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Natalie und Franz Rosner aus Leinefelde-Worbis

Brillenhelden: Zwei Thüringer auf Powerkurs

Abgehängte Landstriche im Osten? Nicht so im Eichsfeld. Zwar verließen nach der Wiedervereinigung auch in Thüringen Einwohner scharenweise die Region, um Jobs in den alten Bundesländern anzunehmen, doch im Eichsfeld hat sich der Trend mittlerweile umgekehrt. Der Landkreis belegt bundesweit einen Spitzenplatz bei der Rückkehrquote. Vor allem junge Menschen kehren zurück, gut ausgebildet und voller Tatendrang, und bauen etwas auf, gründen Familien und bringen Wirtschafts- und Kulturleben zum Florieren. So wie die beiden jungen Augenoptikermeister Natalie und Franz Rosner von Brillenhelden, Leinefelde-Worbis (Thüringen).

Brillenhelden - Augenoptiker Franz und Natalie Rosner
Brillenhelden – Franz und Natalie Rosner

Beide sind waschechte Thüringer, er kommt aus Zeitz, einer Kleinstadt im Südosten unmittelbar an der Landesgrenze zu Sachsen-Anhalt, sie ist in Leinefelde-Worbis geboren und aufgewachsen. Und dort in der 20.000 Einwohner großen Mittelstadt im Eichsfeld wagten sie am 11. Mai 2019 einen mutigen Schritt. Sie eröffneten ihr Augenoptikgeschäft „Brillenhelden“. Dass es an diesem Samstag – für die Jahreszeit untypisch – geregnet hat, war kein böses Omen und schmälerte den bravourösen Start in keiner Weise.

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Auf Facebook und Instagram konnten Interessierte die Entstehung des Geschäftes bereits mitverfolgen. Im Vorfeld berichteten auch die regionalen Medien. Im Fall von Natalie Rosner vielleicht besonders gern, nicht wenige in der Stadt kennen sie und haben sie aufwachsen sehen, es war auch ein bisschen die Rückkehr einer verloren geglaubten Tochter.

Phase der Wiederbelebung

Als Augenoptiker hatten Natalie (28) und Franz (30) von Anfang an eine doppelte Mission. Nicht nur die Einwohner und die Region mit ihrer augenoptischen Dienstleistung zu überzeugen, sondern auch zur wirtschaftlichen Belebung beizutragen. „Vielleicht sind wir sogar Vorreiter, sagt Natalie und blickt aus dem großen Ladenfenster. „Vor 15 Jahren gab es hier ein Geschäft neben dem anderen, dann stand vieles leer, jetzt erleben wir eine Phase der Wiederbelebung.“

Brillenhelden in Leinefelde-Worbis
Brillenhelden in Leinefelde-Worbis

Das Gebäude, in dem die Brillenhelden eingezogen sind, war Mitte der 90er-Jahre ein Schuhgeschäft, später eine Einrichtung für Senioren in Tagespflege. Für die Transformation in ein modernes Augenoptikgeschäft mit einer Fläche von über 160 Quadratmetern wurden Wände eingezogen und viel konzeptionelle Vorarbeit geleistet. Statt für Glas und steriles Weiß entschieden sich Natalie und Franz beim Ladenbau für grobes Holz mit Betonanmutung. Per Knopfdruck lassen sich unterschiedliche Stimmungen erzeugen.

Herzstück des Ladens ist die Werkstatt mitten im Raum. Kunden können zuschauen, wie ihre Gläser geschliffen und angepasst werden. „Wir wollen das Augenoptikerhandwerk nicht verstecken, sondern zeigen“, sagen beide. Die fertigen Gläser können über Nacht geliefert werden.

Brillenhelden - Beratung und Werkstatt
Brillenhelden – Beratung und Werkstatt

Pfiffiger Hintersinn und manche Tüftelei stecken in den Details. Der befreundete Tischler, der die Holzeinrichtung nach Budgetvorgaben entwarf, verwendete bei der Verkleidung des Tresens Teilstücke von alten Kirchenbänken am Ort. Eine schöne Reminiszenz, denn die Region Eichsfeld ist – eine Ausnahme in Thüringen – traditionell sehr katholisch, auch wenn diese Prägung schon abgenommen hat.

Hoher Besuch durch gerollte Handtücher angekündigt

Kennengelernt haben sich Natalie und Franz auf der Berufsschule. Beide absolvierten ihre Ausbildung bei Fielmann, zum Meister brachte sie die Fielmann-Akademie auf Schloss Plön in Schleswig-Holstein: „Der gute Ruf der Akademie hat sich für uns bestätigt. Maximal 24 Schüler bei 13 Dozenten. Wir haben sehr von der exzellenten und intensiven Ausbildung profitiert.“ Wenn in den Toiletten die Handtücher gerollt waren, so erzählen sie augenzwinkernd, wusste man, dass sich hoher Besuch ankündigte, zum Beispiel Günter Fielmann senior.

Schon seit der Meisterschule war ihr Gedanke an einen eigenen Laden präsent. „Wir wollten unser eigener Herr sein, nicht immer fragen müssen: Dürfen wir diese Brillen ordern und verkaufen? Kann ich mal fünf Minuten Pause machen?“


„Uns gibt es nur im Doppelpack.“


Vor der Selbstständigkeit sammelten sie intensive Berufserfahrung im Premiumbereich der Branche. 2015 anderthalb Jahre in einem Geschäft in Göttingen, später zweieinhalb Jahre mit Ortswechseln bei einer Hörakustik-Kette aus Großburgwedel, wo sie den Augenoptikbereich mit aufgebaut haben. „Wir wollten so viel wie möglich von der gelernten Theorie in die Praxis umsetzen“, sagt Natalie. In Göttingen Center stiegen sie tiefer in den optometrischen Bereich ein. Zu den interessanten Fällen gehörte die Anpassung von speziellen Kontaktlinsen, etwa für einen Kunden, dem ein Splitter das Auge verletzt hatte und der deshalb sehr blendempfindlich war, was die Wahl der richtigen Kontaktlinse anspruchsvoll machte.

Anstellung nur im Doppelpack

Beworben hatten sie sich immer gemeinsam und kommunizierten ihr Anliegen offen gegenüber dem potenziellen Arbeitgeber: „Uns gibt es nur im Doppelpack.“ Das funktionierte. „Es ist ja ein Geben und Nehmen“, sagt Natalie. „Natürlich wollten wir den Urlaub immer gemeinsam nehmen, andererseits waren wir auch immer bereit, einmal länger zu arbeiten, wenn es nötig war.“

Brillenhelden - Brillenauswahl
Brillenhelden – Brillenauswahl

Bald kam Tochter Klara zur Welt, doch das umtriebige Paar managt auch die Familie scheinbar mit leichter Hand. Vor allem Natalie nutzte die Möglichkeit der Elternzeit und arbeitete zudem auch im Homeoffice, Franz war in der Zentrale oder deutschlandweit unterwegs, ab Januar 2018 dann Betriebsleiter eines Flagshipstores in Celle.

2018 heirateten sie, und schon begann der Businessplan für die Selbstständigkeit. Vorangetrieben von Franzens Vater, der frühzeitig drängelte: „Schreibt einfach mal auf, wie Ihr Euch das Geschäft vorstellt.“ Die Marktanalyse berücksichtige einen Radius von rund 30 Kilometern und erforderte einige Zeit, es gab einen Optiker am Ort, doch mehr Bedarf. Im Oktober 2018 begannen die Bankgespräche, Anfang Januar kam die Zusage.


„Wenn wir ein Brillenmodell verkauft haben, ersetzen wir es nicht unbedingt durch das Gleiche.“


Brillenhelden bietet keine Massenware. Im Angebot sind Kunststoff- und Titanbrillen, aber auch Brillen aus Rizinus-Kernöl, aus dem 3D-Drucker oder aus Holz und Stein. Marken sind YouMawo, Einstoffen, Andy Wolf, Tom Davies; der Einstiegspreis bei Brillenfassungen liegt bei 68 Euro.

„Wir wollen den Kunden zeigen, dass Brillen, die etwas Besonderes sind und nicht jeder Zweite auf der Nase hat, durchaus erschwinglich sein können“, sagen Natalie und Franz. „Wenn wir ein Brillenmodell verkauft haben, ersetzen wir es nicht unbedingt durch das Gleiche. Schließlich wollen wir nicht, dass im Ort alle mit der gleichen Fassung herumlaufen.“

Brillenhelden als Marke geschützt

Brillenhelden bietet auch unterschiedliche Screenings an – von intensiver Tränenfilmanalyse bis hin zur Netzhautbetrachtung. Klar getrennt wird dieses Angebot von der regulären augenoptischen Dienstleistung einer gängigen Sehanalyse. Kunden können zwischen unterschiedlichen Screening-Angeboten wählen. „90 Prozent“, so verrät Natalie, „nehmen das Premiumpaket.“

Überhaupt hat man bei Brillenhelden nie mit Schnäppchenpreisen gelockt, auch nicht bei der Eröffnung. Natürlich verdiene man an den Gleitsichtbrillen am meisten, was in erster Linie Menschen ab 40 aufwärts beträfe. Doch alle Kunden werden gleich behandelt, egal ob sie viel oder wenig Geld haben. Als barrierefreies Augenoptikgeschäft mit breiten Türen und ohne Stufen ist man auch für ältere Menschen attraktiv.

Brillenhelden - Natalie und Franz Rosner
Brillenhelden – Natalie und Franz Rosner (Zeichnung von Kim Hoss)

Zum Erfolgsgeheimnis der Brillenhelden gehört nicht nur, dass hier zwei Augenoptikermeister mit gleicher Leidenschaft und gleichem Branchenverständnis an einem Strang ziehen, sondern auch die Fähigkeit, sich nach allen Richtungen zu vernetzen. Über ihren Glasanbieter lernten sie zwei andere Existenzgründer in Gera und Leipzig kennen, mit denen man seitdem im fruchtbaren Austausch steht. Über Instagram kam der Kontakt zu der Stuttgarter Kommunikationsdesignerin Kim Hoss zustande, die Natalie und Franz mit dem Zeichenstift porträtierte. Daraus wurden die Visitenkarten. Der Firmenname ist längst als Marke geschützt. Es gibt eine hauseigene Kontaktlinsen-Serie und ein Kontaktlinsenpflegemittel von Brillenhelden.

Das Gesicht des Thüringer Handwerks

„Leinefelde-Worbis ist ein extrem guter Standort“, sagt Natalie, „zehn Minuten zur ehemaligen Grenze, eine Stunde nach Leipzig, 40 Minuten nach Göttingen, anderthalb Stunden nach Hannover.“ Mittlerweile kämen Kunden sogar aus Kassel und Braunschweig. Fachkompetenz und Beratungsqualität haben sich herumgesprochen. Im vergangenen Herbst wurde Natalie Rosner zum „Gesicht des Handwerks“ in Thüringen gewählt, nachdem sie sich unter zwölf Gesellen und Meister aus den verschiedenen Handwerksberufen durchgesetzt hatte.

Aber all das ist wohl erst der Anfang für die Brillenhelden. Denn Natalie und Franz Joseph sprühen nur so vor Ideen. So wollen sie einen Schwerpunkt auf Kinderoptometrie legen und planen für dieses Jahr Eventworkshops für und mit Augenoptikerkollegen in enger Kooperation mit einer Fassungsfirma. Außerdem sind sie gerade dabei, mit Hilfe des örtlichen Lebenshilfe-Vereins für Menschen mit Behinderung ein Brillenetui aus veganem Leder herzustellen zu lassen, mit dem Brillenhelden-Logo als Prägung. „Also weg von der Massenware, hin zu individuellen Produkten, die auch eine Geschichte erzählen“, schwärmt Natalie. Ihre Begeisterung ist ansteckend.

// JUEB

ID [11371]

 

Natalie und Franz Rosner

Brillenhelden GmbH

Lange Straße 20, 37339 Leinefelde-Worbis

Tel. (036074) 729555, www.brillenhelden.com

 

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Liebe Redaktion, ein toller Artikel über zwei tolle, junge Unternehmer, -in, welchen man nur viel Kraft und Erfolg wünschen kann. Leider hat der Artikel einen kleinen Fehler. Wohl liegt die Kleinstadt Zeitz an der Landesgrenze, halt als südlichste Stadt im Land Sachsen-Anhalt, was letztlich nicht so wichtig ist. Entscheidend sind die beiden „ jungen Wilden“, die der Region einen weiteren wichtigen Impuls gegeben haben.

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  2. Schön das Ihr den Mut hattet dieses Geschäft zu eröffnen.Habe nun eine neue Brille machen lassen und mein Urteil,,,,sehr freundliche und nette Beratung. Brille sehr gut ! Sitzt ,passt wackelt und hat Luft …sagt man so Danke

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