Lukas Rumpler beschäftigt sich seit 2010 mit aktuellen Technik-Trends. Anfänglich mit eigenen Blogs und Podcasts. Nach dem Journalismus-Studium ist er 2023 als Video-Redakteur für das Format c’t 3003 in die Redaktion von c’t und heise gekommen. Dort macht er YouTube-Videos zu aktuellen Technik-Themen wie Smart Home, Wearables, Künstliche Intelligenz, Cybersecurity – und Smart Glasses.
Wie das so ist! Wer sich über Smart Glasses schlau machen möchte und aktuelle Informationen dazu sucht, sollte lieber in Technikzeitschriften und den entsprechenden Onlineauftritten suchen, als sich in der Augenoptik tummeln. Ob das eine gute Erkenntnis ist, lassen wir mal dahingestellt. Jedenfalls hat eyebizz auf diesem Wege Lukas Rumpler kennengelernt, der ganz aktuell einige Smart Glasses getestet und einen Videobericht dazu bei c‘t 3003 eingestellt hat.
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c‘t 3003 ist ein populäres YouTube-Format des Heise-Verlags, das 2021 als Ergänzung zur Printausgabe des c‘t-Magazins ins Leben gerufen wurde. Die Videoreihe widmet sich aktuellen Technikthemen, Hardware-Tests und digitalen Trends. Mit knapp 200.000 Abonnenten hat sich c‘t 3003 als eine der führenden deutschsprachigen Videoplattformen für fundierte Technikberichterstattung etabliert. Das Format zeichnet sich durch seinen kritischen Blick, umfassende Tests und eine besondere Aufmerksamkeit für Datenschutz- und Sicherheitsaspekte aus – Werte, die auch das seit 1983 erscheinende Printmagazin c‘t prägen.
Neben Produkttests und Reportagen bietet c‘t 3003 Hintergrundberichte zu technologischen Entwicklungen und deren gesellschaftlichen Auswirkungen. Das interessierte auch uns im Interview mit Lukas Rumpler, der sich freundlicherweise für alle eyebizz-Leser Zeit genommen hat, die sich das Video (Link unten) nicht ansehen mögen.
eyebizz: Lukas, vor zehn Jahren sorgte die Google Glass für Aufsehen und verschwand dann wieder aus den Diskussionen. Wie unterscheiden sich heutige Smart Glasses von diesem frühen Vorgänger?
Lukas Rumpler: Die aktuellen Modelle haben sich optisch stark weiterentwickelt. Sie orientieren sich am Design klassischer Korrektionsbrillen mit dezent in den Rahmen integrierten Bauteilen. Der augenfälligste Unterschied zu normalen Brillen sind etwas dickere Brillenbügel und bei manchen Modellen eine eingebaute Kamera. Einige der aktuellen Smart Glasses sind so unauffällig gestaltet, dass man sie auf den ersten Blick nicht von normalen Brillen unterscheiden kann – ein deutlicher Fortschritt gegenüber den futuristisch anmutenden Google Glasses.
Wozu sind Smart Glasses heute fähig? Geht es hauptsächlich ums Filmen?
Das Filmen ist inzwischen nur noch einer von vielen Anwendungsfällen. Moderne Smart Glasses können den Träger navigieren, in Echtzeit übersetzen oder mithilfe von Künstlicher Intelligenz Fragen beantworten. Die meisten Modelle verfügen über integrierte Lautsprecher, die wie Kopfhörer funktionieren, wobei der Ton so ausgegeben wird, dass nur der Brillenträger ihn wahrnimmt. Viele bieten auch Displays, die Informationen direkt ins Sichtfeld einblenden. Praktisch sind zudem Features wie Spracherkennung mit Transkription oder die Nutzung als Teleprompter.
Warum verzichten manche Hersteller auf eine Kamera?
Es gibt nach wie vor Nutzer, die zwar an einer smarten Brille interessiert sind, aber keine Kamera auf Augenhöhe mit sich herumtragen möchten. Als Brillenträger hätte ich persönlich kein Interesse daran, ausschließlich eine Brille mit eingebauter Kamera zu besitzen. Modelle wie die G1 und die Halliday AI Glasses haben sich bewusst gegen eine Kamera entschieden – einerseits aus ästhetischen Gründen, damit die Brille wirklich wie eine normale Brille aussieht, andererseits vermutlich auch aus Datenschutzerwägungen.
Die Kamera war bei Google Glass ein wesentlicher Streitpunkt. Wie sieht es heute mit der gesellschaftlichen Akzeptanz aus?
Die Akzeptanz hat sich nicht grundlegend gewandelt. In unserem YouTube-Video zu Smart Glasses zeigten sich in den Kommentaren noch immer erhebliche Vorbehalte. Möglicherweise ist die Toleranz etwas gestiegen, weil wir uns daran gewöhnt haben, potenziell überall mit Smartphones gefilmt werden zu können. Dennoch bleibt die Frage offen, ob Brillen in Deutschland bei Aufnahmen deutlich rot leuchten sollten oder ob wir schlicht akzeptieren, dass überall potenziell Kameras präsent sind.
Wie siehst du die Vertriebswege für Smart Glasses in der Zukunft? Spielen Augenoptiker da eine Rolle?
Ich kann mir gut vorstellen, dass Optiker künftig eine zentrale Rolle beim Vertrieb spielen werden. Die Even Realities G1 ist in Deutschland bereits beim Optiker erhältlich. Da viele dieser Brillen für die Nutzung mit Korrektionsgläsern konzipiert sind, erscheint der Vertrieb über Optiker durchaus sinnvoll – ähnlich wie bei konventionellen Brillen, wo ebenfalls eine individuelle Anpassung erforderlich ist. Außerdem ist es in meinen Augen auch sinnvoll, so ein Gerät wirklich mal aufgehabt zu haben, bevor man es kauft.
Wie lassen sich Displays mit Korrektionsgläsern kombinieren?
Die Hersteller verfolgen unterschiedliche Ansätze. Die vermutlich einfachste Methode ist, das Display oberhalb des Korrektionsglases zu platzieren. So können herkömmliche Brillengläser eingesetzt werden – diesen Weg geht beispielsweise die Halliday AI Glasses mit ihrem kleinen runden Head-up-Display im Rahmen. Andere Hersteller integrieren die Displays direkt ins Sichtfeld der Brillengläser. Bei den Even Realities sind die optischen Gläser direkt mit dem integrierten Displayglas verbunden, sodass eine nahtlose Kombination entsteht. Andere Hersteller haben zum Beispiel Klebeeinsätze, die sich auf das Brillenglas kleben lassen.
In welcher Preisklasse bewegen sich aktuelle Smart Glasses?
Die Preise hängen vor allem von der verbauten Technik ab. Die Modelle von Meta und Ray-Ban beginnen bei 329 Euro, bieten dafür aber kein Display. Die Even Realities G1 mit Display kostet 699 Euro. Die Halliday Glasses mit dem runden Display über dem Brillenglas 479 Dollar. Die RayNeo X3 ist das vermutlich teuerste Gerät mit Farbdisplay und soll für unter 1.500 US-Dollar auf den Markt kommen. Generell variieren die Preise also zwischen etwa 300 und 1.500 Euro oder Dollar, je nach Funktionsumfang.
Wie komfortabel ist das Sehen mit Smart Glasses? Gab es Probleme bei deinen Tests?
Der Tragekomfort bei Modellen mit Display variiert erheblich. Mit der G1 machte ich die besten Erfahrungen – das Display gefiel mir besser als bei allen Mitbewerbern auf der CES. Das waren aber auch alles Vorserien-Modelle. Bei denen hatte ich teilweise Schwierigkeiten, weil meine Augen die Displays immer wieder doppelt wahrnahmen. Das ist natürlich sehr individuell. Bei der Halliday mit dem Display im oberen Rahmen könnte die ständige Augenbewegung nach rechts oben auf Dauer ermüdend werden.
Wie erfolgt die Steuerung der Smart Glasses?
Die Brillen werden über Sensorflächen am Gehäuse und über Sprachbefehle gesteuert. Manche Hersteller bieten zusätzlich kompatible Ringe an, wie bei Halliday oder RayNeo, die ebenfalls zur Steuerung genutzt werden können. Die Bedienung über die Brillenbügel funktionierte in meinen Tests bereits recht gut, auch wenn die Steuerungsmöglichkeiten naturgemäß begrenzter sind als bei einem Smartphone.
Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz bei Smart Glasses?
KI kommt bei Smart Glasses ähnlich wie bei Smartphones zum Einsatz – als Chatbot, der Fragen beantwortet und dabei unter anderem auf die Kamera der Brille zugreifen kann. Besonders interessant ist die Übersetzungsfunktion: Hier können in Echtzeit Untertitel eingeblendet werden, wenn jemand in einer Fremdsprache spricht. Die meisten Anbieter setzen auf OpenAIs GPT-Modelle. Bei der G1 kann man zusätzlich Perplexity auswählen.
Wie steht es um den Datenschutz?
Beim Datenschutz bestehen ähnliche Bedenken wie damals bei Google Glass. Die Kameras in den Brillen können potenziell unauffällig filmen, ohne dass andere es bemerken. Das ist sicher einer der Gründe, warum manche Hersteller wie Even Realities bei der G1 bewusst auf eine Kamera verzichtet haben. Auch die Datenverarbeitung durch die KI-Systeme wirft Fragen auf. Bei Meta ist beispielsweise ein Teil der KI-Funktionen in Deutschland aus Datenschutzgründen nicht verfügbar.
Was ist deine Lieblingsfunktion bei Smart Glasses?
Definitiv die Übersetzung. Das hat bei allen Brillen mit Display gut funktioniert – ich hatte quasi in Echtzeit eine Übersetzung direkt in meinem Blickfeld. Im Gegensatz zu herkömmlichen Übersetzungs-Apps kann so ein flüssiges Gespräch entstehen, weil ich nicht nach dem Sprechen immer abwarten muss, bis die Übersetzung erscheint. Wenn zwei Menschen mit unterschiedlichen Sprachen jeweils Untertitel auf ihren Smart Glasses sehen, könnten sie sich ganz normal unterhalten – das könnte ein echter Durchbruch sein.
Zum Abschluss: Was ist dein Favorit – Smartphone, Smartwatch oder Smart Glasses?
Das Smartphone bleibt für mich weiterhin das unverzichtbare Gerät. Smart Glasses sind jedoch eine spannende Ergänzung, besonders für bestimmte Anwendungsfälle wie Navigation oder Übersetzung. Das ist für mich ähnlich wie bei meiner Smartwatch, die ich ebenfalls anstelle einer klassischen Armbanduhr als Ergänzung zu meinem Smartphone trage.
/// Die Fragen stellte Ingo Rütten.
Link zum Video „Smart Glasses: 5 neue Modelle ausprobiert“