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Parastu Akifi aus Afghanistan bekommt keinen neuen Pass

Junge Augenoptikerin kämpft um Zukunft in Deutschland

„Eine Frage der Zumutbarkeit“ titelte die Zeitung „Die Rheinpfalz“ am 7. September in ihrem Artikel über die Afghanin Parastu Akifi. Die 27-Jährige lebt seit mehr als 20 Jahren in Deutschland und arbeitet als Augenoptikerin in Waldsee. Ein neuer Pass wird ihr aufgrund fehlender Papiere aus Afghanistan von den deutschen Behörden verwehrt. Doch ist es nicht eher eine Frage der Unmöglichkeit? Denn nach unseren Recherchen ist es nicht realistisch, dass die ausgelernte Augenoptikerin in Afghanistan eine Tazkira (Geburtsurkunde, Identitätsnachweis) erhalten würde. Und die Frage, wie sie ohne gültigen Identifikationsnachweis überhaupt nach Afghanistan reisen soll, hat sich scheinbar niemand gestellt.

Parastu Akifi
Parastu Akifi

Die Tazkira dient afghanischen Staatsangehörigen häufig als Ersatz für eine Geburtsurkunde. Dieses Identifikationsdokument kann bei der afghanischen Auslandsvertretung in Deutschland (hier das Generalkonsulat in Bonn) beantragt werden kann. Beglaubigt werden muss dieser Antrag von mindestens einem männlichen Verwandten, der am Geburtsort der Person leben muss. Abgeholt werden kann das Dokument jedoch nur von der Antragstellerin selbst, zusammen mit einem männlichen Familienangehörigen direkt bei den Behörden in Afghanistan. Haben Frauen keine männlichen Verwandten oder wollen diese nicht, dass die Frau eine Tazkira erhält, kann die Betroffene keine Tazkira erhalten.

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Genau hier liegt das Problem: Akifi lebt seit ihrem vierten Lebensjahr in Deutschland (immer mit einer jeweils befristeten Aufenthaltserlaubnis). Sie hat in Afghanistan niemanden mehr, der für sie eintreten könnte. Ohne männlichen Verwandten, stellen die Behörden dort keine Tazkira aus. Die Beschaffung einer Tazkira ist damit ausgeschlossen. Akifi hat zwar afghanische Eltern, wurde jedoch im Iran geboren. Aber auch aus dem Iran kann sie nicht auf behördliche Hilfe hoffen. Und ohne einen regulären Pass geht nicht nur in Deutschland nicht viel. Weder eine Wohnung mieten, noch ein Konto eröffnen ist möglich. Sie wurde sogar von ihrem vorherigen Arbeitgeber (Apollo Optik in Haßloch) entlassen, weil sie keinen gültigen Ausweis mehr hatte.

Doch die Behörden in Ludwigshafen zeigen auch nach 18 Monaten immer noch keinen Willen, nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift §39 vorzugehen.

Der Zeitungsartikel in der Rheinpfalz
Der Zeitungsartikel in der Rheinpfalz

Was ist „zumutbar“?

Seit ihr alter afghanischer Pass im Februar 2017 abgelaufen ist und Parastu nur eine sogenannte Fiktionsbescheinung ohne Foto besitzt, durchlief sie einen Behörden-Marathon und kam trotz anwaltlicher Unterstützung nicht weiter. Obwohl es für derartige Härtefälle in der deutschen Aufenthaltsverordnung Verwaltungsvorschriften gibt (§39 Die Ausstellung eines Ausweisersatzes (§ 39 Abs. 1), die Ausstellung eines Reisedokuments wie auch die Bescheinigung der Rückkehrberechtigung und die Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht für den Grenzübertritt (§ 39 Abs. 2 i.V.m. §§ 15 ff. und 24 DVAuslG) sowie die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung trotz Nichterfüllung der Passpflicht (§ 9 Abs. 1 Nr. 3) haben als gemeinsame Voraussetzung, dass der Ausländer einen Pass oder Passersatz weder besitzt noch in zumutbarer Weise erlangen kann.)  gibt, die die Beantragung eines Passes hierzulande erlauben, wenn ein Pass oder Passersatz nicht „auf zumutbare Weise“ beschafft werden kann, stellt sich die Ausländerbehörde quer und argumentiert, Parastu Akifi habe nicht genug unternommen. Sie könne zum Beispiel keine Belege für eine persönliche Bedrohung in Afghanistan erbringen, die ihrer Reise dorthin im Weg stehen würde. Auch die generelle Gefahr durch die Taliban scheint nicht zu zählen, oder dass sie keine direkten männlichen Verwandten mehr dort hat, die mit ihr zu den Behörden gehen könnten.

Dabei ist es offensichtlich: Die moderne Frau hat große Angst nach Kabul, der afghanischen Hauptstadt, zu reisen. Sie spricht nur wenig Farsi (Sprache Irans) und kein Paschtu und könnte schnell zum Angriffsziel „konservativer Kräfte“ werden. Parastu Akifi fühlt sich zudem nicht als Afghanin. Sie hat sich bestens integriert, arbeitet als Augenoptikerin und möchte sich, wenn sie endlich wieder einen ordentlichen Pass und damit eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung hat, gerne an der Meisterschule anmelden. Sie will ihre Zukunft in Deutschland gestalten.

Die Verzweiflung der jungen Frau ist groß. Akifis Anwältin Shabana Khan hatte im April beim Verwaltungsgericht Neustadt Klage gegen den Widerspruchsbescheid der Stadt Ludwigshafen eingereicht. Einen Termin für die Verhandlung gebe es noch nicht.

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Klaus Best, Augenoptikermeister und Inhaber von Best Optik, steht hinter Parastu Akifi

 


Stellungnahme der Stadtverwaltung Ludwigshafen, 19. September 2018:

Paragraf 39 der Aufenthaltsverordnung regelt die Verlängerung eines Aufenthalts, aber nicht die Erteilung eines Reiseausweises für Ausländer. Dies erfolgt in den Paragrafen 5 bis 11 der Aufenthaltsverordnung.

Jeder Staat hat für seine Staatsangehörigen die Passhoheit und setzt die Bedingungen zur Passerlangung fest. Nur wenn diese unzumutbar sind, kann die Behörde des Aufenthaltsstaates einen Reiseausweis für Ausländer ausstellen.

Das Integrationsministerium vertritt mit uns die Auffassung, dass auch ein Vertrauensanwalt vor Ort die Beauftragung in die Wege leiten kann.

Der hiesige Anwalt hat bislang außer der pauschalen Behauptung der Unzumutbarkeit der Vorsprache vor Ort durch die Betroffene nichts vorgetragen, was diese Behauptung stützt und konkretisiert.

Wenn sich die Betroffene entschließen sollte, selbst nach Afghanistan zu reisen, kann ihr zum Zweck der Passbeschaffung ein zeitlich nur kurz geltender Reiseausweis für Ausländer ausgestellt werden. Hierfür ist aber infolge des Wegzuges der Betroffenen in den Rhein-Pfalz-Kreis die dortige Ausländerbehörde zuständig.


 

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