Anzeige
Anzeige
Interview mit Frank Tente

Brillen-Stützscheiben: Recycling wird konkret

Seit nun mehr anderthalb Jahren treffen sich die Mitglieder der Interessen-Gemeinschaft Nachhaltigkeit regelmäßig. Die IG ist eng mit der opti in München und deren Initiative verbunden, die Branche ein Stück nachhaltiger gestalten zu wollen, wie zum Beispiel beim Recycling von Stützscheiben.

IG Nachhaltigkeit Stützscheiben-Recycling Koberg + Tente
IG Nachhaltigkeit: Riesige Mengen an Stützscheiben fallen bei Brillenfassungen an – da macht Recycling Sinn (Bild: Koberg & Tente)

Dieses aktuelle Projekt der IG zeigt deutlich, dass nachhaltige Ziele nur gemeinsam erreicht werden können. Und die Zahl der weggeworfenen Stützscheiben verkaufter Brillenfassungen macht die Notwendigkeit greifbar, etwas zu unternehmen – auch wenn es hier und da etwas kompliziert wird. Eine jährliche Zahl von mehr als 12,5 Millionen verkaufter Brillenfassungen alleine in Deutschland hat einen Plastikmüllberg von rund 66 Tonnen zur Folge! Die IG spricht gerne von elf männlichen Elefanten, die gleichviel Masse auf die Waage bringen. Und sie wird nicht müde zu betonen, dass es hier nur um die Menge des Kunststoffes geht, der in den Augenoptikbetrieben in den Müll wandert.

Anzeige

Wie viele weitere Tonnen an Plastikmüll bei der Herstellung der Stützscheiben anfallen, kann kaum ermittelt werden – weder für Deutschland noch weiter gedacht. Unstrittig scheint, dass weder die Kundschaft noch in der Folge die Augenoptikerinnen und Augenoptiker auf Stütz- oder Demoscheiben verzichten mögen. Die Gründe dafür sprechen für sich. Somit bleibt nur das Recycling – und in dieser Hinsicht gilt es, Hürden zu überspringen auf dem Weg zu einem nachhaltigen Workflow ihn Sachen Stützscheiben-Recycling.

Recycling: Sortenreinheit des Materials

Voraussetzung für ein gelingendes Recycling ist generell zunächst einmal die Sortenreinheit des zu sammelnden Materials. Das ist bei Demoscheiben zunächst nicht gegeben! Soweit die schlechte Nachricht. Eine der Guten: Bei einem Großteil der Brillenfassungen wird heutzutage Polymethylmethacrylat genutzt, das besser bekannt ist als PMMA beziehungsweise Acrylglas. Es gilt also, die Stützscheiben aus PMMA als solche erkennen zu können, sie auszusortieren und dem Recycling zuzuführen. Ein Aufwand, der möglicherweise angemessen, aber in der Praxis einem Augenoptik-Betrieb so einfach wie möglich gemacht werden muss.

Das ausgetüftelte Konzept der IG funktioniert durch die tatkräftige kostenlose Unterstützung von Transmed und beruht auf der Projektidee, den Betrieben so wenig zumuten zu müssen wie möglich. Die Augenoptiker und Augenoptikerinnen müssen nur die PMMA-Stützscheiben in dafür vorgesehene und zur Verfügung gestellte Plastiktüten sammeln. Ist die Tüte voll, nimmt Transmed sie im Rahmen des Retouren-Systems mit und transportiert das Material zu „Krall Kunststoff-Recycling“ in Elsenfeld am Main. „Das sind Profis in Sachen PMMA-Recycling und der Betrieb liegt gerade einmal 50 Kilometer vom Transmed-HUB entfernt“, erklärt Matthias Köste, Pricon-Geschäftsführer und IG-Mitglied.

Arbeitsaufwand praktikabel

Die unmittelbare Nähe erzeugt wenig Umweltbelastung und die Plastiktüten kommen gleich mit ins Recycling, was den Arbeitsaufwand praktikabel werden lässt. Ausgedacht haben sich diese Vorgehensweise neben Köste Mario Wyrwinski (Transmed Transport GmbH) und Louis Krall (Krall Kunststoff-Recycling). Die Logistik steht also, und auch die Kennzeichnung der Stützscheiben mit einem extra dafür entworfenen Logo ist geregelt.

Was fehlt, sind die Rückmeldungen der Fassungslieferanten, die bekannt machen müssen, welche Kollektionen mit PMMA-Stützscheiben versehen sind und welche nicht. Wie einfach das Projekt in der Praxis umzusetzen ist, erklärt Frank Tente (Geschäftsführer von Koberg & Tente) im nebenstehenden Interview.

Informationen zum Projekt und Rückmeldungen der Industrie zu den verwendeten Stützscheiben bitte per E-Mail an matthias.koeste@pricon.de oder auch an chefredakteur@eyebizz.de.

/// IR

 


Basis geschaffen, verschiedene Themen anzugehen“

Interview mit Frank Tente zum Engagement der IG Nachhaltigkeit 

IG Nachhaltigkeit Stützscheiben-Recycling Frank Tente
Frank Tente von der IG Nachhaltigkeit (Bild: Koberg & Tente)

Frank Tente gehört zu den Gründungsmitgliedern der IG Nachhaltigkeit. Aus dem anfänglichen Wunsch, sich unter Herstellerkollegen und Augenoptikerinnen auszutauschen und für ein gesellschaftlich essentielles Thema zu sensibilisieren, ist längst mehr geworden: das Wissen um die Notwendigkeit, die Branchen-Teilnehmer mitzunehmen und ihnen Möglichkeiten an die Hand zu geben. Für eine Gruppe wie die IG Nachhaltigkeit kein leichtes Unterfangen, gewiss aber eines, das einen langen Atem benötigt. Warum sich dieser lohnt, erläutert der Geschäftsführer von Koberg & Tente im Interview.

eyebizz: Frank, du bist Gründungsmitglied der IG Nachhaltigkeit. Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, was spornt euch an?

Frank Tente: Wir von Koberg & Tente beschäftigen uns schon länger mit den Fragen unseres ökologischen Fußabdrucks. In meinem privaten Umfeld kam zudem die Frage auf, was man ändern kann, und schnell die Erkenntnis, dass ich über mein Unternehmen einen größeren Hebel habe, etwas zu verändern. Und auch hier habe ich festgestellt, dass das alleine für weitreichende Projekte nicht reicht: Vielmehr muss die Branche, müssen Marktteilnehmer einbezogen werden. Mit der Gründung der IG Nachhaltigkeit haben wir eine Basis geschaffen, um viele verschiedene Themen anzugehen.

Kommt Ihr mit euren Vorhaben voran, wie entwickelt sich das Stützscheiben-Projekt der IG?

Die Projekte sind oft sehr komplex. Man muss möglichst viele Fragen vor der Umsetzung klären, um am Ende viele von einer Idee zu überzeugen. Mit dem Projekt der Stützscheiben kommen wir jetzt so langsam in Fahrt. Auch wenn wir im Rahmen unserer Vortragsreihe bereits bei der letzten opti das Material PMMA als naheliegend ausgemacht hatten, gab es immer wieder ein Für und Wider abzuwägen.

Durch Beratung mit Fachleuten aus der Recycling-Branche und dem Organisieren einer geeigneten Logistik-Kette – vielen Dank hier an Matthias Köste – haben wir uns jetzt für das anfängliche PMMA entschieden. Ein ansprechendes Logo konnte meine Grafikerin beisteuern und wurde von der Gruppe nach kleinen Änderungswünschen angenommen. Erste Ansichtsdrucke wurden durchgeführt, und so rechne ich mit den ersten markierten Demoscheiben ab Januar.

Welchen Einfluss kann der einzelne Augenoptiker für eine möglichst nachhaltige Branche nehmen, welche Verantwortung hat jede einzelne Betriebsinhaberin deiner Meinung nach?

Jeder kann für sich entscheiden, inwieweit er sich für die verschiedenen nachhaltigen Themen einsetzt. Den einen interessieren vielleicht eher die sozialen Aspekte, ein anderer hat eher unsere Umwelt im Blick. Wichtig finde ich es, durch schöne Ideen, andere zum Mitmachen zu inspirieren, beim Augenoptiker in erster Linie die Mitarbeiter und die Kunden.

Wie wollt Ihr es in der Praxis anstellen, dass tatsächlich nur PMMA-Stützscheiben in die Sammeltüte kommen? Und hiermit meine ich nicht die Durchführung in den Betrieben, sondern die Kenntlichmachung des Materials. Ihr macht eure Stützscheiben ja nicht selbst.

Wie schon angesprochen haben wir ein kleines Zeichen für die Demoscheiben entwickelt. Dieses soll eindeutig Stützscheiben aus PMMA von anderen Stützscheiben unterscheiden. Eine Vermischung von verschiedenen Materialien macht eine Kreislaufnutzung unmöglich. Wichtig ist daher eine hohe Sensibilität der Lieferanten im Umgang mit unserem Projekt. Wir versuchen aber auch, mit den Herstellern des Materials in Kontakt zu treten, um vielleicht das Erkennungszeichen schon auf das Rohglas zu bekommen.

Wer kann von den Brillenfassungs-Herstellern demzufolge alles mitmachen? Ist es zukünftig angedacht, auch andere Materialien zu recyceln, ist das überhaupt möglich?

Wir würden uns freuen, wenn sich nach und nach immer mehr Anbieter unserer Idee anschließen. Je größer die gesammelten Mengen, desto besser. Wir haben uns bewusst für das Material PMMA entschieden, da es schon jetzt zu einem sehr großen Anteil genutzt wird und sich nur wenige Lieferanten umstellen müssen. Leider gibt es auch Lieferanten, auch in unserer Gruppe, die aus technischen Gründen kein PMMA verwenden können. Aber wir möchten zunächst einmal eine breite Akzeptanz bekommen, in einem späteren Schritt können vielleicht auch die Spezialkunststoffe berücksichtigt werden.

Wann ist das beschriebene Projekt für dich ein Erfolg?

Wenn der Verwerter uns einwandfrei geliefertes Altmaterial bescheinigt und wir dadurch einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft leisten konnten.

Wie können unsere Leserinnen und Leser bei der IG mitmachen, wo können sie ihre Wünsche und Anregungen loswerden?

Jeder Mitwirkende aus der Gruppe der IG-Nachhaltigkeit hat ein offenes Ohr für Anregungen aus der Branche. Wer sich intensiver mit diesen Themen beschäftigen möchte, schließt sich uns am besten an. Wir freuen uns über kreative Beiträge jeder Art.


Das Gespräch führte Ingo Rütten.

 

Artikel aus der eyebizz 6.2023 (Oktober/November)

 

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.