieren. Welches Konzept hinter diesem neuen Format steckt, erläutert Göttlich im Interview mit eyebizz.

Als die Verantwortlichen bei eyebizz im Herbst 2023 über die Themen am opti Karriere Hub diskutierten, fiel beim Stichwort Fachkräfte-Mangel und auf der Suche nach geeigneten Gesprächs-Partnern schnell der Name Detlef Göttlich. Warum, das erklärte der CSO aus der Geschäftsleitung von Optiswiss und selbstständige Berater dann selbst bei der Podiums-Diskussion zum Thema „Fachkräfte-Mangel in der Augenoptik“ (siehe Bericht zum Karriere Hub) den interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern.

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Warum die „Denkfabrik“ sich diesen Themen-Schwerpunkt gegeben hat und welches Konzept hinter diesem neuen Format steckt, wollte eyebizz von Göttlich im Interview wissen. Darin appelliert der Recklinghausener eindringlich an die Branche, sich mehr mit dem Fachkräfte-Mangel auseinanderzusetzen – und auszubilden!

Denkfabrik Augenoptik: Anders denken, besser handeln

eyebizz: Denkfabrik, ist das der klassische Think Tank oder welches Ziel verfolgt dieses Format?

Detlef Göttlich: Die Denkfabrik beschäftigt sich mit den Themen der Zukunft. Ein brennendes Haus kann ich nicht mehr versichern. Wir möchten mittelständische Augenoptiker in die Lage versetzen, heute die Weichen stellen zu können, um existenz-gefährdende Situationen bestmöglich managen zu können. Die Denkfabrik ist ein reines Mittelstands-Prozess-Format und läuft damit eher entgegen den vielleicht klassischen Erfahrungen, die man kennt.

Denkfabrik Augenoptik Münster Herbst 2023 Fachkräfte-Mangel
Konkrete Handlungs-Empfehlungen und pragmatische Lösungen möchte die Denkfabrik Augenoptik erarbeiten (Bild: Denkfabrik Augenoptik)

Häufig werden bei zunächst ähnlichen Events Tagesthemen behandelt, um dann dort eine konkrete Antwort darauf zu finden. Zum Beispiel beim Absatz-Marketing: Was machst du für eine Aktion, was kann ich für eine Aktion machen? Bei uns stoßen wir Themen an, die wir dann im Nachhinein noch weiter verfolgen und behandeln werden, weil manche Fragen nicht unmittelbar beantwortet werden können, da sie gegebenenfalls zu komplex sind.

Der Auftakt im Herbst 2023 nahm sich das Thema Fachkräfte-Mangel vor. Um sicher zu gehen, dass die Denkfabrik zum Start auf ausreichend Interesse stößt?

Insbesondere, weil der Fachkräfte-Mangel und die Herausforderungen auch und gerade für unsere Branche nicht zuletzt in Bezug auf den demographischen Wandel nicht größer sein könnten. Denn wir müssen eins überlegen: Wenn wir zehn Jahre vorausschauen, dann fehlen der Augenoptik bald knapp 6.000 Mitarbeitende. In Anbetracht der derzeit rund 40.000 – die Inhaber mal von der Gesamtzahl abgezogen – Mitarbeitenden im Fachhandel, ist das schon extrem.

Vielleicht nicht extrem, aber erwähnenswert ist der Preis, den die Teilnehmer zu entrichten hatten. Wenn Sie sagen, Sie stoßen Themen an, um sie im Nachhinein weiter zu verfolgen, dann steht der Preis von 1.150 Euro also für mehr als die beiden Event-Tage?

Streng genommen zahlen sie erst mal ganz konkret für diese beiden Tage und vor allem für hochkarätige Inhalte, präsentiert von ebenso hochkarätigen Speakern und Experten. Wir sind mit den 26 Augenoptikern, die bei der Erstauflage in Münster dabei waren, weiterhin in Kontakt. Die Denkfabrik soll das persönliche Wissen und die persönlichen Erfahrungen mit Expertenwissen zu den behandelten Themen kombinieren. Diese Mischung führt zu pragmatischen Lösungen.

Wir haben dank unseres Hauptsponsors eine schwarze Null für die Veranstaltung geschrieben, ohnehin ist die Denkfabrik nicht dazu gedacht, den persönlichen Reichtum der Initiatoren zu vergrößern. Das Format entwickelt sich gerade, und der Fachkräfte-Mangel ist durch unser Event nicht ausdiskutiert, wir werden das mit den Beteiligten weiter verfolgen, das Feedback der Teilnehmerinnen und Teilnehmer war diesbezüglich entsprechend positiv.

Ehe wir inhaltlich auf das Event und den Fachkräfte-Mangel eingehen. Sie haben die Initiatoren angesprochen, wer ist hinter den Kulissen für die „Denkfabrik Augenoptik“ verantwortlich?

Die Initiatoren sind in erster Linie Hans-Wilm Sternemann, der sich damit ein Herzens-Projekt erfüllt, und ich. Aber wir sind nicht die Denkfabrik Augenoptik! Das sind alle Teilnehmenden. Natürlich haben Wilm und ich uns vielleicht vorab intensiver mit einem Thema beschäftigt als andere. Und wir haben bereits die Experten-Auswahl getroffen.

Aber mit dem Start der Veranstaltung sind auch wir nur Teilnehmende, ein Teil der Runde. Uns geht es nicht um eine Frontalbeschallung. Wir moderieren und stellen Expertise zur Verfügung – die Verantwortlichen der Denkfabrik Augenoptik sind eindeutig die Teilnehmenden.

 


 

Denkfabrik Augenoptik Detlef Göttlich OptiswissDetlef Göttlich hinterließ von 2008 an in der Augenoptik erste Spuren und war von 2013 an für knapp sieben Jahre bei der Rodenstock Gruppe aktiv – zuletzt als Vice President und Geschäftsführer DACH. Seit einem eher nur halbherzig verfolgten Sabbatical 2020 ist er selbstständiger Berater, gleichzeitig aber seit Ende 2020 mit der Optiswiss in Kontakt und seit 2021 in der Schweiz tätig; zunächst als Mitglied des Verwaltungsrats, seit Herbst 2022 als Mitglied der Geschäftsleitung und heute in der Funktion als Chief Sales Officer (CSO)

(Bild: Denkfabrik Augenoptik)

 


 

Wenn es um Themen der Zukunft geht, dann sind Sie mit dem Fachkräfte-Mangel eher spät dran, oder nicht?

Eher mit der Denkfabrik! Wir haben festgestellt: Immer dann, wenn es um Fachkräfte geht, dann wird sehr viel über Überschriften gesprochen, aber wenig über konkrete Inhalte. Das ist wie bei vielen anderen Themen auch. Das wollen wir eben ändern. Uns ist es wichtig, pragmatische Lösungen abzuleiten und konkrete Handlungs-Empfehlungen zu erarbeiten. Fabrik, das steht für Arbeit.

Es geht darum, die richtigen Fragen zu stellen, und wenn wir die richtigen Fragen gestellt haben, diese zu bewerten. Wenn sie dann Relevanz haben, dann geht es an die konkrete Beantwortung. Wir werden keine Patentlösung für die Branche finden, aber unser Ziel ist es, gemeinsam mit den Teilnehmenden die Grundlage für eine eigene Firmenkonjunktur – Stichwort Mitarbeiter-Marketing – zu schaffen.

Was haben die Teilnehmenden als Hauptproblem herausgearbeitet?

Kurzer Blick zurück: Zu der Zeit, in der viele von uns sich unseren Beruf ausgesucht haben, gab es zwei handwerkliche Berufe, die außerordentlich hoch im Kurs standen: Zahntechniker und Augenoptiker. Bis 2035 fehlt es an knapp sieben Millionen Erwerbstätigen. Rein mathematisch hergeleitet wären das cirka 5.700 Fachkräfte, die der Augenoptik fehlen – ungeachtet der Tatsache, dass es uns wegen des eingangs erwähnten Blicks zurück eher überproportional treffen wird. Das ist schon mal das Grundproblem.

Um die Augenoptik attraktiver zu machen, muss man auch übers Gehalt und eine hirngerechte Führung sprechen. Erst recht, wenn wir unsere Mitarbeitenden wertschätzen möchten. Und da muss man halt einfach schauen, ob ein Durchschnitts-Verdienst bei einem Gesellen von knapp über 30.000 Euro brutto im Jahr richtig sexy für die begehrten Leute auf dem Markt ist. Natürlich ist es aber vielschichtiger.

 

Wir müssen grundsätzlich ein Gefühl dafür bekommen, wie dieses Format die Menschen anspricht und motiviert.

 

Wertschätzende Entlohnung hat mindestens zwei Gesichter. Zum einen der rein finanzielle Anteil, zum anderen die emotionale Entlohnung. Wer Leistung erwartet, muss auch Sinn liefern. Wenn man sich anschaut, wie wenige Augenoptiker ausbilden, dann müssen wir uns natürlich auch nicht wundern, dass wir nicht genug Leute haben.

Die Teilnehmenden in Münster waren diesbezüglich sehr selbstkritisch. Und auf der anderen Seite müssen wir diejenigen halten, die sich gut entwickeln. Dafür gibt es gute Chancen und Möglichkeiten, vielen Ketten laufen die Leute eher weg: Das ist eine große Chance für den Fachhandel.

Selbst Betriebe, die ausbilden wollen, kommen nicht an die richtigen Leute ran.

Exakt, aber warum? Um genau dieses Problem herauszuheben und Lösungen zu finden, haben wir eine Gruppe von Realschülern auf die Unternehmer losgelassen. Warum Realschüler? Weil die Realschule in ihrer ursprünglichen Form und Aufgabe die Menschen in ein Berufsleben überführen soll. Ich habe dann mit viel Mühe eine Realschule in Marl ausfindig gemacht, die sich bereit erklärt hat, sich unserem Thema zu widmen.

Mit diesen jungen Menschen in Kontakt zu treten, war ein Highlight meines bisherigen Berufslebens. Die Verallgemeinerungen bezüglich der Generation „Z“ sind unsinnig, übrigens alle pauschalen Aussagen. Das Interesse der Schülerinnen und Schüler war nachher so groß, dass über ein Losverfahren die zehn Schüler ermittelt wurden, die bei uns zu Gast sein konnten.

Und die dann welche Rolle spielen sollten?

Keine Rolle, sie sollten Augen öffnen, indem sie sie selbst sind. Und es ging sofort ans Eingemachte. Sie haben klare Vorstellungen, wie viel sie verdienen wollen. Sie wissen nichts über die Augenoptik, wollen Astrophysiker oder Ingenieur werden.

Denkfabrik Augenoptik Münster Herbst 2023 Realschüler
Realschülerinnen und -schüler, die eine klare Vorstellung davon haben, wie viel sie verdienen möchten. Von der Augenoptik wissen sie nichts, Ingenieur oder Astrophysiker wollen sie werden (Bild: Denkfabrik Augenoptik)

Die intensive Kommunikation zwischen Unternehmern und Schülern war für mich total motivierend, und das sollte es für jeden Arbeitgeber sein. Es waren zu Beginn der Veranstaltung wenige, die die Hand gehoben haben, als wir gefragt haben, wer ausbildet. Aber es waren einige, die nach dem Schlagabtausch mit den Schülern gesagt haben, das müssen wir ändern!

Welche anderen Aspekte spielen in das Problem mit hinein?

Es sind etliche Aspekte, das ist letztlich auch in der Diskussion aller Teilnehmenden deutlich geworden, bei der sie erklärt haben, wie sie das Thema Fachkräfte-Mangel für sich persönlich empfinden und was sie heute tun, um dem entgegenzuwirken. Da kamen ganz spannende Dinge bei rum, die eindeutig in Richtung eines eigenen Mitarbeiter-Marketings gingen.

Prof. Dr. Thomas Rudolph von der Hochschule Sankt Gallen hat uns das Metaverse und dessen Auswirkungen nahe gebracht, anschaulich im interaktiven Part und mit einem faszinierenden Vortrag. Metaverse steckt noch in den Kinderschuhen, das wird irgendwann aber massiv explodieren.

Werden Sie das Format wiederholen?

Ja, im Juni werden wir die nächste Denkfabrik umsetzen, wahrscheinlich zu den Themen Beschaffungs- und Absatz-Marketing. Ich lade natürlich gerne ein, mitzumachen. Dazu ein kleiner Ausblick: Im Bereich des Absatzes bekommen wir es in den nächsten zehn Jahren insbesondere mit der veränderten finanziellen Situation von 14 Millionen neuen Rentnern zu tun. Hier gilt es, gemeinsam mögliche Veränderungen beim Kaufverhalten dieser Gleitsichtträger zu diskutieren.

Über Beschaffungs-Marketing haben wir schon einmal zu einem anderen Anlass gesprochen, damals ging es um das Exklusivkonzept der Optiswiss, vermutlich nicht ganz zufällig Hauptsponsor der „Denkfabrik Augenoptik“. Wie viel Denkfabrik steckt in Optiswiss beziehungsweise umgekehrt?

Hauptsponsor und einziger Sponsor. Durch meine Person naheliegend, aber die Optiswiss ist insofern der Denkfabrik ganz nah, weil sie von ihrem Wertegerüst dazu passt und sich eindeutig dem augenoptischen Mittelstand gegenüber positioniert. Letztlich stellen wir uns in Basel dieselben kritischen Fragen, die die Denkfabrik sich stellt.

Aber das ist keine Optiswiss-Veranstaltung. Alle Sponsoren, die wertebasiertes Handeln leben und sich damit ausschließlich gegenüber dem Mittelstand positionieren, sind herzlich willkommen. Selbstverständlich auch die Mitbewerber und andere Player der Branche. Das Exklusivkonzept zeigt die Handschrift der beiden Gründer der Denkfabrik, sodass es doch mehr als nahe liegt, dass ich als CSO von Optiswiss mich genau diesen Werten gegenüber verpflichtend innerhalb der Denkfabrik Augenoptik engagiere.

Meine Vision einer Zusammenarbeit von Industrie und Augenoptiker ist die Abkehr vom üblichen Industrie-Kunden-Verhältnis, hin zu einer echten strategischen Allianz der Mittelständler auf Augenhöhe. Das Ganze basierend auf gelebten Werten wie Transparenz, Offenheit und feste Regeln bei der Preisfindung.

 

/// Die Fragen stellte Ingo Rütten.

 

Artikel aus der eyebizz 2.2024 (Februar/März)

 

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