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41. Kolloquium der Fielmann Akademie über

Brillenfertigung – Technologien in der Augenoptik

Brillen werden bereits seit dem Zeitalter der Renaissance gefertigt. In dieser Zeit waren Brillen Schmuckstücke und der gehobenen Gesellschaftsschicht vorbehalten. Die handwerklichen Produktionsschritte haben sich seit dieser Zeit nur unwesentlich verändert. Die technischen Fertigungsmöglichkeiten hingegen unterlagen einer massiven Entwicklung. Im historischen Ambiente des Plöner Schlosses haben die rund 100 Teilnehmer des 41. Fielmann Akademie Kolloquiums am 24. April 2018 gemeinsam mit Referenten aus Forschung, Industrie und Praxis einen Überblick über die ganz einfachen Fertigungsmöglichkeiten bis hin zu modernsten Technologien erhalten und deren heutige Einsatzgebiete näher beleuchtet.

Wahrscheinlich hat jeder Augenoptiker im Rahmen seiner Berufsausbildung mindestens eine Brille von Hand selbst gefertigt. Sägen, feilen und polieren: ein Material wird so lange bearbeitet, bis die gewünschte Brillenform übrig bleibt. In der Fertigung wird dieser Prozess subtraktive Fertigung bezeichnet. Neuer ist die additive Fertigung. In diesem Verfahren wird pulverförmiges Material Schicht für Schicht aufeinander gelagert, bis eine fertige Brillenfassung im gewünschten Design vorliegt. Immer häufiger wird der Begriff „3D-Druck“ als Synonym für die Additive Fertigung verwendet.

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Designfreiheit 3D-Druck in der Brillenfertigung

Alireza Parandian

Dr. Alireza Parandian, Leiter Global Business Strategy Brillenfassungen, Materialise HQ, Belgien stellte in seinem Vortrag die Anwendungsmöglichkeiten von 3D-Druck vor. „Es fühlt sich an, als handele es sich bei der additiven Fertigungstechnologie um ein neues Verfahren, dabei enthält jeder Fahrzeugprototyp, der nach dem Jahr 2000 entworfen wurde, bereits Teile, die im 3D-Druck-Verfahren gefertigt wurden.“ Die Basis eines Produktmodells sei eine rechnerunterstützte dreidimensionale Konstruktion. Dies ermögliche schnelle und individuelle Anpassungen. Erstmals sei es so möglich, bereits während des Designprozesses die Möglichkeiten und Grenzen eines Produkts zu erkennen. Gemeinsam mit Hoya habe Materialise einen 3D Vision Simulator entwickelt. Dieser ermögliche den Kunden schon vor dem Brillenkauf eine Sehsimulation mit verschiedenen Brillenglasdesigns in der individuellen Glasstärke. Der 3D Vision Simulator werde mit einem Smartphone als Monitor verwendet. Um aktuell zu sein, habe Materialise das Interieur der Simulationsbrille mit der 3D-Druck Technologie gefertigt. So könne, ohne die Kosten einer Neuentwicklung, dem schnellen Wechsel der Smartphone-Modelle Rechnung getragen werden.

Darüber hinaus sei es gelungen eine erste Fassungskollektion basierend auf der 3D-Druck Technologie zu erstellen. Der Augenoptiker scanne die Gesichtsmerkmale, wie Form der Nase, Position der Ohren und Proportionen der Gesichtsanatomie des Kunden und errechne den optimalen Sitz der Brillengläser vor dem Auge. Anschließend werde die Form der Fassung ausgewählt und individuell an die Gesichtsform des Kunden angepasst. Schlussendlich erfolge die Auswahl von Größe und Farbe. „Sie bewerten zuerst die Sehanforderungen und Gesichtsmerkmale und fertigen dann die Brillenfassung – das ist eine industrielle Revolution.“

Schnelle Brillenfertigung bei besserer Passgenauigkeit

Prof. Dr. Jörg Luderich
(Bild: (C)2018 Dirk Schneider, all rights reserved)

Diese Revolution sieht auch Prof. Jörg Luderich vom Institut für Produktentwicklung und Konstruktionstechnik der Technischen Hochschule Köln. „Die Bedeutung von kundenspezifischen Fertigungsaufträgen müssen wir in der Augenoptik nicht erst lernen. Das machen wir mit der Rezeptglasfertigung seit jeher“. Der 3D-Druck liefere jedoch den Schlüssel zu Effizienz und Kostenersparnis. Die Verknüpfung von digitalen Systemen ermögliche eine weitgehend selbstorganisierte Produktion. Gerade für die Brillenglasproduktion in Hochlohnländern müssen solche Verfahren vorangetrieben werden, um konkurrenzfähig zu bleiben. Ein großes Einsatzgebiet des 3D-Drucks in der Augenoptik sieht Luderich in der Randbearbeitung von Brillengläsern. Üblicherweise werde die Facette in das Glasmaterial gearbeitet, ein manuelles Nachbearbeiten sei Alltag in einer augenoptischen Werkstatt. Könnte die Facette aus einem flexiblen Material auf ein vorgerandetes Brillenglas aufgedruckt werden, entfalle die manuelle Nacharbeit bei perfekter Passgenauigkeit. Dies sei eine ausgezeichnete Grundlage für die Fernrandung. Ganz nebenbei reduziere sich der Abfall von etwa 70 Prozent auf null Prozent.

Die Brille – reduziert auf das Maximum

Martin Aufmuth
(Bild: (C)2018 Dirk Schneider, all rights reserved)

„Es gibt aber auch Weltregionen, in denen es nicht so viel Hightech gibt, wo die Leute überhaupt keine Brillen haben oder nicht mal einen Optiker in Reichweite“, leitete Martin Aufmuth, Vorsitzender des Vereins EinDollarBrille e. V. aus Erlangen die Vorstellung seines Entwicklungshilfeprojektes EinDollarBrille e. V. ein. Nach einer Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO betreffe das um 700 Millionen Menschen, mit dramatischen Folgen: „Kinder können nicht lernen, Eltern können nicht arbeiten und nicht für ihre Familien sorgen“. Ziel des Vereins sei es, Menschen weltweit dauerhaft mit günstigen, vor Ort produzierten Brillen zu versorgen. Die Brillenfassungen bestehen aus Federstahl und können mithilfe einer Biegehilfe einfach vor Ort gefertigt werden. Die Refraktion werde durch eigens ausgebildete „Best spherical correction“-Optiker durchgeführt. Ausgestattet mit Brillengläsern, Federstahl und Biegemaschine reise der EinDollarBrille-Optiker in abgelegene Dörfer und versorge die Bevölkerung mit Brillen. Der Verkaufspreis für eine EinDollarBrille liege bei zwei bis drei ortsüblichen Tageslöhnen, in Afrika entspreche dies dem Preis für ein Huhn. „Insgesamt haben wir bereits etwa 120.000 Brillen abgegeben. Wir hinken also dem Anspruch, Millionen Leute zu versorgen noch etwas nach“, erläuterte Aufmuth und zeichnet damit den weiteren Weg vor.

Praxis: Spritzguss oder Acetat?

Eberhard Müller-Menrad
(Bild: (C)2018 Dirk Schneider, all rights reserved)

Nach High End und Low End der Fertigungstechnologie entführte Eberhard Müller-Menrad, Dipl.-Ing. MBA, Geschäftsführer Ferdinand Menrad GmbH + Co. KG, Schwäbisch Gmünd das Auditorium in die Praxis der Brillenproduktion. „3D-Druck ist sicherlich ein Thema, das auch die Brillenproduktion revolutionieren wird“, derzeit überzeugen Acetat und Spritzguss jedoch noch durch bessere Oberflächenqualität und Kosteneffizienz. Wann welches Material zur Anwendung komme, richte sich ganz nach dem Anforderungsprofil an die Fassung. Durch Spritzguss können filigrane Formen hoher Festigkeit hergestellt werden, daneben stehe Acetat, welches eine hochwertige und vielfältige Farbauswahl ermögliche und leicht zu bearbeiten, anzupassen und zu reparieren sei. Genau diese Parameter seien zudem hilfreich, um zu entscheiden, aus welchem Material eine Fassung zu fertigen sei. In einer Spritzgussfassung finde sich, im Gegensatz zur Acetat-Fassung, häufig ein Stempel mit der Materialspezifikation. Bei Unsicherheit sei kalt verglasen nie der falsche Weg. „Spritzguss oder Acetat ist eine Abwägung von Aussehen versus Funktionalität. Das eine ist nicht besser als das andere. Wenn Sie eine Kunststofffassung haben und wollen tolle Farben, nehmen Sie Acetat. Wenn Sie auf die Farbe keinen Wert legen und gewisse Funktionalitäten haben wollen, vor allem Richtung Sport, sind Sie mit einer Spritzgussfassung gut beraten.“

Naturmaterialien: Holz und Horn

Den Abschluss des 41. Kolloquiums der Fielmann Akademie bildete der Vortrag „Naturmaterialien 2.0 – Brillen aus Holz und Horn“ von Eric Lauer von der gleichnamigen Brillenmanufaktur. Auch ohne additive Fertigungstechnologien stehe die Maßanfertigung für alle Fassungen der Brillenmanufaktur Lauer im Fokus. So fließen die Gesichtsmerkmale wie beispielsweise Nasenbreite und Form der Nasenflanken in die Fertigung ein. Bei aller Passgenauigkeit müsse jedoch berücksichtigt werden, dass Brillen aus Naturmaterialien durch den Kontakt mit Hautschweiß ihre Größe ändern. Dies müsse bereits bei deren Verglasung berücksichtigt werden. Insbesondere Büffelhornbrillen neigen zum Schrumpfen und müssen zur Verglasung sehr gleichmäßig erhitzt werden. Die Erfahrung zeige, so Lauer, dass dies mit einer in der augenoptischen Werkstatt üblichen Ventilette nicht realisierbar sei. Er empfehle einen einfachen Heißluftföhn aus dem Baumarkt. Durch Erwärmung lasse sich Büffelhorn formen, jedoch wie Optyl auch wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzen. Kunden, die sich für eine Büffelhornbrille entscheiden, müssen jedoch darüber aufgeklärt werden, dass ein häufigeres Anpassen der Brille erforderlich sei. Wer den Tragekomfort allerdings einmal zu schätzen gelernt habe, „will nie wieder etwas anderes tragen.“

Das 42. Kolloquium der Fielmann Akademie Schloss Plön findet am 04.07.2018 zum Thema Nachkontrollen in der Kontaktlinsenanpassung statt.

Die Referenten
Fielmann Akademie Schloss Plön 41 Kolloquium Fertigungstechniken Augenoptik

 

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Bin immer an Neuem , innovativen interessiert. Leider wird das Handwerk in der Ausbildung zunehmend vernachlässigt. Von mir ausgesehen keine gute Entwicklung

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