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Edelkonzern im Umbau

Kering setzt auf Inhouse Eyewear

Der französische Luxusgüterkonzern Kering hat die Unternehmens-Strategie für seine Brillenlinien geändert und führt dieses Segment jetzt in Eigenregie. In der EYEBizz Ausgabe 6.2016 erklärt EYEBizz-Redakteur Jürgen Bräunlein die Hintergründe.

Global werden rund 80 Prozent der 125 Luxus- und Premiumbrillenmarken in Lizenznahme produziert. Dabei geht das Wachstum auf diesem Sektor rasant weiter, so dass die Rechteinhaber ihr Geschäftsmodell überdenken. Der französische Luxusgüterkonzern Kering hat schon reagiert. Um mehr vom Kuchen zu bekommen, hat der Global Player die unternehmerische Strategie für seine Brillenlinien verändert: Kering führt das Eyewear-Segment jetzt in Eigenregie.

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Kering-Anwesen innen
Kering-Anwesen innen

Der französische Luxusgüterkonzern Kering, Muttergesellschaft von Marken wie Gucci, Brioni und Puma, ist ein familiengeführtes Unternehmen, das 1963 als Pinault Gruppe gegründet wurde. Bis zum Börsengang im Jahr 1988 wurde der Name des Konzerns fünf Mal geändert, der letzte war besonders scheußlich: PPR. Das war die Kurzform für Pinault-Printemps-Redoute, einem Mix aus dem Namen des Firmengründers und zweier früher Flaggschiffe des Konzerns, der französischen Kaufhauskette Printemps und dem Versandunternehmen La Redoute.


Nicht Handtaschen oder Schuhe sind der neue Renner

am Luxusmarkt, sondern Brillen.


2013 fand die Umbenennung in Kering statt, und das war endlich schön griffig: Kering soll an das englische Wort „Caring“ erinnern, also fürsorglich. In der Bretagne, wo die Wurzeln von Pinaults Firmenimperium liegen, ist „Ker“ zudem ein anderes Wort für Zuhause. In der chinesischen Übersetzung wird das Unternehmen Kai Yun heißen – das hat etwas mit Glück zu tun. Doch Glück fällt einem nicht in den Schoß, man muss auch etwas dafür tun. Für Unternehmen wie Kering heißt das: Nur wer sich den veränderten Marktbedingungen rechtzeitig anpasst, wird erfolgreich bleiben.

Luxusmarkt wächst zweistellig

Kering-Bottega Veneta
Bottega Veneta

Aus diesem Grund hat Kering, an dessen Spitze heute Francois-Henri Pinault steht, den Geschäftsbereich für Eyewear komplett reorgansiert. Hintergrund ist die Erkenntnis, dass Brillen, zumal jene im Premiumbereich, zweistellige Wachstumsraten haben. Nicht Handtaschen oder Schuhe sind der neue Renner am Luxusmarkt, sondern Brillen. Besonders in neu industrialisierten Ländern wie China, Malaysia, Indonesien, Thailand, Brasilien, Mexiko oder auch in der Türkei mit ihren aufsteigenden Mittelschichten werden Sonnenbrillen stark nachgefragt.

Nach Unternehmensangaben brachte das Eyewear-Business bei Kering zuletzt zwar nicht weniger als 350 Mio. Euro am Gesamtumsatz – mit Brillen von elf Modetöchtern -, doch da man die Lizenzen abgegeben hatte, nahm Kering lediglich rund 50 Mio. jährlich dafür ein. Zu wenig für einen Markt, der so stark zulegt.

Im Zuge der Neuorganisation hatten sich Kering und die italienische Safilo Group S.p.A., seit 20 Jahren Lizenznehmer der Brillenlizenz von Gucci, auf eine vorzeitige Beendigung der Lizenz bis 31. Dezember 2016 geeinigt. Brillenlizenzen für Alexander McQueen, Bottega Veneta und Saint Laurent liefen bereits vorher aus.


„Wir sind kein Eyewear-Unternehmen, das Luxus verkauft,

sondern ein Luxus-Unternehmen, das Eyewear verkauft.“


Die neu geschaffene Sparte Kering Eyewear kontrolliert damit die gesamte Wertschöpfungskette von Brillenfassungen und Sonnenbrillen, von Design und Produktentwicklung über die Beschaffung bis hin zu Vertrieb und Marketing. Geleitet wird der neue Bereich von dem Italiener Roberto Vedovotto, der 2013 zu Kering kam, zuvor – was für ein Zufall – mehrere Jahre CEO bei Safilo war.

„Wir sind kein Eyewear-Unternehmen, das Luxus verkauft, sondern ein Luxusunternehmen, das Eyewear verkauft“, sagt Vedovotto. „Unser Ehrgeiz ist es, stärker zu werden, indem wir das Potenzial jeder unserer Marken maximal ausschöpfen.“

Kering-AnwesenKreativdirektor Massimo Zuccarelli, ebenfalls vorher bei Safilo beschäftigt, residiert mit einem 25-Personen-Team in Padua standesgemäß in einer restaurierten Renaissance-Villa eine Stunde westlich von Venedig. Die kreative Zusammenarbeit mit den Designern variiert, wie er in einem Interview sagt: „Einige Teams kommen mit einem vollständigen Briefing mit Formen, Design, technischen Zeichnungen und Materialproben. Andere präsentieren eher eine Vision von etwas, was noch gar nicht da ist. Da gibt es keine Regel.“

Für Tomas Maier hat er eine kleine Linie mit zeitgenössischen Aviatorbrillen mit flachen Linsen entwickelt und andere Variationen auf amerikanische Klassiker. Für Stella McCartney entwickelte das Team ein nachhaltiges Bio-Acetat. Aber man besitzt keine eigenen Fabriken, arbeitet mit frei gewählten Herstellern in Italien und Japan zusammen.

Kering-DesignerBesonders aufregend findet Zuccarelli die Zusammenarbeit mit japanischen Brillenherstellern: „In Japan gibt es eine ganze Menge von Nischen-Brillenlabels, und wir sind die ersten, die diese Hersteller für ihre Marken nutzen. Die Verarbeitung der japanischen Hersteller ist so anders, weil sie von Vintage so besessen sind: Die galvanische Oberflächenbehandlung, das Polieren, die Rohmaterialien, die sie verwenden, die Acetate, erinnern so an Vintage-Brillen.“

Kreativität entfesseln

Die Design-Teams der Eyewear arbeiten eng mit den jeweiligen Modehäusern zusammen. Entsprechend aufeinander abgestimmt ist die Werbekommunikation. Der gesamte Fokus liegt auf der Premium-Positionierung und einem selektiven Vertrieb. Keine aggressive Preispolitik. Der Slogan „Empowering imagination“ soll die Mission von Kering transportieren: Kreativität, Innovation und Nachhaltigkeit zu leben.

Kering-Stella McCartney Korrektion
Stella McCartney

Immerhin Letzteres ist dem Konzern in der öffentlichen Wahrnehmung schon gelungen. Anfang des Jahres wurde Kering in das Nachhaltigkeitsranking „Global 100 Index“ des kanadischen Marktforschungs- und Medienunternehmens Corporate Knights aufgenommen – als erstes Luxusartikel-Unternehmen der Branche.

Das Unternehmen besitzt derzeit 22 Marken im Fashionbereich und elf bei den Brillenlinien. Während die einen Kering Eyewear als neues Geschäftsmodell für die Industrie feiern – andere Lizenzgeber aus dem Luxussegment könnten dem Beispiel folgen – gibt es auch skeptische Stimmen. Im Fall von Kering sei die Entscheidung, das Eyewear-Segment in Eigenregie zu führen, ein interessantes Experiment, womöglich aber eine bisschen überambitioniert. Die größte Schwierigkeit bestünde eben darin, den Vertrieb in den Griff zu bekommen.

Kering-Pomellato 2
Pomellato

Roberto Vedovotto ist sich hingegen sicher, Kritiker überzeugen zu können. Der Vertrieb soll von einem handverlesenen Verkaufsteam gemanagt werden und nicht über Agenten auf Kommissionsbasis, wie bei den Lizenzhaltern üblich. Auf diese Weise würden auch Warenhäuser und Flughafen-Outlets nicht vernachlässigt werden, und es läge ein deutlicher Schwerpunkt auf den konzerneigenen Kering-Boutiquen.

Brillen sind oft das Einstiegsprodukt, der Punkt, an dem junge Kunden ihre erste Erfahrung mit einer guten Marke machen und im besten Fall Lust auf mehr entwickeln. Dabei ist es kein Geheimnis, dass Gucci für das Unternehmen die mit Abstand wichtigste Eyewear-Marke ist. Der Erfolg der ersten Gucci-Kollektion wird für den weiteren Erfolg des Experiments „Inhouse Eyewear“ entscheidend sein.


 

Interview mit Tim Schwander, Head of DACH, Kering Eyewear

 

Kering DACH-Tim Schwander
Tim Schwander

Können Sie Ihre Strategie für Kering Eyewear kurz umreißen?

Tim Schwander: Wir verfolgen eine ganz neue Strategie, da wir das einzige Eyewear-Unternehmen sind, welches ausschließlich eigene Marken verkauft. Somit ist unsere Eyewear-Strategie jeweils zu 100 Prozent mit der jeweiligen Fashionmarke abgestimmt und spiegelt das Image jeder Marke optimal wider. Das Portfolio unserer Marken fokussiert sich ausschließlich auf Luxus-und High-End-Marken. Die Partnerschaft mit den Handelspartnern ist uns sehr wichtig, und deren Anregungen nehmen wir in die Entwicklung unserer neuen Kollektionen auf.

Gibt es strategische Besonderheiten im deutschsprachigen Raum?

Schwander: Der Anteil an Korrektionsbrillen ist wesentlich höher als in anderen, vor allem südlicheren Ländern. Somit haben wir eine spezielle Auswahl der Modelle für den deutschsprachigen Raum vorgenommen und eine marktadäquate Gewichtung zwischen Korrektion und Sonne geschaffen. Die Bekanntheit der einzelnen Marken unterscheidet sich vom restlichen Europa. Eine wunderbare Schmuckmarke wie Pomellato oder auch Boucheron ist noch recht unbekannt in Deutschland, abgesehen von den Metropolen wie zum Beispiel Hamburg, München, Frankfurt und Düsseldorf. Saint Laurent ist natürlich sehr bekannt in Frankreich und Bottega Veneta in Italien. Gucci kennt wiederum jeder und auch unsere jüngeren Konsumenten.

Können Sie genauer sagen, wie der Vertrieb organisiert wird?

Schwander: Wir bauen zurzeit drei Teams auf. Das erste Team kümmert sich um unsere Luxusmarken wie Saint Laurent, Bottega Veneta, Tomas Maier, Stella Mc Cartney, Pomellato und Alexander McQueen. Ein weiteres Team vertreibt nur Gucci und ein drittes Team unsere Sport- und Lifestyle-Marke Puma. Einige hochselektive Marken wie Boucheron, Brioni und Christopher Kane sind nur in unserem Showroom in München anzusehen. Unsere Mitarbeiter kommen nicht zwingend aus der Brillenbranche, sondern auch aus anderen Luxus- oder Lifestylebereichen. Der Mix unserer Mitarbeiter ist ein ganz besonderer, alle haben einen hohen Servicegedanken und arbeiten als Team zusammen.

Welche Bedeutung hat die Marke Gucci für Deutschland?

Schwander: Gucci ist bzw. wird wie in der Mode für den gesamten Kering-Konzern umsatztechnisch unsere wichtigste Marke. Seit Anfang Oktober sind wir auf Roadshow mit unserer neuen Kollektion und das Feedback des Handels ist unglaublich positiv. Wir sind uns sicher, dass sich der große kommerzielle Erfolg von Alessandro Michele, seit zwei Jahren Chefdesigner von Gucci, auch auf die Brillen übertragen wird.


 

Über Kering Eyewear

Kering Eyewear ist ein 100-prozentige Tochtergesellschaft der französischen Kering Group, einem der weltweit führenden Unternehmen für Fashion und Accessoires in den Bereichen Luxus und Sports and Lifestyle. Kering Eyewear wurde 2014 in Italien gegründet und ist seitdem für die Entwicklung und Vermarktung ausschließlich eigener Eyewear-Kollektionen verantwortlich. CEO ist Roberto Vedovotto. Derzeit zählen die folgenden elf hochkarätigen Brands zum Eyewear-Portfolio: Alexander McQueen, Boucheron, Bottega Veneta, Brioni, Christopher Kane, McQ, Pomellato, Saint Laurent Paris, Stella McCartney, Tomas Maier sowie die Sport- und Lifestyle-Marke Puma. Ab Januar 2017 wird auch die Marke Gucci zum Kering Eyewear-Portfolio gehören. Die Kering Eyewear DACH GmbH mit Sitz in München ist seit Ende 2015 verantwortlich für den Vertrieb aller Marken in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

 

Interview und Autor: Jürgen Bräunlein, EYEBizz

 

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