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Shopdesign (nicht nur) nach Corona

Ladenbau: Der Kunde soll kommen, um zu bleiben

Brillen sind auch Lifestyle-Begleiter. Augenoptiker*innen des Vertrauens müssen das Stilbewusstsein der Zielgruppe im Geschäft widerspiegeln, eine Wohlfühlatmosphäre schaffen. Dabei haben die Ansprüche an den Ladenbau zugenommen. Es müssen Orte der Kommunikation und des positiven Erlebens sein, wie Rüdiger Oberschür an drei Beispielen zeigt.

„Die Zukunft der Ladengeschäfte liegt nicht mehr im alleinigen Abverkauf von Ware, der Store als Warenlager hat ausgedient. Stores können künftig viele Funktionen haben. Sie sind Event-Locations, Servicepoints, soziale Treffpunkte, Reparaturwerkstätte, Showrooms, Click & Collect- oder Teststationen und vieles mehr“, sagt Angela Krause vom Deutschen Ladenbauverband (dLv). Der reine Verkauf könnte in Zukunft nur noch eine von vielen Rollen spielen.

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Deutscher Ladenbau Verband - Angela Krause
Angela Krause, Deutscher Ladenbauverband (dLv)

Um die Aufenthaltsdauer im Ladengeschäft zu erhöhen, werden Wellness und Gastronomie in die Stores integriert. Pop-up-Flächen sorgen dafür, dass der Kunde immer wieder neue Storebilder sieht und gleichzeitig neue Produkte kennenlernt. Bereiche, in denen Kunden gerne verweilen, wie bequeme Sitzflächen, werden großzügiger. „Früher kämpfte der Handel um jeden Quadratmeter, um dort Ware zu platzieren. Diese Zeiten sind vorbei. In jedem Fall muss der Store drei Dinge bieten: eine gute Atmosphäre, kompetente Beratung und erstklassigen Service“, so Angela Krause.

Umdasch The Store Makers - Maik Drewitz
Maik Drewitz, „umdasch The Store Makers“

Nach zahlreichen Lockdowns haben die Menschen mehr denn je die Sehnsucht nach ganzheitlichen Einkaufserlebnissen, diese unterschieden sich aber teilweise zu jenen von vor Corona, meint Maik Drewitz, Shop Consult Director Lifestyle Retail bei „umdasch The Store Makers“. „Es muss alles auch mit Abstand funktionieren. Community-Zonen und Funktionsbereiche wie Beratungsorte müssen völlig neu interpretiert werden. Hinzu kommt, dass Flexibilität an Relevanz gewonnen hat. Auf neue Anforderungen rasch reagieren zu können, wirkt sich maßgeblich auf das Storedesign aus“, sagt Drewitz.

Augenoptiker*innen müssen Lifestyle ihrer Kunden kennen

Neben modularen Aspekten rückt die Verzahnung mit E-Commerce und Onlineshop in den Vordergrund. Im Sinne der Konnektivität sind in der Breite Multichannel-Ansätze bedeutender geworden und sorgen ebenfalls für neue Möglichkeiten auf der Fläche. „Der Kunde kann die Ware im Store physisch erleben, die Materialien spüren, sich individuell beraten lassen und die Auswahl dann nach Hause liefern lassen, dort in Ruhe probieren und bei Bedarf im Store zurückgeben“, so der Ladenbau-Spezialist. Dieser Gedanke bringe auch große Vorteile für Augenoptiker*innen. Selbst kleine Händler können ihre Flächen attraktiv gestalten.

Trotz teilweise großer Unterschiede in den Zielgruppen, beispielsweise hinsichtlich Alter und Einkommen, lassen sich aus Expertensicht spezifische Bereiche schaffen, die jeweils auf die Bedürfnisse und Anforderungen einzelner Konsumentengruppen abgestimmt sind und ihnen Möglichkeiten bieten, Produkte und Services auf individuelle Art zu erleben. Als zentrales Verbindungselement dieser verschiedenen Bereiche dient eine schlüssig inszenierte Customer Journey, die ganzheitlich auf der Fläche Spannung erzeugt, Konsumenten in Erinnerung bleibt und sie wiederkommen lässt.

Goldener Verkaufstresen als Ort der Kommunikation

Dazu passt das Projekt für den Hamburger Optiker Bode, das Umdasch mit der Designagentur Schwitzke & Partner realisiert hat. 1938 in Hamburg-Barmbek gegründet, zählt der in dritter Generation von Familie Bode geführte Betrieb mit rund 80 Filialen zu den größten Augenoptik-Unternehmen in Deutschland. Im Fokus der Neugestaltung standen Markenkompetenz und Serviceversprechen. Im rund 265 Quadratmetern großen Flagship-Store, der im Erd- und Untergeschoss des Kunsthauses am Jungfernstieg gelegen ist, soll sich jede Generation angesprochen fühlen.

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Bode Flagship-Store in Hamburg: Eine kluge Farbkombination setzt die Produktwelt optimal in Szene (Bild: Bevis Nickel)
Umdasch - Optiker Bode Hamburg 2
Bode Flagship-Store in Hamburg (Bild: Bevis Nickel)

Dafür fiel die Wahl auf moderne Farben wie das Bode-Gelb, Weiß, Gold, Blau und Schwarz. Die Farbkombination sorgt für ein einladendes Ambiente und hilft, die Produktwelt gut in Szene zu setzen. Ein goldener Verkaufstresen, der optisch an eine Bar erinnert, dient als Kommunikationsstätte. Verstärkt wird der edle Look durch Eiche-Tafelparkett. Die neue Corporate Identity des Unternehmens, in der der Buchstabe O als umarmendes, offenes Symbol erscheint, spiegelt sich auch im Interior Design wider.

Wohlfühlcharakter mit Vintage-Chick und Retro-Teppichen

Wohin die Reise gehen kann, zeigen auch die Umdasch-Projekte für Optik Hallmann und Binder Optik. Das Shopdesign-Team entwickelte in beiden Fällen moderne Konzepte mit „Coming Home Feeling“. Das Ergebnis in der Pilot-Filiale bei Hallmann in Pinneberg macht den Ansatz deutlich: Die Zonierung der Sortimentsgruppen wird mit Hilfe von eigenen Rückwandsystemen geschaffen. Sitzgruppen mit Vintage-Chick und Retro-Teppichen laden mit ihrem Touch an Gemütlichkeit zu entspannten Beratungsgesprächen ein. Deckenelemente mit warmen Holzoberflächen unterstützen den Wohlfühlcharakter und verlängern die Aufenthaltsdauer.

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Optik Binder in Aachen: Home-Charakter mit Steinoptik am Boden, Leinentapeten und Moospaneelen (Bild: Umdasch)
Umdasch - Binder Optik Aalen 2
Optik Binder in Aachen (Bild: Umdasch)

Optik Binder in Aalen empfängt seine Kunden im großzügig gestalteten Store auf zwei Etagen und insgesamt 370 Quadratmetern Fläche. Der Home-Charakter wird durch die Steinoptik am Boden und den Einsatz von freundlichen Materialien wie Leinentapete und Gladstone-Eiche unterstützt. Besondere Highlights sind die neu gestaltete Präsentation für Sonnenbrillen mit Akzenten aus Moospaneelen und das Modul für 3D gedruckte Brillen. Bei diesem innovativen Modul wird die Gesichtsform des Kunden gescannt und auf dieser Basis individuell gedruckt. An der „Kontaktlinsenbar“ können sich die Kunden bei einem Espresso über die aktuellen Trends in diesem Segment informieren. Kinder finden im Obergeschoss in einem speziell gestalteten Bereich eine große Auswahl an neuen Modellen. Eine gemütliche Lounge lädt zum Verweilen ein, hier können die Gäste einen Blick auf die neuesten Brillentrends werfen.

Produkt Brille muss im Vordergrund bleiben

Denn natürlich muss das Sortiment auf der Ladenfläche weiter im Vordergrund stehen. Und nicht nur das, ist man bei Poschmann Design überzeugt: „Wir wollten von Anfang an, dass man die hoch qualifizierte Arbeit des Augenoptikers wahrnimmt, sein Engagement, sein Fachwissen und sein Handwerk“, erklärt Jens Vogel, Geschäftsführer von Poschmann Design, die Neugestaltung des Stammhauses von Brillen Dittmar im brandenburgischen Jüterbog im Landkreis Teltow-Fläming. Inhaber und Geschäftsführer Paul-Michael Unger wollte für die vollumfängliche Neugestaltung des Stammhauses die Arbeits- und Beratungsprozesse optimieren und mehr Bewegungsraum auf der Verkaufsfläche schaffen.

Die funktionale und optische Ausgestaltung zieht sich wie ein roter Faden durch den Ladenbau. Der durch die Verlagerung der ehemaligen Werkstatt neu gewonnene Verkaufsraum bietet nun einen flexibel nutzbaren Beratungsraum. Über den Hof ist ein barrierefreier Zugang zu Laden und Untersuchungsräumen möglich.

Poschmann Design - Brillen Dittmar Jüterbog 2
Brillen Dittmar in Jüterbog: Geordnete Brillenpräsentation dank “Floating Shelfs” (Bild: Poschmann)
Poschmann Design - Brillen Dittmar Jüterbog 1
Brillen Dittmar in Jüterbog (Bild: Poschmann)

Das Produkt Brille blieb trotz des detailreichen Interieurs und der kommunikationsfördernden Zonen im Zentrum der Konzeption. Entlang der Wände und von den Decken abgehängt sind zur freien Produktanordnung beleuchtete Regalkonstruktionen aus Metall installiert. Diese Regalböden, sogenannte „Floating Shelfs“, kommen ohne sichtbare Befestigungen aus und scheinen regelrecht an der Wand zu schweben.

„Der Besucher darf beim Blick in das Fachgeschäft nicht überfordert werden. Eine geordnete Präsentation ist nicht langweilig, sondern lädt eher zum Rundgang durch den Laden oder aber zum Verweilen ein”, kommentiert Jens Vogel das Projekt.

Generell gilt für Augenoptiker*innen nach Corona mehr als je zuvor, sich auf den eigenen USP zu konzentrieren, Produkte erlebbar zu machen, ganzheitlichen Service anzubieten und Flächen zu emotionalisieren. Weg vom klassischen Verkäufer hin zum persönlichen Gastgeber, der mit Empathie für individuellen Service sorgt. Produkte fühlen, anprobieren, im Austausch sein, persönliche Beratung – all das sind mit und ohne Corona die Mehrwerte des stationären Handels. Wenn die Sicherheit und die Einhaltung geltender Hygieneregeln gewährleistet ist, verbringen Menschen gerade in der derzeitigen Situation gerne wieder ihre Freizeit in den Läden, ist man bei Umdasch überzeugt.

Ladenbau: Megatrends Ökologie und Hygiene

Auch die Megatrends Gesundheit, Sicherheit und Ökologie beeinflussen Store Design und Ladenbau. „Wir arbeiten verstärkt mit Materialien, die natürlich sind und hygienisch wirken. Pflanzen, Bäume und natürliche Materialien spielen wieder eine wichtige Rolle im Kreativprozess. Dazu gehören heimische Hölzer genauso wie Keramik, Metalle, Marmor und Bronze – je nach Geschäftskonzept“, erklärt Maik Drewitz. Glatte, leicht zu reinigende Oberflächen erhalten gegenüber Teppichböden den Vorzug.

Aber am Ende sollte jeder Inhaber und Geschäftsführer im Augenoptikbereich seine Stärken klar herausarbeiten. „Der größte Trend ist, dass es im Grunde eigentlich keinen gibt, weil jeder Store individuell auf die Marke, das Produkt und die Zielgruppe zugeschnitten sein sollte“, ist Angela Krause vom dLv überzeugt. „Wenn man so will, ist der Megatrend die Individualität. Positive Folge für den Kunden ist, dass die Eintönigkeit der Nullerjahre in den Fußgängerzonen von Kiel bis Konstanz mit immer gleich aussehenden Läden der Filialisten passé scheint.“ Und so ist im Storedesign erlaubt, was beliebt. Zu sehen ist das beispielsweise bei Bodenbelägen, die mit unterschiedlichsten Mustern kombiniert werden, dem kreativen Einsatz von Tapeten als Eyecatcher oder Materialien, die im Ladenbau nicht so oft zum Einsatz kommen.

Maik Drewitz ist überzeugt: „Wenn man bereit ist, sich kontinuierlich an den Bedürfnissen der Zielgruppe auszurichten, kann der augenoptische Fachhandel auch zukünftig ein Ort der sozialen Begegnung sein, und vielleicht führt die aktuelle Situation sogar dazu, dass sich die Verbundenheit der Konsumenten zum lokalen Handel weiter intensiviert.“

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Rüdiger Oberschür ist Dipl.-Theaterwissenschaftler, seit über 15 Jahren journalistisch tätig, Online-Redakteur und Trendscout.

 

Beitrag aus der eyebizz 6.2021 (Oktober/November)

 

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