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„Manufakturbrille“ in Henstedt-Ulzburg

Jörn Dackow: Ihr Stil, Ihr Design, Ihr Unikat!

Sonniger Herbst mit lauem Wind und fallenden Blättern mitten in einer historischen Landkulisse 14 Kilometer nördlich von Hamburg. Der Hof Hörnerkamp wurde 1757 erbaut, wie der Besucher über dem Eingang des Haupthauses lesen kann. Kein besonderes Schild führt hierher, man muss den Weg schon kennen zum Fachwerk- und Reetdachhaus, aus dem nun ein Mann Mitte 50 tritt in traditioneller Zunfthose aus robustem Cord, mit schwerem Schuhwerk, einem Zwirbelbart und freundlich lächelt: Willkommen in der „Manufakturbrille“ von Jörn Dackow!

Manufakturbrille Dackow Hof Hoernerkamp
Hof Hörnerkamp mit der Manufakturbrille von Jörn Dackow

Jörn Dackow führt den Besucher hinein in eine breite dunkle, unbeheizte Diele und biegt rechts ab. Das Reich des Brillenbauers hat nicht mehr als zehn Quadratmeter. Doch in der kleinen vollgestellten, liebevoll eingerichteten, penibel aufgeräumten Werkstatt wird der Gedanke der Handarbeit so ernst genommen wie wohl in kaum einer anderen Brillenmanufaktur Deutschlands. Jede der 70 bis 80 Brillen, die der gebürtige Bremer jährlich herstellt, ist ein Unikat, gefertigt allein mit seinen zwei Händen. Rund 200 Arbeitsschritte, so schätzt er, braucht es bis zur individuellen, maßgefertigten Brille. Lediglich die Scharniere lässt Dackow sich liefern.

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Rustizierte Oberflächen

Zu den Materialien, die er seinen Kunden in der Werkstatt in Muße begutachten, anfassen und bestaunen lässt, gehören italienisches Acetat, Naturhorn vom indischen Wasserbüffel oder aus Madagaskar, verschieden gemaserte Hölzer, Glimmerschiefer, neuerdings auch Metall. In den Schubladen lagern Muster unterschiedlicher Farben. „Die Oberflächen werden von mir nicht immer glattpoliert, sondern auf besondere Weise bearbeitet, Rustizieren nennt sich das“, so der Experte.

Für die Fassungen verwendet der 55-Jährige oft Antikes oder ausrangierte Dinge, die wiederverwertet werden können, Zierteile aus uralten Optikerbeständen, aber auch schon einmal Zuckerzangen mit attraktivem Silberdekor. „Ich muss nichts kaufen, habe alles da. Wenn ich beim Holzhändler Furniere besorge, reicht das für zehn Jahre.“

Manufakturbrille Jörn Dackow
Manufakturbrille: Jörn Dackow

Was den Augenoptikermeister heraushebt: Seine Kunden sind selbst kreativ, bringen die abseitigsten Materialien aus ihrem Leben mit, die er dann in ihre Wunsch-Fassung zu integrieren versucht: auf die Backen, die Bügel, überall dort, wo es technisch möglich ist und ästhetisch Sinn macht. In Brillenfassungen verewigt wurden schon erste Milchzähne, der Stoff eines sündhaft teuren Hochzeitskleides, die Saiten einer Gitarre, Ostseegras oder Computerplatinen.

Aufgeschnittener Basketball

Kürzlich etwa brachte jemand einen Basketball und ein Stück Holzboden aus einer Sporthalle. Zur ersten Inspiration schnitt Dackow den Basketball auf, erforschte die Möglichkeiten des Materials. Schließlich verarbeitete er die Lederoberfläche für das Mittelteil, während das mitgebrachte Holz für die Bügel Verwendung fand. Zudem baut er Zeichen, die für die Sportart stehen, ins Design ein.

Individueller geht’s nicht. Anspruchsvoller wohl auch nicht. Bei jedem Auftrag muss sich der Augenoptikermeister von Neuem Gedanken machen. Manchmal wird’s kniffelig, doch: „Immer wieder genau dieselbe Brille zu bauen, wäre auf Dauer langweilig.“

Auch bei der Augenvermessung setzt der Ein-Mann-Manufakturist auf Tradition, weniger Hightech. Dackows Refraktionskoffer ist 100 Jahre alt, funktioniert immer noch. Seinen Kunden misst er grundsätzlich zweimal die Augen. Zu Beginn und ein zweites Mal, wenn ihnen die entworfene Fassung vorgelegt wird. Mögliche Schwankungen, etwa Blutdruck bedingt, sollen berücksichtigt werden.

Urlaub beim Brillenbauer

Für die Unikate benötigt der Brillenbauer je nach Aufwand zwei Tage bis drei Wochen. Manchmal verbinden Kunden ihren Besuch in der Manufaktur mit einem Urlaub an der Nordsee, auf dem Rückweg ist die Brille fertig, die ihnen später dann verglast zugeschickt wird. Wer möchte, kann sogar ein Zimmer in dem Hofgebäude mieten und bei der Fertigstellung der Brille zuschauen.

Manufakturbrille Dackow Laden
In der Manufakturbrille

Seine Ausbildung absolvierte Jörn Dackow Ende der 80er Jahre in Bremen, bei einem Augenoptiker, bei dem noch sieben Meister im Geschäft waren, und die Auszubildenden drei Jahre in der Werkstatt arbeiteten. Schon immer wollte er etwas mit den Händen machen. Inspiriert hat ihn sein damaliger Ausbilder, der ein Faible fürs Reparieren hatte. Ein Bild des mittlerweile 87-jährigen Lehrers und Meisters hängt heute noch in der Werkstatt.

Nach der Meisterschule in Berlin wurde Dackow Filialleiter bei Bode, zog später nach Hamburg und machte noch einen kurzen Abstecher bei Juwelier Christ in Lübeck. Hier holte er sich Expertise als Goldschmied. Doch mehr als 14 Jahre lang als Filialleiter waren schließlich genug. Das Geschäft, das er zuletzt führte, hätte er auch kaufen können, doch er wollte Eigenes aufbauen.

 

„Ich wollte die Dinge, die mir wichtig sind, zusammenfügen: die Liebe zu alten Sachen und das Handwerk.“

 

Zwei Jahre lief die Vorplanung, bevor sich Jörn Dackow 2011 selbstständig machte – ohne Bankkredit und Businessplan. „Ich wollte die Dinge, die mir wichtig sind, zusammenfügen, die Liebe zu alten Sachen und das Handwerk, und etwas machen, das sich langfristig finanziell trägt, ohne ein zu hohes Risiko einzugehen.“ Das Konzept hieß Manufaktur. Die ersten selbst gebauten Brillen, darunter eine aus einem Buchsbaum-Zollstock, entstanden noch am heimischen Küchentisch.

Pilgerreise nach Italien

Bevor es richtig losging, machte er eine dreiwöchige Initiationsreise. Seine Frau setzte ihn an der Autobahnraststätte ab, per Anhalter fuhr er weiter. In Zunftklamotten marschierte er viele Kilometer zu Fuß bis nach Norditalien zu optischen Stätten, die geschichtlich mit Brillen zu tun haben, besuchte befreundete Brillenmacher, alles eine Einstimmung auf die Selbstständigkeit.

Lokale Zeitungen berichteten schon im Vorfeld von der Reise und der geplanten Manufaktur. Dackow zog in den Hof Hörnerkamp, richtete seine Werkstatt ein, bezog einen weiteren Raum für die Refraktion und machte die große helle Küche mit dem schönen Ausblick zum entspannten Ort der Kundenberatung.

Dass seine Manufaktur sofort in dem Buch „Handgemacht – Die schönsten Manufakturen Deutschlands“ aufgenommen wurde, brachte schnell Kundschaft. Kurze Zeit später kam eine Einladung aus dem Außenministerium für ein Manufakturen-Dinner in Berlin. Die Tischrede hielt Guido Westerwelle. Auch das befeuerte das Geschäft.

Manufakturbrille Dackow Unikate
Unikate aus der Manufakturbrille

Brillen-Unikate aus Hörnerkamp gibt es ab 200 Euro, doch die meisten wollen etwas Besonderes, sodass der durchschnittliche Fassungspreis zwischen 450 und 650 Euro liegt, die Gläser kommen noch dazu. Die bezieht Dackow von drei Herstellern, darunter einem Premiumanbieter und einem Brillenglas-Produzenten aus der Region.

Die von ihm gefertigten Brillen können auch nach vielen Jahren noch repariert werden. Am Ende jedes Jahres dokumentiert Dackow alle seine Fassungs-Unikate in einem Buch, falls eine Reparatur nötig werden sollte. Genau deshalb sind Kunden schon zu ihm gekommen, weil ihr Augenoptiker ihre Brille nicht mehr reparieren konnte, etwa weil das Ersatzscharnier nicht mehr lieferbar war, und sie genötigt wurden, eine neue Fassung zu kaufen. Dass aber wollten diese Kunden gerade nicht.

Marktlücke extravagante Brillen

„Es kommen auch Brillenträger zu mir, die im Laden nicht fündig werden, weil sie einen zu großen Kopf oder eine zu schmale Nase haben oder darüber klagen, dass bei Augenoptikern keine exotischen Brillen mehr zu bekommen sind. Vor allem aber habe ich Kunden, die Ästheten sind und das Handwerk schätzen und unbedingt eine handgefertigte Brille möchten. Das sind in der Regel Gleitsichtträger 60 plus.“

Zu Beginn seiner Selbstständigkeit ging Dackow noch 12- bis 14-mal im Jahr auf Kunsthandwerkermärkte und -messen in der Region und präsentierte sich dort mit einem eigenen Stand. Eine wirkungsvolle Form der Akquise, wie er sagt: Besucher nehmen einen Flyer mit, einige melden sich später, auch wenn es Jahre dauern kann.

In den ersten Jahren machte er für jeden Kunden noch eine kleine Broschüre, in der fotografisch festgehalten wurde, wie die individuelle Brille entstanden ist. Alle wichtigen Arbeitsschritte zum Unikat wie Sägen, Nuten, Bohren, Schneiden, Schweißen oder Fräsen wurden darin wiedergegeben. Perfektes Marketing, auch weil es zeigt, das gutes Handwerk aufwendig ist und deshalb etwas kosten muss.

 

„Immer wieder genau dieselbe Brille zu bauen, wäre auf Dauer langweilig.“

 

Mittlerweile hat Jörn Dackow Kunden aus der Schweiz und Österreich, selbst Schweden waren schon bei ihm. Auch während Corona war die Auftragsbox voll. Wenn im Fernsehen wieder einmal über ihn berichtet wird, gibt es hinterher deutlich mehr Aufträge. Dann steigt der Druck, denn sein Anspruch ist es, innerhalb eines halben Jahres liefern zu können.

Keine Frage: Das Leben des Brillenbauers in Hörnerkamp ist kreativ, produktiv und doch entschleunigt. Mittags schwingt er sich aufs Fahrrad, ist in fünf Minuten zu Hause. Das Familienleben mit zwei Kindern im Teenager-Alter ist auch wichtig. „Ich wüsste nicht, was ich anders machen sollte, wenn ich‘s nochmals machen würde“, sagt er. Ab und an wird er von Start-ups angefragt, ob er seine Sachen nicht serienfähig machen könne, doch er winkt ab und sagt es nochmals: „Es ist für mich nicht interessant, ein und dieselbe Brille 30-mal herzustellen.“ Nicht umsonst lautet sein Lebensmotto: Auf dem Weg, den alle gehen, wächst kein Gras!

/// Jueb

 


 

Selbstständigkeit als Augenoptiker? 3 Tipps von Jörn Dackow

1. Gute Vorbereitung und Planung. Man sollte sich vorher sehr genau überlegen, was man machen möchte und sich dann intensiv damit beschäftigen. Das braucht Zeit.

2. Ein Netzwerk schaffen. Wichtig ist der Austausch mit Gleichgesinnten, die man anrufen kann, wenn man nicht mehr weiterkommt. Am Anfang gründete ich eine Brillenmachergilde, um solche Kontakte zu knüpfen.

3. Breit aufgestellt sein. Ein Kollege, der nur Holzbrillen gebaut hat, musste aufgeben, weil es sich nicht gerechnet hat. Daraus habe ich für mich den Schluss gezogen, mich so aufzustellen, dass ich Brillenfassungen aus unterschiedlichen Materialien anbieten kann.


 

Bilder: Manufakturbrille, Jueb

 

Manufakturbrille

Hörnerkamp 11-13, 24558 Henstedt-Ulzburg

Tel. (0172) 95 92 718, E-Mail: info@manufakturbrille.de

www.manufakturbrille.de

 

Artikel aus der eyebizz 1.2023 (Dezember/Januar)

 

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