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Interview mit Hedegaard und Desimoni

Umbau beim Traditions-Unternehmen Rodenstock

Neustrukturierung des Marketings, Verkauf der Fassungs-Sparte nach Italien – an überraschenden News aus dem Hause Rodenstock mangelte es zuletzt nicht – auch in der Führung: Nachfolger für Anders Hedegaard ist Marcus Desimoni. eyebizz sprach im Januar mit dem scheidenden und dem neuen CEO des Unternehmens.

Rodenstock München Headquarter
Rodenstock-Zentrale in München (Bild: Rodenstock)

Mitte Januar erfuhr die Branche, dass der 62-jährige Däne Anders Hedegaard nach nur vier Jahren an der Spitze der Traditionsmarke zurücktritt und Marcus Desimoni, bislang CFO des Unternehmens, das Ruder übernimmt. Was sind die Hintergründe? Wie geht es mit der Münchner Rodenstock Gruppe weiter, die seit 22 Jahren in Private-Equity-Hand liegt (seit 2021 Apax Fonds)?

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„Indem wir uns auf Brillengläser konzentrieren, tun wir dem Erbe von Rodenstock einen Gefallen“

eyebizz: Herr Hedegaard und Herr Desimoni, zunächst herzlichen Dank, dass Sie sich bereit erklärt haben, dieses schon länger geplante Interview mit mir zu führen. Denn ausgerechnet heute wurde bekannt, dass Sie, Herr Hedegaard, zum 1. Februar als CEO von Rodenstock zurücktreten. Meine erste Frage deshalb: Wie kam es zu diesem überraschenden Führungswechsel?

Anders Hedegaard: Es liegt in der Natur eines solchen Wechsels, dass man ihn nach außen hin geheim halten muss, bis er verkündet werden kann. Aus diesem Grund mag er für manche eine Überraschung gewesen sein, nicht aber für uns. Ich bin seit 2019 bei Rodenstock und, wie Sie wissen, Däne. Die ersten drei Jahre lebte ich in Deutschland, letztes Jahr pendelte ich zwischen Dänemark und München. Für mich und in Anbetracht meines Alters war es ein natürlicher Schritt, mich mit unseren Eigentümern auf eine Nachfolge zu einigen. Dieses Gespräch habe ich vor mehr als einem Jahr geführt.

Rodenstock-CEO bis Ende Januar 2023: Anders Hedegaard
Anders Hedegaard war vier Jahre lang Geschäftsführer von Rodenstock, bevor er Anfang Februar zurückgetreten ist, als „non-executive Mitglied“ wird er weiterhin im Beirat tätig sein (Bild: Rodenstock)

Marcus Desimoni, der schon zwei Jahre mit dabei ist, hat gezeigt, dass er das Optikgeschäft kennt und ein internationales Unternehmen wie Rodenstock führen kann. Ich ziehe mich nach und nach zurück, werde aber Teil des Beirats. Wir haben den Wechsel reibungslos gestaltet: freundlich, positiv und auf Kontinuität und Strategie bedacht. Das war uns das Wichtigste.

Können Sie Ihre künftigen Aufgaben im Beirat näher beschreiben?

Ich werde Mitglied des Beirats sein und treffe mich monatlich mit der Geschäftsführung. In einem Unternehmen wie dem unseren gibt es eine Menge laufender Projekte, da wäre es störend, wenn ich einfach aufhören und sie nicht mit zu Ende bringen würde. Das werde ich in enger Zusammenarbeit mit Marcus Desimoni tun. Ein Thema, mit dem wir uns befassen, ist die Frage, wie wir geografisch expandieren können. Hier haben wir die USA als größten optischen Markt der Welt im Blick.

Meine Tätigkeit als Berater wird nur eine Teilzeitstelle sein, auch weil ich sicherstellen muss, dass ich Marcus und dem Team die Führung überlasse.

Ein anderes Thema: Warum hat Rodenstock das Geschäft mit Fassungen aus der Hand gegeben und an De Rigo verkauft? Rodenstock hatte doch eine lange Tradition als Vollsortimenter oder besser gesagt Anbieter von Brillen als Ganzes?

Unsere fundamentale DNA ist der optische Teil des Geschäfts: die Technologie und Qualität der Brillengläser. Das ist der Punkt, an dem sich Rodenstock wirklich unterscheidet. Wir sind in der Lage, mit dem DNEye Scanner die gesamte Anatomie des Auges zu vermessen. Die daraus gewonnenen Daten fließen direkt in die Brillenglas-Produktion ein. So stellen wir sicher, dass Brillenträger die schärfsten Gläser mit dem höchsten Tragekomfort erhalten. Wir sind der Überzeugung, dass man umso stärker wird, je fokussierter man sich aufstellt.

 

„Für uns waren Fassungen und Brillengläser zwei getrennte Geschäftsbereiche mit zu wenig Synergien.“

Anders Hedegaard

 

Mit Rodenstock und Porsche Design hatten wir zwei Fassungsmarken. Das aber ist zu wenig, um eine kritische Masse zu erreichen, damit es sich betriebswirtschaftlich lohnt. Wir hätten also entweder die Anzahl der Marken erhöhen oder uns entscheiden müssen, sie zu veräußern. Wir hielten eine Veräußerung für sinnvoller.

Doch das Fassungsgeschäft machte, so stand es zumindest im Herbst 2019 in der Wirtschaftspresse, immerhin 15 Prozent des Umsatzes aus.

Es waren nur acht Prozent, eine geringe Zahl also. Man muss auch bedenken, dass es sich um sehr unterschiedliche Entwicklungs-, Herstellungs- und Verkaufsprozesse handelt, je nachdem, ob es sich um Fassungen oder Gläser handelt. Für uns waren es zwei getrennte Geschäftsbereiche mit zu wenig Synergien. Es ist im Grunde dasselbe wie bei einem Autohersteller, der nicht unbedingt Reifen herstellt. Wenn Sie ein Auto kaufen, bekommen Sie es mit Reifen. Es sind zwei verschiedene Arten von Business, für den Endverbraucher spielt das aber keine Rolle.

Rodenstock ist ein ehemals familiengeführtes, 145 Jahre altes Unternehmen mit traditionellen Wurzeln. Besteht nicht die Gefahr, dass diese Geschichte und die damit verbundenen Werte so langsam verloren gehen?

Was wir in den letzten Jahren getan haben, war genau das: auf unserem Erbe aufbauen, dem starken deutschen Erbe der Innovation und der hohen Qualität. Um das zu sichern, ist auch Randolf Rodenstock weiterhin Mitglied im Aufsichtsrat, was uns auf gute Weise mit der Familie und unserem Erbe verbindet. Jedes Unternehmen muss ein Gleichgewicht zwischen Geschichte und Zukunft finden, sich auf intelligente Art und Weise weiterentwickeln. Ich glaube, das ist uns gelungen.

Rodenstock Headquarter Lobby
Repräsentativ und puristisch: die Rodenstock-Zentrale im Münchener Stadtteil Laim, Elsenheimerstraße 33 (Bild: Rodenstock)

Indem wir uns mehr auf Brillengläser konzentrieren, tun wir dem Erbe von Rodenstock einen größeren Gefallen, denn wir werden besser und fokussierter sein und mehr zum Nutzen der Augenoptiker und Endverbraucher investieren.

Was bedeutet es für die Partneroptiker, dass Rodenstock sein Geschäft mit Fassungen verkauft hat?

Augenoptiker werden den Unterschied kaum bemerken. Sie werden in Zukunft weiterhin mit der besten Qualität der Fassungen beliefert werden und durch einen sehr guten Service unterstützt werden. Alles wird wie gewohnt weitergehen. Das war sehr wichtig für uns.

Gläser von Rodenstock bekommt man bei unabhängigen Augenoptikern, aber auch bei Ladenketten wie Apollo oder Pro Optik. Schadet das nicht der Premium-Marke?

Wichtig ist, dass unsere Premium-Produkte, basierend auf unserer DNEye-Technologie, nur von unabhängigen Augenoptikern verkauft werden, die so eine klare Möglichkeit haben, sich von Mitbewerbern zu differenzieren. Wer zu Filialisten geht, kauft in der Regel andere Arten von Gläsern. Das muss kein Problem sein. Nehmen Sie das Beispiel Apple: Die Marke bekommen Sie bei den Ketten, aber ebenso in kleineren Geschäften. Wir wollen das Know-how von Rodenstock verbreiten. Je mehr Menschen Rodenstock-Gläser tragen, desto besser.

Sie standen fast vier Jahre an der Spitze des Unternehmens. Was war Ihre wichtigste Entscheidung in dieser Zeit?

Als ich zu Rodenstock kam, begannen wir, uns stärker auf Brillengläser zu konzentrieren. Ergebnis waren die maßgeschneiderten, eben biometrischen Brillengläser, die wir 2019 als „B.I.G. Vision“ einführten. Das war wahrscheinlich die wichtigste Entscheidung. Die neue Strategie wurde von allen Mitarbeitern mitgetragen und hat das ganze Unternehmen auf den Kern von Rodenstock ausgerichtet: hochwertige Brillengläser, überragende Qualität und besseres Sehen für unsere Kunden. Das hat uns einen Schub gegeben, der bis heute anhält.

Was war das Überraschendste, was Sie über die Optikbranche gelernt haben?

Für mich war es eine positive Überraschung, dass Augenoptiker unsere biometrischen Brillengläser so gut aufgenommen haben. Das zeigte mir: Die Augenoptik ist offen für Veränderungen, bereit für Innovationen und bereit, diese auch anzunehmen und neue Wege zu gehen.

Rodenstock CFO - Marcus Desimoni
Marcus Desimoni, der neue CEO an der Spitze von Rodenstock, leitete bisher das Finanzresort des Unternehmens, einschlägige Erfahrungen in der Medizintechnik sammelte er zuvor beim dänischen Unternehmen GN Store Nord A/S und GN Hearing A/S, ebenfalls als CFO (Bild: Rodenstock)

Herr Desimoni, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer neuen Position als CEO von Rodenstock. Wie geht es Ihnen damit?

Marcus Desimoni: Natürlich fühle ich mich sehr geehrt, dass mir das Management, der Vorstand und die Shareholder so viel Vertrauen entgegenbringen und mir zutrauen, dass ich in die großen Fußstapfen von Anders treten kann. Ich denke auch, der Wechsel ist gut vorbereitet, da ich seit zwei Jahren im Unternehmen bin, die Mitarbeiter, die Kunden und die Branche genug kenne, um den nächsten Schritt zu machen.

Was sind Ihre konkreten Ziele für die ersten hundert Tage?

Ich habe in den zwei Jahren sehr eng mit Anders zusammengearbeitet, auch mit dem Management. Die strategischen Richtungen, die wir in den Entscheidungen des letzten Jahres eingeschlagen haben, wurden alle aufeinander abgestimmt, gemeinsam vorbereitet, vereinbart und umgesetzt. Daher wird es keine Revolution geben. Wir werden unseren profitablen Wachstumskurs auch in Zukunft fortsetzen, angetrieben durch die starke Innovation, die wir in unserem Haus haben, und durch unsere herausragenden technischen Leistungen.

 

„Wir sind ein echter europäischer Akteur, diesen Weg wollen wir weitergehen.“

Marcus Desimoni

 

Was sind die größten Herausforderungen?

Wenn man morgens aufwacht, sieht man die Schlagzeilen und macht sich Gedanken darüber, was in der Welt vor sich geht. Das ist auch bei uns der Fall, aber diese Ungewissheit ist Teil des Lebens, also müssen wir damit umgehen. Doch wir haben ein starkes Führungsteam, eine starke Marke, und unser Markenportfolio durch die Übernahme des führenden spanischen Brillenglas-Herstellers Indo Optical nochmals erweitert. Wir sind ein echter europäischer Akteur, und ich denke, das ist der Weg, den wir weitergehen wollen.

Rodenstock hat 2022 bei der opti ausgestellt, nicht aber in diesem Jahr. Können wir 2024 mit einem Comeback rechnen?

Marcus Desimoni: Letztes Jahr waren wir sehr zufrieden, dass wir nach zwei Jahren, in denen wir alle Messe-Aktivitäten eingestellt hatten, auf der opti waren. Doch in diesem Jahr war das Umfeld anders. Es herrschte ein hohes Maß an Verunsicherung. Die Diskussion über die steigenden Gaspreise war wenig geschäftsfördernd. Auch die Debatte darüber, ob die opti vielleicht wieder aufgrund von Corona-Maßnahmen ins Frühjahr verschoben werden muss, hat schon für Unsicherheit gesorgt. Wir hätten deshalb einen massiven Rückgang an internationalen Kunden verzeichnen müssen. Unsere Absage in diesem Jahr bedeutet jedoch nicht, dass wir auch nächstes Jahr nicht dabei sein werden.


/// Das Interview führte Jürgen Bräunlein.

 

Rodenstock GmbH
1877 gegründet, Hauptsitz in München
Eigentümer seit 2021: Finanzinvestor Apax Fonds
CEO seit 1.2.2023: Marcus Desimoni
Rund 5.100 Mitarbeiter weltweit
Verkaufsbüros und Vertriebspartnern in mehr als 85 Ländern
Produktionsstätten in 16 Standorten und 15 Ländern
www.rodenstock.de

 

Artikel aus der eyebizz 2.2023 (Februar/März)

 

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