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Interview mit Beatrice Rodenstock

Unternehmensnachfolge: Frühzeitig und offen reden

Maximiliansplatz 12 b, im Mai 2018, Beatrice Rodenstock (45) sitzt an ihrem Schreibtisch, greift zum Telefon: ein Gespräch über Unternehmensnachfolge. Als Unternehmerin, Beraterin und Mitglied der fünften Generation der Unternehmerfamilie Rodenstock kennt sie die Herausforderungen genau, die es dabei zu meistern gilt. Deswegen hat sie die Rodenstock-Gesellschaft für Familienunternehmen gegründet. Sie berät Unternehmerfamilien bei ihren schwierigen Aufgaben an den Schnittstellen zwischen Familie, Unternehmen und Vermögen.

eyebizz: Warum hat das Thema Generationswechsel überhaupt so hohe Aktualität?
Beatrice RodenstockBeatrice Rodenstock: Der Generationswechsel in Familienunternehmen hat per se eine hohe Bedeutung, da die deutsche Wirtschaft aus knapp 90 Prozent Familienunternehmen besteht und damit von einem erfolgreichen Generationswechsel abhängig ist. Besonders aktuell ist er momentan aus zwei Gründen. Zum einem, weil das Thema gerade in diesen Jahren eine Vielzahl von Unternehmen betrifft, im Durchschnitt 30.000 pro Jahr. Dies resultiert aus der hohen Anzahl an Unternehmen, die zwischen 1950 und 1980 gegründet wurden. Dass daran im Schnitt jährlich 490.000 Arbeitsplätze hängen, unterstreicht die Brisanz. Statistisch gesehen funktionieren schon von der ersten auf die zweite Generation nur ein Drittel der Übergaben. In der zweiten Generation bleiben noch zehn, in der dritten nur noch fünf Prozent übrig. Zum anderen kommt hinzu, dass es nicht mehr selbstverständlich ist, dass die Anzahl der familieninternen Übergaben so hoch ist und nur noch vier von zehn Unternehmen in der Familie weitergegeben werden.

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Ist der Druck auf die Nachfolgegenerationen nicht mehr so hoch, ins familieneigene Unternehmen einzusteigen, beobachten Sie eine Art Liberalisierung in der Hinsicht?
Der Druck übernehmen zu müssen, ist tatsächlich nicht mehr so hoch. Im Gegenteil: Eine Studie der Universität St. Gallen, die Unternehmerkinder nach dem Schul- oder Universitätsabschluss befragt hat, kam zu dem Ergebnis, dass nur vier Prozent der Unternehmenserben sich zu diesem Zeitpunkt vorstellen können, den familieneigenen Betrieb zu führen. Als einer der ausschlaggebenden Gründe wurde ermittelt, dass der gefühlte Druck und die Verantwortung der Erben, das Unternehmen erfolgreich weiterzuführen, zu hoch ist. Die unternehmerische Selbstständigkeit – im Sinne von „selbst“ und „ständig“ – ist als Lebensentwurf für die jüngere Generation nicht mehr so attraktiv und selbstverständlich.

Welche Rolle spielt die Erbschaftssteuer bei der Unternehmensübergabe?
Leider spielt die Vermeidung von Erbschaftssteuer tatsächlich in Deutschland häufig eine primäre Rolle. Was fürs Unternehmen ökonomisch und für die Inhaber gut ist, fällt dabei leider manchmal nicht so sehr ins Gewicht. Unternehmen können ja mehr oder weniger zum Nulltarif übergeben werden. Aber die Nachfolger müssen Lohnsummen über Jahre halten, was sich unter Umständen wieder als zusätzlicher Druck für die Erben und fürs Unternehmen entpuppt. Dieser Druck ist heute auch einer der Gründe, weshalb sich die Nachfolger nicht fürs eigene Familienunternehmen entscheiden.

Schauen wir noch einmal auf die Übergaben selbst. Sind Familienkrisen im Nachfolgeprozess hausgemacht?
Teils, teils. Unternehmerfamilien sind immer mit dem Unternehmen verbunden, das besagt das Wort ja schon. Hier kommen aber zwei Systeme zusammen, die eigentlich unterschiedlich funktionieren. In der Familie herrschen Werte wie Liebe, Zuneigung, also viele Emotionen vor. In der Unternehmenswelt zählen hingegen mehr rationale Werte, wie Leistung, fachliche Kompetenzen und Fähigkeiten. In Familienunternehmen geschieht aber oft eine Vermischung beider Welten, indem via Geburt der Kinder auch gleichzeitig eine Unternehmensnachfolge postuliert wird. Achtet man dabei nicht auf das Vorhandensein notwendiger unternehmerischer Fähigkeiten, kann dies zu Missmanagement des Unternehmens führen. Zusätzlich können aber auch Rollenkonflikte, die sich aus diesen unterschiedlichen Bereichen ergeben, ausschlaggebend für eine Krise sein, da sich die Rolle zwischen Eltern und Kinder sowie Vorgesetzten und Kollegen vermischen, wenn sie zusammenarbeiten. So traut sich meist der Nachfolger den genauen Zeitpunkt der Übertragung der Verantwortung vom Übergeber nicht abzufragen, da er aus der Perspektive des Sohnes seinen Vater nicht verletzten will, indem er ihm das Gefühl vermitteln könnte, überflüssig zu sein. Hausgemacht ist die Familienkrise also dann, wenn diese systemimmanenten Muster nicht aufgelöst werden können. Ein externer Berater kann helfen, sie auszuräumen.

Wenn Sie sich an Ihre eigene Familiengeschichte erinnern, hatten Sie die Zeit nach dem Verkauf von Rodenstock vorbereitet?
Nicht ausreichend. Den technischen Prozess des Verkaufs gut über die Bühne zu bekommen, stand damals zunächst im Vordergrund. Was im Nachhinein betrachtet normal ist, vieles hätte aber für die Zeit danach sicherlich noch professioneller vorbereitet sein können. Jetzt haben wir als Familie neue gemeinsame Projekte, was sehr schön ist. Dabei handelt es sich beispielsweise um gemeinsame Beteiligungen und Vermögensverwaltung. Zusammen mit meinem Bruder Rupprecht baue ich gerade ein Self-Storage auf.

Was raten Sie Unternehmerfamilien, in denen es einen Übernahmekandidaten gibt?
Alle Beteiligten sollten über die Übergabe möglichst rechtzeitig reden. Die Ideen, die Eltern in Bezug auf Zeiträume oder Ausbildungen haben, was die künftige Entwicklung des Unternehmens angeht, ob die Kinder den Betrieb übernehmen oder nicht, sollte so früh wie möglich gemeinsam besprochen werden. Auch die Kinder sollten immer offen und ehrlich reflektieren, ob dies ihr Weg ist. Oder ob sie es nur tun würden, um im Sinne der Familientradition Verantwortung zu übernehmen. Wer nicht mit Herzblut bei der Sache ist, wird es schwer haben. Es muss das Vertrauen herrschen, auch nein sagen zu können. Sonst wird die Übernahme auf wackligem Fundamenten gebaut. Machen sich die Eltern zudem rechtzeitig Gedanken, wie sie die Zeit nach der Übergabe schön und erfüllt gestalten – ob mit Reisen, innerhalb von Verbänden, mit ganz neuen Engagements – dann werden sie abgeben können. Empfehlenswert ist, Experten wie Steuerberater, Juristen oder Berater hinzuzuziehen, um einen richtigen Masterplan aufzustellen. Man könnte das Ganze eine Familien- oder Unternehmensstrategie nennen.

Wann wird denn rechtzeitig über eine Unternehmensnachfolge gesprochen, wenn der Filius oder die Tochter 14 ist?
Man kann nie früh genug damit anfangen, sich über die gegenseitigen Wünsche und Vorstellungen auszutauschen. Dabei sollte aber die Entscheidung des Nachfolgers immer aus freien Stücken möglich sein. Auf der anderen Seite bleibt die Frage offen, ob der Sohn dann zum Übergabezeitpunkt auch der richtige Kandidat für das Unternehmen ist. Wenn das Unternehmen zum Beispiel restrukturiert werden muss, ist nicht jeder dafür geeignet. Offene Türen sollten gewiesen werden. Dann müssen aber auch die Kriterien klar sein, an denen die Fähigkeiten gemessen werden: Ausbildung, Abschlüsse, Kompetenzen. Je nach Plan.

Was tun, wenn der Patriarch das Thema Übergabe total abblockt?
Manchmal hilft es, den Patriarchen zu fragen, wie seine eigene Übergabe gelaufen ist und was er sich damals gewünscht hätte. So ein Gespräch kann als Anlass genommen werden, um die zukünftige Übergabe zu thematisieren. Falls ein Vieraugengespräch nicht möglich ist, so kann ein moderierendes Gespräch unterstützend wirken oder das Verfassen eines Briefes.

Vielen Dank, Frau Rodenstock! //CH

Beatrice Rodenstock ist geschäftsführende Gesellschafterin der Rodenstock-Gesellschaft für Familienunternehmen mbH in München, Beirätin in einigen Familienunternehmen, Mitgesellschafterin der Familienholding, Autorin und Dozentin. Nach einem BWL- und Psychologie-Studium in München und an der Universität St. Gallen (MBA) arbeitete sie u.a. in der Mode-, Automobil- und IT-Branche in verschiedenen Positionen.

 

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