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Interview mit Dirk Schäfermeyer, ZVA

Individueller Fachkräftemangel

Laut einer ZVA-Onlinebefragung vom März 2017 sucht im Durchschnitt jeder dritte Betrieb in Deutschland nach Personal (rund 29%). Einer von fünf Betrieben gab an, dass sich die Personalsuche schwierig gestalte.

Spitzenbetriebe setzen mittlerweile Headhunter ein, um an gutes Personal zu kommen. Teils hemmt Fachkräftemangel die wirtschaftliche Entwicklung von Betrieben. Anfang des Jahres zitierte ZVA-Geschäftsführer Dr. Jan Wetzel im eyebizz-Interview die Bundesagentur für Arbeit (BA), die bestätigte, dass die Augenoptik ein Mangelberuf sei. Die Nachfrage nach Fachkräften und das Angebot klafften demnach auch offiziell auseinander, wobei nur etwa jede zweite offene Stelle der BA gemeldet wird. In der aktuellen Mangel-Liste der BA fehlt der Augenoptiker, dabei ist die Arbeitslosigkeit im Juni dieses Jahres auf einem Rekordminus gewesen (siehe Grafik). Was hat sich geändert?, fragte eyebizz Dirk Schäfermeyer, ZVA Abteilungsleiter Aus- und Fortbildung.

Dirk Schäfermeyer: Um die Frage zu beantworten, müssten uns die perfekten Informationen über Nachfrage und Angebot auf dem Arbeitsmarkt vorliegen. Wir verlassen uns hierbei auf die Analyse der Experten von der Bundesagentur für Arbeit. Deren Methodik für uns jedoch gewissermaßen eine Black Box darstellt, da hier auch weiche Faktoren wie beispielsweise regionaler und/oder qualifikatorischer Mismatch, aber auch der demografische Wandel zählen. Die Agentur schreibt selbst, dass es die eine Kennzahl zur Messung und Identifizierung von Fachkräftemangel nicht gibt.

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eyebizz: Ist der Fachkräftemangel nur gefühlt oder entsprechen die Bewerber nicht den Anforderungen?

Dirk Schäfermeyer: Rein quantitativ hat die Bundesagentur für Arbeit diese Frage in ihrer Engpassanalyse vom Juni 2017 vorerst eigentlich beantwortet: Den Marktdaten zufolge existiert in der Augenoptik kein Fachkräftemangel. Qualitativ kann die Welt natürlich ganz anders aussehen. Denn, selbst wenn zahlenmäßig genug Bewerber vorhanden sind, können Stellen unbesetzt bleiben, weil der Arbeitgeber qualitative Kriterien anlegt, die nicht erfüllt werden. Dies lässt sich aber statistisch nur schwer erfassen. Hinzu kommen regionale und lokale Missverhältnisse zwischen Angebot und Nachfrage. Die Diagnose „Fachkräftemangel“ unterstellt mitunter eine vollkommene räumliche Mobilität von Arbeitsuchenden, die natürlich nicht bundesweit gegeben ist. Das heißt, auch wenn offiziell kein Fachkräftemangel besteht, kann er für einige Betriebe durchaus reale Züge annehmen und mehr als nur gefühlt sein.

Arbeitslosigkeit in der Augenoptik

Lobbyisten am Werk?

eyebizz: Kritiker munkeln, dass der Mangel von Lobbyisten vorgegaukelt wird, um das Angebot an Fachkräften auf höherem Niveau zu halten. Ziel sei, Löhne auf geringem Niveau zu halten. Was sagen Sie dazu?

Dirk Schäfermeyer: Gerüchten zufolge hat ein sehr großer deutscher Ingenieursverband diese Taktik wohl mal eine Zeit lang gefahren. Hieraus aber die Annahme abzuleiten, dass es in der Augenoptik Akteure gibt, die vergleichbare Möglichkeiten der Einflussnahme auf die öffentliche Wahrnehmung nutzten, grenzt an eine Verschwörungstheorie. Es gibt praktisch keine Lobbyisten in der Augenoptik. Als Verband beobachten wir den Markt neutral und versuchen weder, die Zahlen zu beschönigen, noch sie zu dramatisieren. Das hat die Augenoptik im Übrigen auch gar nicht nötig. Die Zahl der Neuverträge ist zwei Jahre in Folge stark angestiegen: von 2014 auf 2015 um gut 13 Prozent und von 2015 auf 2016 nochmals um rund drei Prozent. Und nach Aussage unserer Landesverbände setzt sich dieser Trend auch in diesem Jahr fort. Ganz offenbar ist die Augenoptik für junge Menschen also weiterhin ein sehr attraktives Berufsfeld – sonst würden ja nicht so viele von ihnen die Ausbildung aufnehmen.

eyebizz: Für einen Augenoptiker als technischer verantwortlicher Betriebsleiter im Sinne der Handwerksordnung mit Verantwortung für den kaufmännischen Bereich des Betriebes empfiehlt der ZVA ein Tarifgehalt von 3.000 Euro. Googelt man das Gehalt eines Augenoptikermeisters, schwanken die Beträge zwischen 2.400 bis 4.500 Euro brutto. Wie sollte sich das Gehaltsniveau in der Augenoptik Ihrer Meinung nach bewegen?

Dirk Schäfermeyer: Sie vergleichen eine Tarifempfehlung mit dem Ergebnis einer Suchmaschine, und ob Letzteres reale Marktgegebenheiten abbildet, wäre zu prüfen. Tatsächlich wissen wir, dass in der Augenoptik zum Teil weitaus höhere Gehälter gezahlt werden als in der Tarifempfehlung vorgesehen. Die Struktur der augenoptischen Betriebe in Deutschland ist sehr heterogen; die Tarifempfehlung muss dies berücksichtigen. Grundsätzlich muss man jedoch bedenken, dass Tarife in der Augenoptik traditionell keine allzu große Rolle spielen. Der Markt reguliert das in einem hohen Maße selbst, durchaus auch zum Vorteil der Arbeitnehmer.

Auszubildende brechen Augenoptik-Lehre vielfach ab

eyebizz: Die Augenoptik hat eine hohe Ausbildungsquote, viele brechen die Ausbildung jedoch ab oder bleiben nachher nicht in der Branche, sagte Dr. Wetzel im eyebizz Interview. Der ZVA hat zu diesen Entwicklungen eine Online-Befragung durchgeführt, welche Ergebnisse liegen vor?

Dirk Schäfermeyer: 2016 wurden in 3.189 augenoptischen Betrieben insgesamt 6.529 Lehrlinge ausgebildet. Wir müssen erneut differenzieren. Wenn Dr. Wetzel von einer hohen Abbruchquote sprach, dann meinte er: zu hoch für unsere Bedürfnisse und Ansprüche. Gemessen an anderen Berufen bewegt sich die Quote – 2015 waren es laut BIBB 26,8 Prozent, kumuliert und bezogen auf die gesamte Dauer der Ausbildung – im Mittelfeld, beispielsweise ist sie im Gesamthandwerk oder auch in Bachelorstudiengängen allgemein deutlich höher. Gleichwohl sind wir natürlich bemüht, die möglichen Beweggründe für einen Abbruch der Ausbildung zu ermitteln, und haben deshalb eine Online-Befragung unter Auszubildenden angestoßen, die derzeit aber noch läuft. Zu den Ergebnissen können wir also noch keine Aussage machen.

Fortbildung tut Not

eyebizz: An welchen Rädern ließe sich schrauben, um mehr Teilnehmer in Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen zu bringen?

Dirk Schäfermeyer: Der ZVA versucht, die Angebote für Fort- und Weiterbildung so attraktiv wie möglich zu gestalten und kooperiert hierzu bereits seit einigen Jahren sehr eng mit den wissenschaftlichen Vereinigungen in der Augenoptik. Sichtbar wird diese Bemühung beispielsweise wieder in diesem Herbst am zweiten Oktoberwochenende in Hamburg: Gemeinsam mit der Vereinigung Deutscher Contactlinsenspezialisten und Optometristen (VDCO) und der Internationalen Vereinigung für binokulares Sehen (IVBS) lädt der ZVA unter der Dachmarke „SICHT.KONTAKTE“ alle interessierten Augenoptiker ein, sich auf der ZVA-Obermeistertagung, dem IVBS-Praxistag, der Optometrie´17 und dem Tag der Optometrie über die neuesten Erkenntnisse und Entwicklungen zu informieren. Wir halten es wirklich für unerlässlich, derartige Bildungsangebote in Anspruch zu nehmen, um dauerhaft erfolgreich am Markt agieren zu können. // CH

Weiterbildungsangebote aller Unternehmen der Branche finden Sie immer auch in dem eyebizz Seminarkalender sowie demnächst in eyebizz Ausgabe  5.2017 mit dem KarriereGuide

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Fachkräftemangel und Demografischer Wandel, der war gut. Ganz einfach die Gehälter sind ein Witz. Werde zum Winter studieren. Kann doch nicht sein das alle rumheulen wegen Fachkräftemangel während die Arbeitgeber ihre Mitarbeiter vergraulen.

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  2. Das kann ich nur bestätigen. Jenseits der Einbildungen des ZVA, der übrigens jahrelang Tarifverhandlungen mit Verdi blockiert und durch aberwitzige Tarifvorschläge nur die eigene Inkompetenz und Rücksichtslosigkeit gegenüber den Angestellten in der Augenoptik unter Beweiß gestellt hat, ist eines klar. Der ZVA hat schon lange jede Bedeutung unter den Augenoptikern verloren. Den nimmt niemand von uns mehr ernst. Beim ZVA Altherrenverband lobt man sich nur noch selbst und hängt sich schweres goldenes Brauchtum um den Hals.

    Es gibt einen Fachkräftemangel hoch zehn. Auf dem Markt gibt es kaum noch Optiker. Die großen Ketten decken ihren Bedarf massenhaft mit ungelernten Fachverkäufern oder Aushilfen. In der Not frisst der Teufel Fliegen. Augenoptiker ist ein schlecht bezahlter Schichtdienst-Job mit Wochenend und Sonntagsarbeit. Damit kann man keine Familie ernähren, geschweige denn bei den derzeitigen Mieten als Single normal leben. Vielleicht in einem 1- Zimmer Klo am Stadtrand.

    Die Endverbraucher sind verwöhnt ohne Ende, die wollen alles und nichts dafür bezahlen. Wen wunderts wenn die Brille nach einem Jahr in zwei Teile fällt oder die Beschichtung abgeht? Die meisten Kunden sehen den Optiker als einfachen Verkäufer. Man wird behandelt wie blöd und jeden Tag aus Überzeugung mit Halbwissen aus dem Internet genervt. Psychologischer Stress ohne Ende.

    Prost Mahlzeit auch dem bebrillten Chirugen, Lokführer, Piloten, der Krankenschwester oder Otto Normalverbraucher im Auto unterwegs. Das wird noch ein ganz dickes Ende geben wenn ihr alle nicht mehr kucken könnt.
    Wer weiß vielleicht werden einige dann zu schätzen wissen, wie es war einen echten guten Augenoptiker gehabt zu haben aber bis dahin gibts fast keine mehr von uns.

    Ich jedenfalls habe den Absprung geschafft und bin jetzt froh ein normales Gehalt zu verdienen.

    Es gilt wie zu allen Zeiten. Stellt die Arbeit für schlechte Arbeitgeber ein. Sucht euch etwas neues. Nur so ändert sich etwas.

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  3. Hier die Antwort eines Chefs bzw. Unternehmers.
    Es geht schlichtweg nicht obwohl man möchte.
    Wenn trotz Werbung und Mundpropaganda die Kunden ausbleiben oder nach intensiver Beratung doch nur die zB 299€-Aktionsgleitsichtbrille kaufen, bleibt einem nicht viel Spielraum.
    Allgemein ist es mMn. auch eine Folge der Investorengestützten Onlinebrillenhändler mit ihren Festpreisangeboten.
    Wie soll man gegen Millionenbeträge ankommen und dabei seinen Mitarbeitern noch mehr zahlen?
    Darüber hinaus fehlt es in unserer Branche an einer guten Lobby die uA. den Kunden zusätzlich den Wert unserer Leistungen verdeutlicht.
    Ohne uns kein gutes Sehen. Ohne Sehen, zB kein Auto und ohne Auto hat auch diese Industrie Probleme beim Absatzt etc.

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  4. Ich habe fast 15 Jahre bei einem inhabergeführten Unternehmen der gehobenen Klasse gearbeitet, teilweise sogar als Betriebsleiter, und in den letzen 10 Jahresn dieser Tätigkeit keine Erhöhungen bekommen. Als dann im Rahmen einer Betriebsprüfung Forderungen an mich als weisungsgebundenen Angestellten herangetragen wurden, war das Maß einfach nur noch voll. Im Klageverfahren wurden die Ansprüche abgewiesen und mein Entschluss zum Berufwechsel stand fest.
    Nunmehr arbeite ich ohne den Druck aus Kundenkontakten, 40% meiner Zeit sogar von zu Hause, und verdiene ein Vielfaches bei bundesweiten Tätigkeiten. Diese Entwicklung war absehbar, man muss nur rechtzeitig den Mut zum Absprung finden!

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    1. Hallo Werner,
      in welchen Job haben Sie gewechselt?
      Von zu Hause arbeiten bei mehr Lohn klingt fantastisch!
      Kollegiale Grüße

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  5. Ich bin Augenoptiker Geselle seit 1991. Ich war bis 2016 beim “Großen Deutschen Augenoptiker” angestellt. Also 26 Jahre. Mein Gehalt war 2400€ Brutto. Es gab einmal für das ganze Unternehmen eine Erhöhung von 50€ in der Zeit. Ein Witz. Gehaltserhöhungen finden nicht statt. Mein Arbeitsaufkommen hat sich dafür erhöht. Längere Arbeitszeiten. Gerne auch bis 21 Uhr. Samstags fast nie frei. Überstunden und Druck von oben. Kein Wunder das man so Mitarbeiter vergrault. Habe der Optik Lebewohl gesagt. Arbeite jetzt bei einem skandinavischen Möbelhaus im Kundenservice. 35 Std die Woche und verdiene mehr Gehalt als Quereinsteiger als eine ausgebildete augenoptische Fachkraft.

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    1. Danke für Ihre sehr offene Stellungnahme! Argumentiert wird von Seiten der Inhaber sicher mit dem Kostendruck, den Sie haben. Ich freue mich, wenn mal ein Arbeitgeber hier Stellung nimmt! Nur zu! //CH

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  6. Es ist ganz einfach so, dass ein Augenoptiker – wenn er Glück hat – im Saarland 2200€ brutto verdient. Ich bin eine seit 1983 ausgelernte Augenoptikerin und immer berufstätig gewesen. Lange Zeit in Teilzeit, wegen der Kinder. Heute noch gehe ich mit diesem Bruttolohn nach Hause. Wäre ich nicht schon zu alt, würde ich etwas Neues beginnen!!!!! Welcher Mann kann mit diesem Lohn eine Familie in der heutigen Zeit ernähren??? Deshalb gibt es in der Branche fast nur noch Frauen. Als Zusatzeinkommen passt es gerade mal.
    Ich würde den Beruf, so schön er auch sein mag, aus finanziellen Gründen nicht mehr erlernen wollen. Zu schlechte Bezahlung für hohe Anforderungen!

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    1. Vielen Dank für Ihren Standpunkt. Die Nachwuchsprobleme sind Teil dieser Bezahlung.

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  7. Nach dreissig Jahren Optik verdiene ich weniger als ein Busfahrer, der Berufsanfänger ist. Viele Chefs nehmen den Tarif wörtlich und dann gibt es nach dem 7. Gesellenjahr keine Erhöhung mehr. Ich verdiene heute brutto das gleiche wie vor 10 Jahren. Ich liebe den Beruf, aber dass junge Menschen diesen verlassen, wenn sie Verdienst und Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen (sonnige Läden ohne Klimaanlage) erleben, wundert mich nicht. Im Vergleich zu anderen Branchen besteht bei vielen Chefs Nachholbedarf beim Umgang mit den Mitarbeitern.

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    1. Vielen Dank für den interessanten Kommentar. Wir sind gespannt, ob sich auch ein paar Chefs dazu äußern.

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  8. Der Markt regelt die Gehälter. Das ich nicht lache. Ich gehe eher davon aus, dass die mehrheit der Augenoptikermeister weniger als 3000€ verdient … Nach gleicher Ausbildungszeit bekommt jeder im öffentlichem Dienst angestellt mehr. Bei besseren Arbeitsbedingungen. Selbst der gang zum Arzt gehört in vielen Behören zur Arbeitszeit. Und da hat keiner Stress oder Angst um seinen Arbeitsplatz …

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