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Ein interprofessioneller Brückenschlag

Für mehr Compliance im Myopie-Management

Mitte 2023 setzte Elke van Alen bei der Optics Conference von eyebizz zum Myopie-Management ein Ausrufezeichen. Als Orthoptistin lenkte sie den Blick auf die bedeutende Rolle, die Orthoptistinnen in der Versorgung der jungen Kunden einnehmen können. Deswegen hat eyebizz die Leitende Orthoptistin aus Hamburg gebeten, hier noch einmal eine Brücke zu schlagen.

Myopie-Management: Besprechung zwischen Mutter, Kind und Augenoptiker
Myopie-Management: Besprechung zwischen Mutter, Kind und Augenoptiker

Interprofessionelle Zusammenarbeit ist ein Zukunftsthema im Gesundheitswesen. In vielen Bereichen des Gesundheitswesens wird es ohne die Zusammenarbeit über die Disziplinen hinweg keinen wirklichen Fortschritt für Kunden und Patienten geben. Myopie-Management ist ein sehr innovatives Thema, das von interprofessioneller Zusammenarbeit profitiert.

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Es ist ein Thema, an dem mehr Berufsgruppen beteiligt sind, als es zunächst erscheint. So erfordert ein individuell zugeschnittenes Myopie-Management meist die Beteiligung von Ophthalmologie, Optometrie, Kontaktlinsen-Versorgung und Orthoptik. Legt man allerdings auch Wert auf die Prävention im Myopie-Management, dann lohnt es sich auch, Pädiatrie und Pädagogik mit einzubeziehen.

Anerkennung der Kompetenzen

Eine gute Zusammenarbeit kann gelingen, wenn sie zunächst auf ein kleineres Netzwerk beschränkt ist. Dieses kann regional begrenzt sein, in einem Kreis, in dem man vielleicht schon voneinander gehört hat. Oder es gibt schon berufliche Kontakte, die sich nutzen lassen, um in einen gemeinsamen Austausch zu kommen. Grundsätzlich öffnet die Anerkennung der Kompetenzen der anderen Berufsgruppen die Tür für eine Netzwerk-Bildung.

Im direkten Kontakt können die Kompetenzen abgegrenzt werden. Wer macht was im Prozess des Myopie-Managements? Ein Störfaktor für die Weiterentwicklung des Netzwerks sind Konkurrenz-Gedanken, insbesondere zwischen gleichen Berufsgruppen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich in einem kleinen regionalen Umfeld mehrere Augenoptiker mit Myopie-Management befassen. Auch in diesem Fall lohnt sich eine Abstimmung, da nicht jeder dasselbe Steckenpferd haben muss.

Meist finden sich unterschiedliche Schwerpunkte: So ist der eine möglicherweise ein Spezialist für multifokale weiche Kontaktlinsen, und vielleicht hat eine andere am meisten Erfahrung mit Orthokeratologie-Linsen. Eine Zusammenarbeit der beiden ist für den Myopen sehr hilfreich, da die für ihn individuell beste Versorgung umgesetzt werden kann.

Unterschiedliche Berufsgruppen

Für ein interprofessionelles Netzwerk stellen strukturelle Unterschiede der verschiedenen Berufsgruppen manchmal Hürden dar. Die Beteiligten haben unterschiedliche Ausbildungswege und sind in verschiedenen Systemen des Gesundheitswesens verankert. Zudem sind die verschiedenen Zuweisungswege und Abrechnungs-Modalitäten nicht allen gleichermaßen bekannt. So entstehen schnell Missverständnisse.

Derzeit fehlt es beim Myopie-Management besonders an Kenntnissen über den Wissensstand und die Arbeitsweisen der einzelnen Berufsgruppen. Somit fehlt es auch häufig an gegenseitiger Anerkennung und Wertschätzung. Und das Gerangel der Berufsverbände untereinander, bezüglich der unterschiedlichen Befähigungen und Kompetenzen, ist auch nicht besonders hilfreich für eine interprofessionelle Zusammenarbeit.

Gemeinsame Wissensbasis

Brücken bauen ist möglich! Eine gemeinsame Wissensbasis schafft Vertrauen und Offenheit, besonders im kleinen Rahmen. Gemeinsame Fortbildungen können ein Start sein. Das Myopie-Management bietet die perfekte Gelegenheit dazu. Gerade im Myopie-Management spielt derzeit die Beurteilung der einzelnen therapeutischen Maßnahmen eine vorrangige Rolle. Das ist hilfreich für die Zusammenarbeit mit Ophthalmologie und Orthoptik.

Diskussionsrunde zur Kooperation zwischen Augenoptiker und Augenarzt
Bei der Optics Conference von eyebizz wurde die interdisziplinäre Zusammenarbeit nicht nur in den hochkarätigen Vorträgen zum Myopie-Management, sondern auch in einer Podiumsdiskussion behandelt. Mit dabei Elke van Alen (rechts), die nachdrücklich auf die Rolle der Orthoptistinnen aufmerksam machte. Mit auf dem Podium bei Moderator Ingo Rütten: Augenoptikerin Conny Hermann, Gudrun Westenberger (Essilor) und Petra Zapsky (CooperVision) (Bild: Selim Gecgin)

Ein Austausch von Literatur aus den verschiedenen Fachgebieten hilft, Brücken zu bauen. Die augenoptische Fachliteratur ist den Augenärzten und Orthoptistinnen meist nicht zugänglich und daher nicht bekannt. Ein erster Austausch von Informationen kann auch in einer gemeinsamen WhatsApp-Gruppe stattfinden. Bei einem ersten persönlichen Treffen könnte dann eine kleine Falldarstellung ein Impuls sein, zu der jeder seine Einschätzung beitragen kann. Dabei können alle Teilnehmer ihre Herangehensweise aus den jeweiligen verschiedenen Blickwinkeln aufzeigen – und alle lernen die Kompetenzen der anderen Teilnehmer kennen und können sie wertschätzen.

Auf eine solche Basis kann anschließend jeder gezielt zurückgreifen und so die Unterstützung der anderen Berufsgruppen nutzen. Dies ist auch etwas, wofür im Rahmen von Fortbildungen des Berufsverbands Orthoptik Deutschland e.V. geworben wird. Die Kolleginnen sind aktiv im Bereich der Aufklärung zur Myopie-Prävention und möchten sich auch im Myopie-Management engagieren. Teilweise ist es aber nicht möglich, ergänzend zu Orthoptik und Skiaskopie in Cycloplegie eine Achslängenmessung durchzuführen. Augenarztpraxen, die nicht operativ tätig sind, haben oft kein Biometrie-Gerät. An dieser Stelle wäre die Zusammenarbeit mit dem Augenoptiker im Umfeld hilfreich.

Ergebnisse austauschen, Beratung verfeinern

In der Kooperation können Untersuchungs-Ergebnisse ausgetauscht und die Beratung verfeinert werden. Ergeben sich dann in den Beratungs-Gesprächen mit den Eltern dieselben Empfehlungen für erforderliche Messungen und Therapie, hat man einen enormen Vertrauens-Vorsprung gewonnen und somit oft eine viel bessere Compliance. Die kooperative Abstimmung, wer was machen kann, öffnet Türen.

Es gibt so viele Aufgaben: die Aufklärung zum Myopie-Risiko vor Schulbeginn und zu präventiven Verhaltensweisen, Visus-Kontrollen und deren Empfehlung, Eltern über das mögliche Myopie-Management informieren und das gemeinsame Myopie-Management, wenn das Kind oder der Jugendliche kurzsichtig geworden ist. Die zukünftigen Entwicklungen deuten ja sogar ein präventives Myopie-Management an, vor Eintritt der Myopie. Dafür ist eine gute gemeinsame Kommunikation aller Beteiligten sicher noch wertvoller. Eltern und Patienten fühlen sich wahrgenommen und haben Vertrauen in die Therapie-Partner: ein Gewinn für die Compliance und somit für das Myopie-Management. ///

 


Elke van Alen im Interview

Myopie-Management: „Netzwerk schafft Mehrwert für alle“

eyebizz: Frau van Alen, welche Rolle spielen aus Ihrer Sicht die Orthoptistinnen im Myopie-Management?

Orthoptistin Elke van Alen
Orthoptistin Elke van Alen

Elke van Alen: Die Orthoptistinnen sind eine sehr kleine Berufsgruppe im Gesundheitswesen. In Deutschland sind wir nur cirka 2.000 Orthoptistinnen und Orthoptisten, die häufig auch eher in Teilzeit arbeiten. Wir sind extrem gute Multiplikatoren, wenn es um die Augengesundheit der Kinder und Jugendlichen geht. Wir haben den direkten Draht zum Augenarzt, arbeiten teilweise schon im Team mit Optometrie, Optik und auch den Kinderärzten.

Wir können die perfekten Moderatoren im interprofessionellen Dialog des Myopie-Managements sein. Sprechen Sie die Orthoptistinnen und Orthoptisten in Ihrem Umfeld einfach einmal an, fragen Sie, wie sie sich eine Zusammenarbeit vorstellen können! Ein interprofessionelles Netzwerk schafft eine Win-Win-Situation und Mehrwert für alle.

Sie sagen, die Anerkennung der Kompetenzen öffnet Türen. Das wäre ja toll, aber in der Praxis gibt es zumindest in der Beziehung zwischen Augenoptiker und Augenarzt häufiger größere Hürden zu überspringen, glauben Sie nicht?

Das ist ein schwieriges Thema. Wie bereits im Text betont, das Konkurrenz-Denken ist überall oft sehr stark ausgeprägt. Aber im Kleinen funktioniert eine Zusammenarbeit doch oft besser, als es im Großen den Anschein hat. Es ist seltsam: Die Wartezimmer der Augenärzte sind voll, die Wartezeit auf Termine für die Patienten zum Teil erheblich. Trotzdem aber schimpfen die Ärzte über die Augenoptiker, dass sie ihre Kompetenzen erweitern. Im deutschen Gesundheitssystem werden die Berufsgruppen schon in der Ausbildung getrennt, Brücken zu bauen ist da schwierig.

Ist es denn überhaupt von allen Beteiligten im System gewollt, dass Brücken gebaut werden?

Das weiß ich nicht. Was uns Orthoptistinnen in unserer Praxis angeht, ja. Wir arbeiten bereits mit Optometristen und Augenoptikern zusammen. Grundsätzlich ist es auch dringend nötig. Im Myopie-Management geht es kaum alleine, es gibt schließlich auch unterschiedliche Versorgungs-Möglichkeiten.

Wie steht es um die Kenntnisse, die alle voneinander wissen sollten. Gibt es da Unterschiede in den verschiedenen Berufsgruppen?

In allen Bereichen gibt es auch unterschiedliche Levels, was das Fachwissen und die Möglichkeiten angeht. Wir haben zum Beispiel sicher nicht das Know-how für eine Kontaktlinsen-Versorgung. Oder die Diagnostik: Wenn man sich manche Prüfung beziehungsweise Untersuchung von Augenoptikern ansieht, dann weiß man, dass einige Augenärzte das gar nicht leisten können.

Wer sollte demzufolge im Myopie-Management im Netzwerk den Hut aufhaben?

Gewisse Dinge sind geregelt: Der Arzt legt die Therapie fest, die Orthoptistin legt zuvor alle Möglichkeiten dar und sucht nach der bestmöglichen individuellen Lösung. Das kann eine Augenoptikerin gewiss auch, wichtig dabei ist aber, immer eine neutrale Position einzunehmen unabhängig davon, ob ich eine Versorgungs-Möglichkeit favorisiere oder eine andere gar nicht anbieten kann.

 

Wir können die perfekten Moderatoren im interprofessionellen Dialog des Myopie-Managements sein.

 

‚Hut auf‘ trifft es nicht, nur zusammen funktioniert es. Ich sehe eher unterschiedliche gleichberechtigte Rollen: Die Orthoptistinnen sind für die Prävention und die Begleitung der Therapie wichtig. Die Augenoptiker können zumindest Teile davon übernehmen, Eltern aufklären und die Kinder natürlich entsprechend versorgen. Alle Beteiligten, dazu gehören ja noch einige mehr, müssen immer mit einer Stimme sprechen und sich auf Augenhöhe begegnen.

Und der Augenarzt?

Der kommt ja ohnehin automatisch ins Spiel, weil immer eine Cycloplegie nötig ist. Hier liegt auch ein Stolperstein: Es wird immer schwierig, wenn der Augenoptiker auf eine entsprechende Kontrolle verzichtet, weil er ‚seine‘ Brillengläser zum Myopie-Management einsetzen möchte.


Die Fragen stellte Ingo Rütten.

 

Elke van Alen ist Orthoptistin und leitet in Hamburg die Orthoptik einer großen Augenarztpraxis, die sich mit vier Kolleginnen den Schwerpunkt Kinder gesetzt hat. Als Netzwerkerin im interprofessionellen Kontext zum Thema Kinder und Sehen ist sie seit über 20 Jahren aktiv.

 

Artikel aus der eyebizz 1.2024 (Dezember/Januar)

 

 

Hinweis: Zum Thema Myopie-Management findet die nächste Optics Conference by eyebizz am 15. und 16. Juni 2024 statt.

 

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