Führungskräfte schenken den Schwächen ihrer Mitarbeitenden oft mehr Beachtung als deren Stärken. Sie tragen damit dazu bei, dass deren Leistung und die ihrer Teams mittelmäßig bleiben. Hierfür gibt es ein paar Tipps, die nicht nur für Führungskräfte interessant sind!
Stärken ausbauen (Bild: Adobe Stock 224116426)
„Mein Mitarbeiter x ist extrem pedantisch.“ „Meine Mitarbeiterin y hat keinen Blick für das, was nötig ist.“ Solche Aussagen hört man oft von Führungskräften, wenn man mit ihnen über ihre Mitarbeitenden spricht. Detailliert listen sie häufig deren „Schwächen“ auf, sodass der Eindruck entsteht, der Mitarbeitende habe mehr Schwächen als Stärken.
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Entsprechend verhalten sich manche Führungskräfte auch in Mitarbeiter-Gesprächen – speziell, wenn sie gestresst sind. Sie thematisieren nach einigen einleitenden warmen Worten vor allem, was in der Vergangenheit nicht optimal verlief. Weniger Zeit verwenden sie, mit dem Mitarbeitenden zu erkunden:
Was lief gut? Warum lief es gut?
Welche besonderen Fähigkeiten zeigte der Mitarbeitende dabei?
Und: Unter welchen Voraussetzungen könnte er seine „Stärken“ noch besser entfalten?
Diese Schieflage spüren auch die Mitarbeitenden. Deshalb erfahren sie Mitarbeiter-Gespräche häufig vor allem als Kritikgespräche. Und folglich freuen sie sich zu selten auf diese wichtigen Gespräche.
Eine Ursache hierfür ist: Vieles, was wir selbst – und Menschen, mit denen wir in Kontakt sind – gut machen, erachten wir als selbstverständlich. So erfüllt es zum Beispiel manch guten Organisator nicht mit Stolz, dass er gut organisieren kann. Und viele exzellente Zuhörer sind nicht stolz darauf, gut zuhören zu können. Entweder, weil ihnen diese Fähigkeit nicht bewusst ist, oder, weil sie dieses Können als selbstverständlich erachten.
Stärken erst im Rückblick wertgeschätzt
Ähnlich verhalten sich viele Führungskräfte. Auch sie erachten das, was ihre Mitarbeitenden gut können und tun, oft als selbstverständlich. Also verlieren sie dazu keine großen Worte. Ein Umdenken erfolgt oft erst, wenn der Mitarbeitende den Betrieb verlässt. Dann ist das, was zuvor selbstverständlich war, plötzlich nicht mehr selbstverständlich. Plötzlich werden die Stärken des Ex-Kollegen gewürdigt und seine Schwächen sind nur noch ein Anlass für Anekdoten. Und alle beklagen, dass dieser „wertvolle Mitarbeitende“ den Betrieb verlassen hat – weil er das Gefühl hatte, nicht ausreichend wertgeschätzt worden zu sein.
Ausbau der Stärken
Aus Mitarbeitenden werden mit der Zeit nur Spitzenkönner, wenn diese ihre Zeit und Energie auf die Dinge verwenden, wo sie überdurchschnittliche Fähigkeiten haben. Verwenden sie hingegen ihre Energien vor allem darauf, ihre „Schwächen“ zu beseitigen statt ihre Talente zu schleifen, entrinnen sie nie der Mittelmäßigkeit. Für Führungskräfte gilt, die Talente zu erkennen und zu benennen, und für die Mitarbeitenden gilt, am besten unabhängig davon daran zu arbeiten.
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Barbara Liebermeister (Bild: IFIDZ)
Barbara Liebermeister leitet das Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ), Wiesbaden (www.ifidz.de). Ende Mai erschien im Haufe-Verlag ihr Buch „Führen mit Alpha Intelligence: Startklar für die Arbeitswelt der Zukunft“.
Artikel aus der eyebizz 5.2025 (September/Oktober)