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Markenportrait

Gentle Monster: Brillen sind Nebensache

Bei „Gentle Monster“ treffen zwei Welten aufeinander: Sanftes und Unheimliches. Ein rasant reizvolles, spacy flirrendes Spannungsfeld tut sich auf. Es zeigt sich in der neuen Kampagne rund um die erste optische Fassungslinie des 2011 gegründeten südkoreanischen Labels, aber erst recht in der avantgardistischen Ladengestaltung: Die Brillen scheinen nur noch Vorwand zu sein für exzessive Kreativexperimente, bei denen alle Grenzen verschwimmen.

Gentle Monster - Haus Lounge
Konzeptstore „Haus Dosan“ von Gentle Monster – Die Lounge: eine mehrstöckige 3D-Installation in der Mitte der Etage, mit entworfen von Frederik Heyman (Bild: Gentle Monster)

Die Sonnenbrillen des 2011 von Hankook Kim in Seoul gegründeten Labels Gentle Monster sind wegen ihres auffälligen Designs mit übergroßen Rahmen und niedriger Stegpassform berühmt geworden. Zielgruppe waren zunächst asiatische Millenials, die in der Lage sind, bis zu knapp 300 Euro für eine gehypte Fassung hinzublättern.

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Gentle Monster ATA_01_2
Gentle Monster Modell Ata

Die Fangemeinde wuchs, auch deshalb, weil sich Influencer aus der Mode- und Musikwelt bereitwillig damit fotografieren ließen. In Südkorea hat das Verhalten von Prominenten in den sozialen Medien einen starken Einfluss auf das Konsumverhalten. Der Gedanke zu expandieren, kam dem Gründer erst später. Es überraschte, dass die übergroßen Fassungen auch außerhalb Asiens nachgefragt wurden.

Gentle Monster Haus Zweiter Stock
„Haus Dosan“, zweite Etage: Korrektionsfassungen von Gentle Monster, dazu eine bewegliche Mixed-Media-Installation von Jonas Lindstroem (Bild: Gentle Monster)

Tilda Swinton ist die Marken-Muse

Längst hat Gentle Monster Brillenfreunde weltweit erobert. Die Marke kooperierte mit den Modemarken Fendi (Italien) und Alexander Wang (USA), 2017 entstand eine Kollektion mit Schauspielerin Tilda Swinton – vom Unternehmen als „die Muse von Gentle Monster“ vorgestellt. Vor kurzem tat man sich mit dem US-amerikanischen Videospielhersteller Blizzard Entertainment zusammen, gab eine limitierte Sonnenbrillen-Edition für „World of Warcraft“ heraus.

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Gentle Monster Modell Soa

Kleine Labels, die versuchen, über die ganz Großen mehr Einfluss auf den Markt zu gewinnen, das kennt man etwa von Mykita und deren Zusammenarbeit mit Margiela, Moncler und Helmut Lang. Doch was Gentle Monster so avantgardistisch heraushebt, ist das irre, ja aberwitzige Interieur in den bislang 18 Flagship-Stores weltweit. Jedes Geschäft ist thematisch anders, jedes Mal verschlägt es dem Besucher fast den Atem.

Gentler Monster - Haus
Das „Haus 0 10 10 10 1“ ist schlicht und minimalistisch gebaut (Bild: Gentle Monster)

Gentle Monster Konzeptstore

So auch Ende Februar, als in Südkorea der Mehrmarken-Konzeptstore „Haus Dosan“ eröffnete, um gleichzeitig die erste optische Linie der Marke vorzustellen. Neben den Brillen werden hier auch die Schwestermarken von Gentle Monster gelauncht: die Kosmetikmarke Tamburin und der Dessert Brand Nudake.

Äußerlich ist das sechsgeschossige Bauwerk „Haus 0 10 10 10 1“ im Zentrum Gangnam-gu schlicht und minimalistisch gebaut, doch innen geht die Post ab: Multimedia-Künstler und ihre ausufernden Visionen prägen die 1.600 Quadratmeter Gesamtfläche. Jede Etage präsentiert eine eigene Welt.

Spinne aus dem Robotiklabor

Das symbolträchtigste Ungetüm der avantgardistischen Retail-Erzählung ist ein sechsbeiniger Roboter im dritten Stock, der nach einem Jahr Forschung im markeneigenen Robotiklabor geboren wurde: Schwarz, glänzend, monströs. Wie eine Spinne, aber alptraumhaft groß und elegant. Daneben liegen die Sonnenbrillen, so kostbar, als müssten sie von eigens dafür gezüchteten Ungeheuern bewacht werden.

Gentle Monster Robotermonster
„Haus Dosan“ in Seoul, dritte Etage: Der sechsbeinige, von Gentle Monster entwickelte Roboter raubt den Atem, die Sonnenbrillen sind nur noch Beiwerk (Bild: Gentle Monster)

Im zweiten Stock werden ausschließlich Korrektionsfassungen präsentiert, die optische Linie der Marke, die seit dem 10. September weltweit online und in allen Gentle -Monster-Flaggschiffen erhältlich sind: fünfzehn handgefertigte Modelle innerhalb einer Kollektion von sechzig Fassungen in verschiedenen Farbvarianten, teils mit Verlaufsgläsern.

Spektakuläre Kampagne „Gentle“

Begleitet wird der Launch von einer Kampagne mit dem Titel „Gentle“, die kaum weniger spektakulär ist: Zu bestaunen sind starke, dabei ganz unterschiedliche Typen, die der niederländische Fotokünstler Ari Versluis teils provokant, teils witzig in Szene gesetzt hat. Die Personen ruhen in sich, haben Stil und Charisma, die mit der jeweiligen Fassung bestens harmoniert: Mal ist es die Schönheit im maximal Haut zeigenden Abendkleid, mal der tätowierte Marzial, mal die coole Koreanerin in Schwarz-Weiß, mal die weiche Rothaarige. Alle so verschieden wie authentisch und modern.

Gentle Monster - Kampagne Gentle 4
Die Gentle-Kampagne stellt Identität in Frage: ein leerer Raum unendlicher Möglichkeiten, der durch die Spannung zwischen „Gentle“ und dem einzelnen Individuum entsteht. Sind es alles Monster? (Bild: Gentle Monster)

Doch geht es bei Gentle Monster überhaupt noch um Brillen? Die Consumer Experience vor Ort sucht ihresgleichen. Die thematischen Geschäfte – neben Südkorea auch in China, Singapur und den USA (Soho, Los Angeles) – wirken wie Kunstgalerien: hypercooles Design, extravagante Installationen und die Brillen? Fast nur Nebensache.

Mit Verkauf hat das scheinbar kaum noch etwas zu tun. Gerüchten zufolge beschäftigt Gentle Monster auch zehnmal mehr Mitarbeiter für das Design der Läden als für Entwicklung und Design der Brillen.

Menschenschlangen vor den Stores

Andererseits: Menschen, die gar nicht daran dachten, eine Brille zu kaufen, werden von überwältigenden Installationen in den Laden gelockt und kommen nun vielleicht doch auf diesen Gedanken. Geht das Konzept auf? In den Stores von Gentle Monster in Südkorea sind anstehende Besucherschlangen keine Seltenheit.

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Gentle Monster Modell Loopy

Doch auch für das Kultlabel läuft nicht alles rund. Der kürzlich in London eröffnete Store – der erste in Europa – hat mittlerweile wieder geschlossen, zunächst nur vorübergehend wegen Corona, nun ganz. Ein Store in Deutschland ist vorerst nicht geplant.

„Wir verkaufen derzeit nicht an deutsche Augenoptiker*innen“, so Gary Bott, Head of UK & Europe auf Anfrage, „haben aber eine Vielzahl von Fachhändlern in ganz Europa.“ Man muss die freundlichen Monster scharf im Auge behalten. Ihre Brillen selbstverständlich auch.

/// CH/ JUEB

 

Gentle Monster

Gründungsjahr: 2011 in Südkorea

Gründer: Hankook Kim

Flagship-Stores weltweit: 18

www.gentlemonster.com

 

Artikel aus der eyebizz 6.2021 (Oktober/November)

 

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