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75 und 1 Jahr: Interview mit Frank Tente

Koberg & Tente: Bin ich so aufgestellt, wie es für die Zukunft sinnvoll wäre?

Im Gespräch mit eyebizz spricht Frank Tente, Geschäftsführer von Koberg & Tente, über sein Herzensthema Nachhaltigkeit, Seife und Lehm, Lieferketten in Fernost und die Transsibirische Eisenbahn und erzählt, was es mit der Brille für „heinzigartige“ Typen auf sich hat.

Koberg &Tente Manufaktur - Frank Tente
Verspätete Jubiläumsfeier bei Koberg & Tente: Geschäftsführer Frank Tente im eyebizz-Interview

eyebizz: Herr Tente, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch nachträglich zum 75-jährigen Firmenjubiläum! Auf der jetzt ein Jahr später nachgeholten Feier am Firmensitz in Münster war es nicht leicht, Sie für unser Interview wegzulocken. So viele Gäste wollten Sie begrüßen, mit Ihnen reden, Blumen bringen, Geschenke überreichen …

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Frank Tente: Das hängt, glaube ich, auch damit zusammen, dass wir immer versucht haben, mit Kunden und Lieferanten in einem kollegialen, persönlichen Verhältnis auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten. So suche ich immer Lieferanten, die ungefähr unsere Größe haben, sodass wir nicht ein kleiner unter ganz vielen sind, sondern eine Kooperation möglich ist, wo man sich vertraut und gerne über eine längere Zeit zusammenarbeiten möchte. Da gibt es dann auch keine großen Preisdiskussionen untereinander.

Rechtzeitig zur Jubiläumsfeier ist die zweite Ausgabe des hauseigenen Magazins „All eyes on“ erschienen. Wie entstand das Heft?

Das war die Idee unseres Fotografen, der uns schon lange begleitet und sich immer geärgert hat, dass wir am Markt nicht so wahrgenommen werden, wie wir eigentlich sind. Ihr macht so tolle Sachen, meinte er, aber keiner kriegt das mit. Warum versucht Ihr nicht, das, was Ihr seid, anders zu kommunizieren? So sind wir auf die Idee gekommen, ein Magazin herauszubringen und nicht nur schöne Kataloge zu machen, die nur etwas zum Produkt erzählen, aber wenig darüber, was alles dahintersteckt. „All eyes on“ war geboren.

Koberg + Tente Manufaktur
„All eyes on“: Frank Tente stellt in der gläsernen Manufaktur das neue Magazin von Koberg & Tente vor

In der ersten Ausgabe ging es um die Firma selbst, um das, was wir tun, im aktuellen Heft steht die Produktion im Mittelpunkt. Im dritten Teil soll es um unsere Kooperationen im lokalen Umfeld gehen. Wir arbeiten etwa viel mit der Behindertenwerkstätte und dem Coppenrath Verlag in Münster zusammen. Auch solche Netzwerke prägen unser Unternehmen.

Ein Thema, das Sie als Geschäftsführer schon lange beschäftigt, ist Nachhaltigkeit. Was gab den Anstoß?

Mit der „Fridays for Future“-Bewegung ist das Thema in den letzten drei Jahren bei mir stark in den Fokus gerückt. Mit meinen Töchtern habe ich oft darüber diskutiert. Da ging es um Mikroplastik, Umweltschutz, und wie jeder Einzelne hier Verantwortung trägt. So haben wir privat von Flüssigseife auf ökologische Seifenstücke umgestellt. Die nächste Frage war dann zwangsläufig: Was mache ich mit meinem Unternehmen? Bin ich da auch so aufgestellt, wie es für die Zukunft sinnvoll wäre?

 

„Manche Dinge brauchen eben Zeit, das hat auch mit Nachhaltigkeit zu tun.“

 

Hier in Münster haben wir rund 25 Leute, die sich die Hände waschen. Wenn wir da ebenfalls auf ein hartes Stück Seife umsteigen, haben wir im Kleinen schon etwas für die Umwelt erreicht. Wenn man einmal anfängt, so zu denken, merkt man schnell, wie viele Hebel es doch gibt, bei den Betriebsabläufen für mehr Nachhaltigkeit zu sorgen.

Gehen die Mitarbeiter da mit?

Es gibt natürlich vereinzelt Mitarbeiter, die solche Veränderungen – etwa unsere Umstellung von Papier- auf Stoffhandtücher – zunächst ablehnen und sagen: Was hat sich der Frank da wieder ausgedacht? Aber wir sind ein Familienunternehmen, sind in direktem Austausch, duzen uns alle. Da ziehen dann auch die Mitarbeiter, die sich anfangs ein bisschen sträuben, mit. Wir haben auch ein Nachhaltigkeits-Team, in dem sich jeder einbringen kann.

Koberg + Tente Gäste
Jubiläums-Feier bei Koberg & Tente in Münster: Stimmungsvolles Ambiente bei erfreulich spätsommerlichem Wetter

Ob die Anlage eines Insektengartens oder Verwendung von Lehmbauplatten zur Verkleidung der „gläsernen Manufaktur“, Sie haben eine ganze Reihe von Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit umgesetzt. Welche würden Sie besonders hervorheben?

Wir verwenden jetzt statt Polybeutel Leinenbeutel für die Verpackung unserer Kollektionen. Unser Nachhaltigkeits-Team hat dabei herausgefunden, dass Leinen in der Produktion sehr viel Wasser verbraucht, sodass das Material öfter genutzt werden muss, damit es ökologisch sinnvoll ist. Deshalb haben wir uns für ein Mehrweg-System entschieden. Die Augenoptiker geben uns regelmäßig ihre Leinenbeutel wieder zurück. Das funktioniert sehr gut. Wir bekommen sehr positive Rückmeldungen.

Einen Teil Ihrer Brillen lassen Sie bei einem Partnerunternehmen in China produzieren. Nachdem die Anlieferung der Kollektionen jahrelang per Luftfracht erfolgte, haben Sie den Transport auf den CO2-sparenden Schienenverkehr umgelegt und liefern über die transsibirische Eisenbahn. Wie hat der Ukraine-Krieg die Logistik verändert?

Im Moment müssen wir mit dem Schiff oder dem Flugzeug transportieren, weil die transsibirische Eisenbahn nicht fährt. Und es ist teurer geworden. Wir haben teilweise das Zehnfache an Transportkosten gegenüber früher. Das ist extrem viel und spiegelt sich auch in unseren Fassungspreisen wider, obwohl wir mit den Preisen ungern hochgehen wollen. Schon während der Corona-Krise ist der Transportverkehr teilweise zum Erliegen gekommen. Ich erinnere mich, ich hatte damals einmal eine Lieferung, da bezahlte ich drei Euro pro Brille nur für den Transport.

Bei dem erfolgreichen Bügelwechselsystem der Kollektion eyemax arbeiten Sie mit World Eye in Südkorea zusammen. Wie sehen Sie hier die zukünftige Zusammenarbeit?

Wir sind ein breit aufgestelltes Unternehmen und wollen nicht nur Fassungen im High-End-Bereich anbieten, sondern auch Kunden mit kleinerem Geldbeutel bedienen, sodass wir auch auf längere Sicht mit unseren Partnern in Fernost zusammenarbeiten wollen. World Eye liefert eine sehr gute Qualität. Zudem sind es enge partnerschaftliche Verhältnisse, die über 25 Jahre gewachsen sind. Natürlich sehe das in Bezug auf die Transportwege und den globalen Kontext kritisch. Aber man muss Lösungen finden. Ich möchte gerne weiter mit ihnen zusammenarbeiten, aber mit einem möglichst niedrigen ökologischen Fußabdruck.

Koberg & Tente Brillen Produktion
Brillen-Herstellung bei Koberg & Tente

Das Thema Nachhaltigkeit berührt auch die Veranstaltung von Messen und ihre Durchführung?

Wie Messen durchgeführt werden, sehe ich schon länger kritisch. Der Aufwand, den Aussteller für drei Tage betreiben, ist einfach Wahnsinn. Es werden Kunststoffplatten und Vinylböden verwendet, die später dann in den Müll wandern. In den letzten Jahren haben wir schon darauf geachtet, mehrfach verwendbare OSP-Platten zu nutzen. Für die kommende opti überlegen wir, einen komplett ökologischen Stand aus Naturholz zu bauen, um so ein unaufwändiges Come Together mit unseren Kunden zu ermöglichen.

Kollidieren die Anstrengungen, das Nachhaltigkeitsthema voranzubringen, mit den aktuellen wirtschaftlichen Unsicherheiten, die da heißen Gasknappheit, Inflation, Ukrainekrieg?

In gewisser Weise ja. Trotzdem sehe ich es als unbedingte Notwendigkeit, hier etwas zu ändern. Die Gasknappheit zeigt ja, dass wir mit unseren Ressourcen nicht grenzenlos umgehen können und versuchen sollten, autarker zu leben. Diesen Ansatz haben wir auch beim Umbau unserer Manufaktur verfolgt, indem wir bewusst ökologische Materialen wie Lehm und Holz verbaut haben. Solche Wege zu beschreiten, kostet oft mehr. Deshalb muss das gut erklärt und auch ins Marketing aufgenommen werden.

Noch ein Beispiel: Wir hatten eine aus Granulat gespritzte Kunststoffbrille, die sich wirklich sehr gut verkauft hat, aber ständig kaputt ging. Deshalb nahm ich sie vom Markt. Der Außendienst verstand das zunächst nicht und fragte mich: Warum produzierst du nicht einfach weiter und machst die Brille etwas teurer? Doch ökologisch ist das nicht sinnvoll, gerade wegen des Abfalls. Deshalb gibt es bei uns keine gespritzten Brillen mehr.

Wie liefen die letzten beiden Jahre wirtschaftlich?

Es hätte deutlich besser sein können, aber wir kamen durch. Die Corona-Krise war für uns Anfang des Jahres mehr oder weniger abgehakt, sodass wir gedacht haben, jetzt kommt die Normalität. Entsprechend habe ich wieder meine Bestellungen hochgefahren. Und dann kam der Krieg in der Ukraine, der eigentlich noch mehr zugeschlagen hat als die Corona-Krise.

Koberg & Tente Brillen Polieren
In der Fertigung von Koberg & Tente: hier das Polieren

Beunruhigt Sie die wirtschaftliche Krisensituation?

Ja, schon. Das lässt mich manches hinterfragen: Macht das Sinn, was wir hier machen, hat das Zukunft? Unser Unternehmen muss sich lohnen. Solche Frage stelle ich mir täglich. Im Moment viel mehr als früher. Grundsätzlich bin ich aber optimistisch.

Ein großes Thema in der Branche sind Nachwuchssorgen und Fachkräftemangel. Wie ist die Situation hier bei Ihnen?

Wir haben hier keine Probleme. Wir bekommen deutlich mehr Anfragen und Bewerbungen, als wir berücksichtigen können.

Wie hat sich die hauseigene Kollektion Koberg entwickelt, die vor zehn Jahren auf den Markt kam?

Die Kollektion hat sich lange Zeit sehr schwergetan, weil Koberg & Tente ein bestimmtes Markenimage hat. Das zu drehen, war schwierig. Als wir die Kollektion einführten, fuhr ein Mitarbeiter in die Großstädte, wo wir nicht so präsent waren, und stellte die Kollektion vor. Was er uns sagte: Jeder kennt Koberg & Tente und hat ein festes Image dazu im Kopf: Guter Service, gut erreichbar, ein Traditionsunternehmen, das aber vor allem günstige Brillen macht. Ein hochwertiges Markenprodukt zu produzieren, traute man uns offenbar zunächst nicht zu.

Das hat sich offensichtlich geändert. In den letzten zwei Jahren hat die Kollektion richtig angezogen. Manche Dinge brauchen eben Zeit, das hat auch mit Nachhaltigkeit zu tun. Koberg ist die einzige unserer Kollektionen, die im letzten Jahr, wo wir es schwerer hatten, Zuwächse verzeichnete.

Die nächste Neuheit von Koberg & Tente wird die Kollektion H3einz sein. Was hat es damit auf sich?

Die Kollektion steht für die drei „heinzigartigen“ Menschen Heinz Koberg, dem Mitbegründer des Unternehmens, meinem im letzten Jahr verstorbenen Vater Heiner/Heinz Tente und Heinz Michel, einem Brillenbauer alter Schule und Mentor bei unserem Neustart. Wir sind gerade dabei, die Kollektion zu entwickeln und zur Marktreife zu bringen.

Koberg + Tente Jubiläum Portraits
Typenportraits, gezeichnet von Karin Engel, geben einen Vorgeschmack auf die kommende Kollektion H3einz von Koberg & Tente

Sie wird zu 100 % Prozent in der Manufaktur am Firmensitz produziert – ein Novum für uns. Launch wird Frühjahr 2023 sein. Die Idee ist, die Kollektion zunächst lokal in Münster zu starten und erst dann bundesweit zu vermarkten, sodass man dann von außen auf uns aufmerksam wird: Habt ihr auch schon gehört, in Münster da tut sich was, das muss ich sehen!

/// Mit Frank Tente sprach Jürgen Bräunlein. 

 

 


Brillenbau Münster

Koberg & Tente und das Konzept „gläserne Manufaktur“

Auf der mit einem Jahr Verspätung nachgeholten Jubiläumsfeier zum 75-jährigen Bestehen von Koberg & Tente führte Geschäftsführer Frank Tente mit sichtlicher Begeisterung mehrfach durch die neue „gläserne Brillenmanufaktur“ am Firmensitz in Münster. Jedes Mal drängten sich die Gäste – Augenoptiker*innen, Lieferanten und andere Brillen- und Geschäftsfreunde – in Scharen um den 46-Jährigen, der sich zur Freude aller auch selbst an die Fräsmaschine setzte.

Koberg & Tente Manufaktur
In der gläsernen Manufaktur von Koberg & Tente

28 Maschinen ermöglichen sämtliche Fertigungsschritte einer Fassungsherstellung, dazu gesellt sich eine CNC-Fräsmaschine für den Formenbau. Die Münsteraner arbeiten in der Manufaktur ausschließlich in 2D und verwenden Abtastformen. Im eigenen Haus werthaltige Brillen entwickeln zu können, ist die Idee hinter der Manufaktur. Dass Interessierte – seien es Augenoptiker*innen, Schulklassen oder einfach nur Brillenfreunde – Brillenmachern bei der Arbeit über die Schultern schauen können, ist Teil des Konzepts.

Der studierte Betriebswirt Frank Tente stieg 2003 als Außendienstmitarbeiter ins Familienunternehmen ein, 2014 in die Geschäftsführung. Seit dem Tod seines Vater Heiner Tente im letzten Jahr, der noch nach seinem Ausscheiden als Mitgeschäftsführer manche Aufgabe übernahm, ruht die Verantwortung des Unternehmens mit seinen 35 Mitarbeitern allein auf den Schultern von Frank Tente, dessen Arbeitstag in der Regel um sieben Uhr morgens beginnt und selten vor 18 Uhr endet. Schon länger kam der zweifache Familienvater nicht mehr zu seinem Lieblingssport, dem Windsurfen. Aber das soll sich bald ändern.

/// JÜB


 

 

Koberg & Tente GmbH & Co.KG

Haferlandweg 12, D – 48155 Münster

Gründung: 1946 in Oelde durch Heinz Koberg und Ludwig Tente

Mitarbeiter: 35, davon 25 in Münster

Marken: whynot, blendwerk, eyemax, Koberg, Retro & Co, Frank + Frei, Die Kinderbrille (Felix, Prinzessin Lillifee, Capt’n Sharky, Pferdefreunde, T-Rex), KT original

www.koberg-tente.de

 

Artikel aus der eyebizz 6.2022 (Oktober/November)

 

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