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Thema des 49. Fielmann-Kolloquiums

Corona und die Hygiene in der Augenoptik

Mitte Oktober fand das 49. Kolloquium der Fielmann Akademie Schloss Plön statt, erstmals im Online-Format. Sowohl das neue Format als auch das Thema „Hygiene in der Augenoptik“ hatten mit Sars-CoV-2 zu tun. „Auf diese Weise beeinflusst das Corona-Virus unsere Veranstaltung gleich zwei Mal“, begrüßte Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. (FH) Hans-Jürgen Grein, Leiter Wissenschaft der Akademie, die virtuellen Gäste.

Desinfektion - Hygiene
In Zeiten von Corona ist Desinfektion eine besonders wichtige Hygiene-Maßnahme (Bild: Pixabay)

Als im Dezember 2019 die ersten Meldungen über den Ausbruch eines neuartigen Virus in China die Nachrichten erreichten, war es noch unvorstellbar, dass sich das globale Leben derart verändern wird, wie es bis heute geschehen ist. Am 11. März 2020 erklärte die WHO Covid-19 zur Pandemie und damit zu einem weltweiten Geschehen. Schon sehr früh war klar, dass das öffentliche Leben nur durch das Etablieren wirksamer Hygiene- und Verhaltensregeln am Laufen gehalten werden kann. Prof. Martin Exner, Direktor am Institut für Hygiene und öffentliche Gesundheit des Universitätsklinikums Bonn, hatte im Frühjahr Standards für Schutzmaßnahmen in der augenoptischen Branche formuliert und mit Fielmann umgesetzt.

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Risiko-Schutz-Abwägung

Welche Mindestmaßnahmen ergriffen werden müssen, um die Verbreitung des Corona-Virus zu verhindern, sei in den Landesverordnungen festgehalten. Spezielle Hygienemaßnahmen für die augenoptische Branche lieferten das Gutachten von Prof. Exner sowie die Empfehlungen des Fachwissenschaftlichen Ausschusses des ZVA. Zuletzt habe auch die VDCO eine Empfehlung zur Anpassung von Kontaktlinsen in Corona-Zeiten herausgegeben, zeigte Dr. Heiko Pult (Optometry & Vision Research, Weinheim, Prof. hon. vis. Cardiff University und Geschäftsführer Horst Riede GmbH, Weinheim) auf.

„Die große Herausforderung besteht darin, das richtige Maß an erforderlichen Schutzmaßnahmen herauszufinden.“ Pult erläuterte dies anschaulich am Beispiel des Radfahrens. Für eine gemütliche Radtour sei es in der Regel ausreichend, einen Helm und festes Schuhwerk zum Schutz vor Verletzungen zu tragen. Das Aufrüsten um Knie- und Ellenbogenschützer, Protektorenjacke und Schutzbrille mache nur dann Sinn, wenn das Verletzungsrisiko steige, wie beispielsweise beim Downhill-Mountain-Biking. Übertragen auf Corona bedeute dies, dass steigende Infektionszahlen mit einer Verschärfung der Maßnahmen einhergehen müssen.

Hygiene im augenoptischen Alltag

Die meisten augenoptischen Fachgeschäfte haben mit einzelnen Einschränkungen inzwischen wieder in eine neue Normalität gefunden. So verzichteten viele Augenoptiker derzeit nach wie vor auf Hausbesuche. Die massivste Einschränkung gebe es allerdings im Bereich der Kontaktlinsenanpassungen. Eine Blitzumfrage des ZVA im September habe gezeigt, dass nach wie vor etwa 50 Prozent der Betriebe diese Leistung nicht anbieten.

Hygiene in der Augenoptik Fielmann-Kolloquium - Heiko Pult
Heiko Pult

Eine Umfrage zur Umsetzung der empfohlenen Schutzmaßnahmen im Geschäftsalltag habe ergeben, dass die meisten Augenoptiker während des Kundenkontaktes einen medizinischen Mund-Nasen-Schutz tragen und dies auch von ihren Kunden erbitten. FFP2- oder FFP3-Masken kommen nur selten zum Einsatz, beispielsweise während der Kontaktlinsenanpassung. Breite Akzeptanz erfahre zudem die Hand-Hygiene. Händewaschen mit Seife oder Handdesinfektion finden sehr häufig während der unterschiedlichsten Betriebsabläufe statt. Eher selten werde auf die Anwendung von Handschuhen zurückgegriffen.

Überraschend für Pult sei die Erkenntnis gewesen, dass etwa 55 Prozent der Augenoptiker vor der Beratung ihrer Kunden keine Gesundheitssymptome abfragen. Neun Prozent machen eine entsprechende Anamnese, führen bei positivem Ergebnis allerdings dennoch die Beratung durch. „Das würde ich mich nicht trauen.“

Ein ähnlich erstaunliches Ergebnis lieferte die Frage nach der Flächendesinfektion. So gaben laut Pult etwa 83 Prozent der Befragten an, Stirn- und Kinnstützen sowie Messbrillen nach dem Gebrauch zu desinfizieren oder mit einem seifenhaltigem Reiniger zu säubern. Das bedeute gleichzeitig, dass 17 Prozent auf die Reinigung verzichten. „Das erschüttert mich“, denn unabhängig von Corona gehöre die Reinigung der genannten Flächen zur Basis-Hygiene in der Augenoptik.

Wirtschaftliche Aspekte der Corona-Pandemie in der Augenoptik

Trotz der Einstufung der Augenoptik als systemrelevant habe es im März und April dieses Jahres kaum Umsätze in der Branche gegeben. Diese Umsatzeinbußen konnten während des Sommers eingeholt werden. Im Vergleich zum Vorjahr sei in der Augenoptik lediglich ein Umsatzrückgang von 7,4 Prozent zu verzeichnen gewesen. Dies zeige, dass die Branche bis jetzt insgesamt gut durch die Krise gekommen sei. Dennoch seien diese Daten keine Beruhigung. Die vielen Meldungen von Insolvenzen kleiner Unternehmen beunruhige viele Menschen und rufe existenzielle Ängste hervor. Insgesamt zeige sich innerhalb der Bevölkerung eine größere Sorge vor wirtschaftlichen Verlusten als vor gesundheitlichen, was wiederum die Kaufkraft zurückhalte.

Trotz aller Einschränkungen und Veränderungen sehe Pult auch positive Aspekte der Pandemie. Die intensive Auseinandersetzung mit den alltäglichen Prozessen biete die Chance, Arbeitsabläufe zu systematisieren und zu routinieren. Dies führe zu einem Zeitgewinn, der für andere Kunden genutzt werden könne. Eine gelebte Hygiene könne zum Herausstellungs-Merkmal werden, wenn es vom gesamten Team getragen werde. Dies würden Kunden zu schätzen wissen, auch nach der Pandemie.

Sars-CoV-2: Besonderheiten eines Virus

Die ersten Corona-Viren wurden bereits in den 60er Jahren beschrieben. Sie spielen seitdem bei fast jeder Erkältungswelle eine Rolle. Verglichen mit anderen Corona-Viren sei gegen Sars-CoV-2 jedoch keine Immunität innerhalb der Weltbevölkerung vorhanden gewesen. So habe sich das Virus ungehindert verbreiten können. Die erste Übertragung auf den Menschen werde mit dem Lebendverzehr, wahrscheinlich von Fledertieren, auf chinesischen Märkten assoziiert, erläutere Prof. Martin Exner.

Hygiene in der Augenoptik Fielmann-Kolloquium - Martin Exner
Martin Exner

„Bei Sars-CoV-2 handelt es sich um ein sogenanntes behülltes Virus“, diese seien nur wenig widerstandfähig und haben schlechte Überlebenschancen in der Umwelt. Der Hauptübertragungsweg des Virus beim Menschen sei die Tröpfcheninfektion. Daneben könne die Übertragung auch über Aerosole erfolgen, sehr kleine Tröpfchen, die länger in der Luft verweilen. Das Virus vermehre sich im Hals-Rachen-Raum, nicht wie andere Erkältungsviren erst in den Bronchien. Dies begründe das schnelle Infektionsgeschehen.

Das Virus zeige zudem die Besonderheit, dass Infizierte unterschiedlich hohe Viruslasten im Speichel aufweisen. Daraus resultiere, dass einige Infizierte das Virus kaum übertragen, andere als „Superspreader“ eingestuft werden. Der Grund für dieses Geschehen habe bislang nicht geklärt werden können.

Infektionsgeschehen

„Aktuell steigen die Fallzahlen“, bezog sich Exner auf die täglich veröffentlichten Statistiken des Robert-Koch-Instituts. Trotz der alarmierenden Zahlen sei noch lange keine Herdenimmunität erreicht. Herdenimmunität bedeute, dass 80 Prozent der Bevölkerung immun gegen das Virus seien. In Deutschland liege diese Zahl erst im Promillebereich. Dies habe zur Folge, dass die Einhaltung der empfohlenen Schutz- und Hygiene-Maßnahmen weiter umgesetzt werden müsse, solange es keine Impfung gebe.

Wichtige Erkenntnisse zum besseren Verständnis des Infektionsgeschehens können durch Analyse der Orte, in denen es ein erhöhtes Infektionsgeschehen gegeben habe, gewonnen werden. Maßnahmen zur Eindämmung können durch dieses Wissen zielgerichteter eingeleitet werden. Die ersten großen Infektionsherde in Deutschland waren eine Karnevalssitzung im Kreis Heinsberg, mehrere fleischverarbeitende Betriebe, Call-Center und Chöre. Auf den ersten Blick sei es nicht eindeutig, welche Gemeinsamkeit diese Orte aufweisen.

Bei genauer Betrachtung ergeben sich folgende Gemeinsamkeiten: kleine Abstände zwischen den Menschen, hohe Belastung der Umgebungsluft mit Tröpfchen durch Sprechen, Singen oder harte körperliche Arbeit, geschlossene Räume. Die Belüftung der Räume, sowohl in Heinsberg als auch in der Fleischindustrie, sei mittels Luftumwälzsystemen erfolgt. So haben sich die Viren im Raum gehalten und großflächig verteilt. Auch die neuen Ausbrüche entstehen immer dort, wo viele Menschen ohne Mund-Nasen-Bedeckung in geschlossenen Räumen mit ungünstiger Lüftungssituation eng zusammen kommen.

Wirksamkeit der AHA-Regeln

Diese Erkenntnisse und die Beobachtung der Personengruppen, die mit infizierten Menschen, zum Beispiel in Krankenhäusern, umgehen müssen, zeigen, dass die aktuellen Maßnahmen, bekannt unter dem Namen AHA-Regeln, geeignet seien, um eine gute Sicherheit zu erzielen. Alleine das Abstand halten sei hoch effektiv, wenn der Mindestabstand von 1,5 Metern eingehalten werden. Das Umsetzen der Hygiene-Maßnahmen, wie häufiges Händewaschen, Einhalten der Hust- oder Niesetikette helfen, die Viruslast zu reduzieren. Das Tragen von Alltagsmasken bezeichnete Exner als ebenfalls als hocheffizient, auch wenn es hinsichtlich der Masken durchaus qualitative Unterschiede gebe. Das Wichtigste sei in jedem Fall ein guter, eng anliegender Sitz einer Maske, egal welcher Art.

Desinfektion und Schutzausrüstung gegen Corona
Desinfektionsmittel und Schutzausrüstung gegen das Corona-Virus (Bild: Pixabay)

Eine der genannten Interventionen alleine hält Exner nicht für ausreichend, die Kombination der Maßnahmen bewertete er mit den Worten: „Wir können davon ausgehen, dass sich das Einhalten der AHA-Regeln ähnlich gut auswirkt wie eine Impfung“.

Eine Ausweitung der Maßnahmen müsse gut überlegt und mit anderen Zielen abgeglichen werden. Im Jahr 2015 habe die UN-Generalversammlung 17 „Globale Ziele für nachhaltige Entwicklung“ definiert. Als wichtigstes Ziel sei damals beschlossen worden, Armut in all ihren Formen und überall zu beenden. Als zweites und drittes Ziel folgten die Beendigung von Hunger sowie die weltweite Durchsetzung des Rechts auf Bildung. „Diesen Zielen ist der Gesundheitsschutz unterzuordnen.“

Fazit

Beide Referenten betonten, dass das Pandemie-Geschehen uns sicher noch eine Weile begleiten werde, Deutschland und die Augenoptik aktuell jedoch gut aufgestellt seien. Exner gab den Zuhörern den praktischen Rat „Handle immer so, als sei dein Gegenüber ein Sars-CoV-2-Ausscheider“ für den Alltag mit. So gelinge es leichter, die Schutzmaßnehmen konsequent umzusetzen.

Im Anschluss an die Vorträge beantworteten die Referenten wie gewohnt die Fragen aus dem Auditorium. Diese konnten während der Vorträge über eine Chat-Funktion eingereicht werden.

 

Das nächste Kolloquium der Fielmann Akademie ist bereits in Planung und wird wieder online stattfinden.

 

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