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eyeliner-Markenportrait

Sea2see: Meeresplastik mehr als ein Brillen-Rohstoff

Brillen aus recyceltem Plastik aus dem Meer: 2016 sorgte François van den Abeele mit dieser Idee und Sea2see für Erstaunen und Umdenken. Seitdem hat sich einiges getan bei dem Unternehmen aus Barcelona – Zeit für ein Update.

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Sea2see Eyewear – aktuelle Kampagne (Bild: Sea2see)

Ein Blick zurück ins Jahr 2015: Die Meldung um den Great Pacific Garbage Patch und die Bilder der riesigen „Plastikinsel“ im nördlichen Pazifik (Stand 2018: 1,6 Mio. km2, – dreimal so groß wie Frankreich) sorgten weltweit für Entsetzen über den sorglosen Umgang mit Plastikmüll und die Art und Weise, wie dieser in die Gewässer gelangt, auch bei François van den Abeele.

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„Zu dieser Zeit trug ich erstmals eine Brille und stellte mir ein Produkt mit Umweltbezug vor, um auf die Plastik-Verschmutzung der Ozeane aufmerksam zu machen, und sah, dass es in der Optikbranche keine Nachhaltigkeit gab. Zeitgleich verfolgte ich den großartigen Boyan Slat und sein Ocean-Clean-up-Projekt.“

Debüt mit 18 Sonnenbrillen

Als er 2016 mit Sea2see Eyewear startete – damals als One-Man-Show mit 18 Sonnenbrillen aus recyceltem Meeresplastik –, richtete er ein Abfallsammel-Programm in Häfen ein mit spanischen Fischern, die für ihn bald täglich fast eine halbe Tonne an zurückgelassenen Fischernetzen und anderen Plastikteilen einsammelten.

 

„Jede Sekunde landen 256 kg Plastik in unseren Ozeanen!“

(François van den Abeele, Sea2see)

 

Es war das erste Brillenunternehmen, das sich für ein vertikal integriertes Geschäftsmodell einsetzte, indem es eine eigene Infrastruktur für das Sammeln von Kunststoffabfällen aus dem Meer schuf und diese für die Herstellung von Fassungen verwendete. „Jede Sekunde landen 256 kg Plastik in unseren Ozeanen! Doch wo andere Abfall sehen, sehen wir Rohmaterial.“

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François van den Abeele sieht in Meeresplastik einen wichtigen Rohstoff – und noch mehr (Bild: Sea2see)

Der Kunststoffabfälle wurden in den Häfen gesammelt und in einer Recyclinganlage sortiert. Was für die eigene Produktion verwendet werden kann, wird behalten, der Rest verkauft. Der Auswahlprozess erfolgt per Hand und mit bestimmtem Sortier-Schlüssel, um einen homogenen, gut recyclebaren Rohstoff zu erhalten. Dieser wird zu Pellets aufbereitet, genannt „UpSea Plast“ und „Cradle to Cradle Gold“-zertifiziert.

Die Pellets kommen nach Italien, wo die Brillen des Labels, so Van den Abeele, nachgewiesen zu 100 % von einem renommierten Brillenhersteller gefertigt werden (CI Made in Italy Certificate). Die Kollektion umfasst bislang mehr als 300 farbenfrohe, leichte Brillen- und Sonnenbrillen-Modelle in modernen Formen (z.B. quadratisch), aber auch Klassiker wie Pilotenform und Wayfarer-Stil. Auch Korrektionsfassungen sind erhältlich, auf die mittlerweile 65 % des Umsatzes entfallen.

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Sea2see Eyewear: Farbenfrohe Korrektionsfassungen, hier mit Clip-on (Bild: Sea2see)

Die Verpackung für die Brillen ist aus Zuckerrohr-Extrakt hergestellt und mit Farben auf Pflanzenbasis bedruckt. Eine Brille finanziert das Einsammeln und Recycling von 5 kg Kunststoff. In der Zentrale in Barcelona sitzen neun Mitarbeiter. Hinzu kommen je nach Land eigene Vertreter (in Deutschland fünf), Vertriebspartner und Kooperationen mit führenden Ketten, die die meeresverträglichen Werte von Sea2see teilen.

Expansion nach Afrika

Anfangs noch als „crazy man“ belächelt, gewann der 50-jährige Belgier auch im Ausland immer mehr Unterstützung. Die Sea2see Foundation, die Non-Profit-Organisation hinter der Brillenmarke, expandierte 2019 von Spanien und Frankreich nach Afrika. Van den Abeele verbrachte viele Jahre auf Reisen in Entwicklungsländern, lebte als Kind und Anfang 2000 als Selbstständiger dort und bekam die Folgen der Plastikverschmutzung aus erster Hand zu sehen. Für ihn war es nur logisch, dass er auch die Küsten und Meere schützen wollte.

Fischer in Westafrika, die an einem Projekt in Ghana und Senegal mitarbeiten, haben seit 2020 damit eine neue Einnahmequelle, mit unmittelbarer positiver Auswirkung auf die Umwelt. Unterstützt wird außerdem die lokale Initiative zur Rettung von Kindern aus der Sklaverei der dortigen Fischerei-Industrie auf dem Voltasee mit Mitteln für ihre Ausbildung (PACODEP und Freetheslaves.net).

Sea2see Eyewear - Sammeln von Meeresplastik
Sea2see Foundation: Sammeln von Meeresplastik (Bild: Sea2see)

Bis zu 400 Tonnen Abfall kommen pro Jahr zusammen, von denen etwa 300 wiederverwertet werden können. Die Stiftung hat in Afrika inzwischen sieben feste Mitarbeiter und 30 Vertreter, die sich an ebenso vielen Standorten um die Abfallsammlung und deren Logistik kümmern. Nach dem Vorbild des in Ghana erreichten Modells startete die Foundation weitere Projekte in Senegal, Madagaskar, Kamerun und in Sri Lanka.

Von Anfang an wichtig war dem zweifachen Familienvater, der auf der opti in München beim Sustainability Hub teilnahm, die umweltgerechte Rohstoffgewinnung und die nachhaltige Produktion seiner Brillen transparent zu machen. So dokumentiert er jeden erreichten Fortschritt mit Siegeln verschiedener Institutionen.

Sea2see Foundation Ghana - Müll aus dem Meer sammeln
Sea2see Foundation in Ghana – Müll aus dem Meer sammeln (Bild: Sea2see)

2021 – und damit passend zum fünften Geburtstag – erreichte Sea2see die renommierte „B Corp“-Zertifizierung, als eine von damals weltweit nur rund 4.500 Firmen. „Benefit Corporation“ belegt die Einhaltung strenger Standards bei sozialen und ökologischen Leistungen. Das Verfahren erfordert die Beantwortung von über 300 Fragen zur Unternehmensführung, den Arbeitnehmern, den teilnehmenden Gemeinden und den Auswirkungen auf die Umwelt. Als Anerkennung für gute Geschäftspraktiken, Verantwortlichkeit und soziale und ökologische Proaktivität wird das Zertifikat hochgeschätzt. Alle drei Jahre steht eine Überprüfung an.

Prädikat CO2-negativ

Anfang 2022 folgte die Zertifizierung als „Carbon Negative Brand“. Als Ergebnis einer Analyse der Organisation Dcycle wurde das Unternehmen aufgrund seiner Maßnahmen zur drastischen Reduzierung von Emissionen nicht nur CO2-neutral – sondern sogar als CO2-negativ eingestuft. „Wir haben unseren ohnehin schon geringen CO2-Fußabdruck durch die Unterstützung und Investition in Projekte für erneuerbare Energien in Mexiko ausgeglichen, die von der UNO koordiniert und zertifiziert wurden“, so François van den Abeele.

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Vom Meeresabfall zum Brillenprodukt in Italien (Bild: Sea2see)

Mit dieser Lebenszyklus-Untersuchung erfolgte eine vertikale Analyse aller Schritte von der Abfallsammlung bis zur Lieferung des Produkts an den Endverbraucher. Die Sea2see-Brillen, die aus recycelten PA6-Meeresabfällen hergestellt werden, sind demnach 86 % weniger umweltschädlich als Celluloseacetat, 79 % weniger als TR90-Grilamid-Rahmen und 61 % weniger als Sonnenbrillen aus Virgin Nylon 6.

In dem Bericht heißt es: „Native Rohstoffe wie Celluloseacetat, Grilamid und Nylon erfordern Herstellungsprozesse, die energieintensiv sind und zu einem hohen CO2-Ausstoß und Verbrauch an fossilen Brennstoffen führen im Vergleich zu den von Sea2see verwendeten recycelten Meeresabfällen“.

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Sea2see Eyewear Korrektion (Bild: Sea2see)

2020 eröffnete das Label den ersten Flagship-Store in Barcelona und gewann den Optician Award 2020, UK. „Das war ein großer Erfolg, da wir mit nicht-nachhaltigen Brillen konkurrierten und die Anerkennung unseren Partneroptikern Glaubwürdigkeit verleiht“, so François van den Abeele. Im Jahr darauf lancierte die Marke eine Uhren-Kollektion aus demselben, zu 100 % recycelten Material, die in der Schweiz hergestellt wird.

Sea2see in Deutschland

Die Brillen werden mittlerweile über mehr als 4.000 Augenoptik-Fachgeschäfte weltweit vertrieben, darunter in Spanien, Italien, den Niederlanden, Belgien, Großbritannien, Polen, Skandinavien, Kanada und auf den Philippinen. Verhandlungen mit australischen und US-amerikanischen Distributoren sollen demnächst geführt werden.

 

„Design, Herstellung und Gebrauch nachhaltiger Produkte gehören zur größten Herausforderung unserer Zeit.“

(François van den Abeele, Sea2see)

 

In Deutschland haben mehr als 1.000 Augenoptikerinnen und Augenoptiker das Label in ihrem Portfolio, was den engagierten Unternehmer besonders freut: „Deutschland ist einer unserer besten Märkte. Recycling und Nachhaltigkeit sind etwas, für das die Deutschen sehr sensibel sind, und die Augenoptiker haben unser Konzept seit seiner Einführung im Jahr 2017 angenommen. Optiker sind anspruchsvoll, aber sie verstehen die tatsächlichen Auswirkungen dessen, was wir tun, und den Wert unserer Produkte. Ich wünschte, wir könnten die Aufnahmebereitschaft, die Sea2see in Deutschland hatte, auf weitere Länder übertragen!“

Sea2see geht seinen Weg weiter. Demnächst sollen die ersten Ski- und Snowboard-Goggles aus dem Rohstoff Meeresplastik produziert werden.

/// PE

 


 

„Wir sind eine Institution mit philanthropischem Einfluss geworden.“

Interview mit François van den Abeele, Gründer von Sea2see. Der studierte Betriebswirtschaftler arbeitete zuvor weltweit als Schiffsmakler, Reporter und Dokumentarfilm-Produzent.

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Recycling-Pionier François van den Abeele, CEO von Sea2see, auf der opti 2022 (Bild: Patricia Perlitschke)

eyebizz: In unserem ersten Interview 2018 erzählten Sie, der Grund, Sea2see zu gründen, waren die plastikverschmutzten Strände bei Ihnen in Spanien. Wie sehen die Strände heute aus?

François van den Abeele: (lacht) Immer noch zu schmutzig, aber ich kann sie trotzdem genießen. Der Unterschied zu vor fünf Jahren ist, dass sich das Bewusstsein verändert hat. Vor allem die jüngere Generation drängt uns dazu, unseren Planeten besser zu behandeln.

In manchen Ländern wie Deutschland ist Recycling schon länger ein Thema, in anderen rund ums Mittelmeer kommt es erst langsam an. In den USA wird fast nichts recycelt. Auch in Afrika, wo ich aufgewachsen bin, gibt es große Probleme mit der Abfallentsorgung. Dort sind die Bedürfnisse auch anders: Die Menschen brauchen ein Dach über dem Kopf, Strom, fließendes Wasser und Schulen für Kinder. Hier in Europa haben wir großes Glück.

Welche Ihrer Ziele vom Anfang sind schon erreicht?

Auf der ersten Silmo 2017 hatten wir einen kleinen Stand mit Bildern von dreckigen Stränden. Die Leute lachten und sagten: Das ist Marketing, das wird nicht funktionieren. Auf der opti dieses Jahr war der Stand im Vergleich dazu riesig. Viele dachten bestimmt, so blöd war die Idee doch nicht. Wir haben bewiesen, dass Meeresplastik eine großartige Rohstoffquelle und Kreislaufwirtschaft möglich ist.

Aber wir wollen noch mehr. Am Anfang war recyceltes Meeresplastik ein Novum, heute ist das Material für mich zweitrangig. Der soziale Aspekt ist immens wichtig und ebenso Teil von Nachhaltigkeit.

Können Sie das erläutern?

2019 starteten wir mit der Sea2see-Foundation in Afrika und gingen in die Küstengemeinden. Allein in Ghana haben wir 30 Sammelstationen mit 30 kleinen Lagerhäusern. Die Fischer erhalten für den gesammelten Plastik-Abfall ein zusätzliches Auskommen. Wir bekommen das Rohmaterial, gleichzeitig wird das Bewusstsein für Umweltschutz geschärft.

Letztes Jahr haben wir annähernd 150.000 Fassungen produziert. Dazu brauchen wir höchstens 6 Tonnen Nylon-Granulat. Doch das jährlich gesammelte Material würde für zwei Millionen Brillen reichen.

So sind wir zu einer Institution geworden, die einen großen philanthropischen Einfluss auf die Quelle dieses Rohstoffes hat. Denn wir sind in Ghana, im Senegal, in Kamerun und Sri Lanka präsent.

Vom nachhaltigen Brillen-Hersteller zum Rohstoff-Produzenten mit sozialem Einfluss …

Ja, das macht mich stolz. Ich wünschte, ich könnte noch mehr tun und jemandem die Brillen-Herstellung übergeben, sodass ich mich nur noch um alles andere kümmern kann. Wir bauen derzeit eine weitere Recyclinganlage in Spanien, damit wir das gesamte Material verarbeiten können. Wir fertigen daraus die Armbänder und Gehäuse für unsere Uhren. Die übrigen Pellets verkaufen wir an andere Unternehmen. So arbeiten wir aktuell mit einem Hersteller von Surfbrettern zusammen.

Braucht es ein internationales Kennzeichen für nachhaltige Brillen?

Ja. Es sollte eine solche Zertifizierung geben. Die eine Sache ist, wie man sein Produkt herstellt, die zweite, was mit dem Produkt passiert, wenn es nicht mehr benutzt wird. Sammeln, recyceln, wieder verwenden. Das ist echte Kreislaufwirtschaft. Es geht nicht darum, mehr Plastik zu produzieren, es gibt genug davon auf diesem Planeten.

Vielen Dank für das Interview!


/// Die Fragen stellte Patricia Perlitschke.

 

 

Sea2see Eyewear and Watches

c/o Sustainable Fashion Brands S.L

Carrer Manel Girona 12 , 08034 Barcelona (Spanien)

Telefon:(+34-935) 839779

E-Mail: info@sea2see.org

Gründung: 2016

Gründer und CEO: François van den Abeele

www.sea2see.org

 

Artikel aus der eyebizz 4.2023 (Juni/Juli)

 

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