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Interview mit Thomas Seitz von Visionix

Nur wenige Augenoptiker zum Change-Experten entwickelt

So ungefähr zu der Zeit, als Ocumeda und Fielmann mit dem Augen-Check-Up an den Start gingen, übernahm Thomas Seitz als Geschäftsführer von Visionix Deutschland das Ruder in Ratingen. Damals drängte er hausintern darauf, die Produkte und Technologie von den Lösungsansätzen zu trennen, stattdessen Nutzen und Möglichkeiten zu verkaufen und die Augenoptiker und Optometristen dabei mit auf den Weg zu nehmen: einen gemeinsamen Weg. Heute etwa zwei Jahre später muss Seitz die KI-Lösung von Visionix regelmäßig verteidigen, nicht zuletzt, weil es Mitbewerber am Markt gibt, die von KI nicht allzu viel halten.

Thomas Seitz Gf Visionix Deutschland
Thomas Seitz blickt auf zwei ­Jahre als ­Geschäftsführer von Visionix ­inklusive internem Umbau und „rasenden“ ­Entwicklungen beim Augen­screening ­zurück. (Foto: Visionix)

Insofern dient nicht nur der Einstieg des Drogeriemarktes dm ins Augenscreening als Aufhänger für das Interview mit Seitz, sondern auch die Meinung von Christoph Haarburger von Ocumeda aus der letzten eyebizz (5.2025), die ziemlich kritisch war angesichts des generellen Einsatzes von Künstlicher Intelligenz beim Augenscreening in der Augenoptik – oder sonstwo. /// IR

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„Wir müssen den Mehrwert bei uns herausstellen“

eyebizz: Thomas Seitz, wie sehen Sie das Angebot von dm? Vermutlich auch mit einem neidischen Auge, denn es gibt einige dm-Märkte, die mit der Technologie von Skleo Health ausgestattet werden müssen?

Thomas Seitz: Wir konzentrieren uns auf uns und auf das, was wir können. Und das funktioniert. Zur Qualität des Angebotes von dm und Skleo kann ich nichts sagen. Skleo hat das Versorgungsproblem erkannt und sieht die Lösung nicht zwingend in der Augenoptik. Es braucht aber geschultes Personal, um Augenscreenings seriös anbieten zu können, das ist unstrittig. Als wir uns das in einem dm-Markt angesehen haben, waren dort Skleo-Mitarbeitende im Einsatz, keine dm-Angestellten. Ein großer Unterschied zum Launch von Fielmann vor etwa zwei Jahren ist aus meiner Sicht, dass Skleo und dm das Angebot von Beginn an viel offensiver bewerben. Ich sehe das alles aber nicht so dramatisch für die Augenoptik, es gibt genügend Möglichkeiten, sich davon abzusetzen und sich zu positionieren. Wir müssen in der Augenoptik eine andere Richtung einschlagen, den Mehrwert deutlicher herausstellen.

Manch einer sagt, das wird schwierig, wenn dm Augenscreenings für 14,95 Euro anbietet.

Wer weiß, wie lange sie das zu diesem Preis anbieten können? Ich denke nicht, dass sich das rechnet. Aber, mir geht es um etwas anderes. Es gibt doch zwei Kategorien von Augenscreenings: einmal das Angebot einer zusätzlichen Dienstleistung und zum anderen das Angebot, neben vielfältigen Gesundheitsinformation das Auge richtig verstehen und darauf aufbauend eine nachhaltige Brillenglasberatung durchführen zu können. Mit Augenscreenings kann jeder Augenoptiker seinen Kunden besser begleiten – wenn er dabei auch noch Auffälligkeiten feststellt, dem Kunden in akuten Fällen zum Arzt verhilft und letztlich das Gesundheitssystem dabei entlastet, umso besser!

Bevor wir zum Gesundheitssystem kommen, wie ­blicken Sie auf die ersten zwei Jahre unter Ihrer Regie bei Visionix zurück?

Rückblickend betrachtet war deutlich mehr Umbau bei uns nötig, als ich mir zuvor gedacht hatte. Wir waren sehr nah am Produkt, haben zu wenig auf Service, interne Abläufe, Marketingunterstützung und Trainings für unsere Kunden geachtet. Letztes Jahr noch hatten wir etliche offene Tickets bei unserem Support, das war die andere Baustelle. Heute keines mehr, alles ist in Bearbeitung, unser Service ist deutlich besser geworden, was wir durch eigene Untersuchungen gut belegen können.

Was genau bedeutet für Sie „zu nah am Produkt“?

Es geht doch nicht darum, ein Gerät aufzustellen und zu schauen was passiert. Auch wenn du von deiner Technologie und von deinem Instrument überzeugt bist, funktioniert das in der Praxis nicht immer. Es geht darum, je nach Bedarf Service, Marketing, Trainings und Schulungen zu liefern, die Kundinnen und Kunden vollumfassend zu unterstützen und zu begleiten, Screening als Dienstleistung wertschöpfend in den Betrieb zu integrieren. Das haben wir in den vergangenen zwei Jahren erreicht. Bei allen Lösungen der „MyVISIONIXperience“ begleiten wir unsere Kunden heute umfassend zur erfolgreichen Implementierung, bei der Eye Check Experience wie auch bei der Lens Experience zur Unterstützung des Glasverkaufs.

Was steht demzufolge in den kommenden zwei Jahren auf dem Programm?

Unser interner Umbau ist erfolgreich abgeschlossen, heute sind wir ein Partner der Augenoptiker, auf den man sich verlassen kann. Die Frage nach den kommenden zwei Jahren betrifft alle Technologieanbieter: Wir waren selbst vor zwei Jahren in der Pole-Position, mit allen anderen. Die Ausrichtungen entwickeln sich nun sehr unterschiedlich. Unzweifelhaft sind Screening­lösungen unter ärztlicher Kontrolle leichter zu implementieren, alleine schon, weil sie berufspolitisch weniger heikel sind. Unsere Lösungen sind hier nicht statisch, sie können sich an unterschiedlichste Anforderungen ­adaptieren. Darauf werden wir uns fokussieren.

Womit wir wieder beim Gesundheitssystem sind.

Richtig. Und hier unterscheiden sich die Möglichkeiten, wie die Augenoptik daran teilhaben beziehungsweise wie wir unsere Rolle spielen möchten. Ocumeda zum Beispiel ist von Ärzten getrieben, der Augenoptiker übernimmt eine einzige Aufgabe, ­­die  Kundenkommunikation aber läuft über Ocumeda. Bei uns hat der Augenoptiker hingegen alles unter seiner Kontrolle, er bestimmt, was von wem an welcher Stelle kommuniziert wird – und dabei arbeitet er genauso mit einem Augenarzt zusammen, wenn er möchte.

Früher hatten die Augenoptiker beim Augenscreening die Befürchtung, zum Vorzimmer der Augenärzte zu werden. Berechtigt?

Aus unserer Sicht bleibt es entscheidend, wer der Ansprechpartner für den Kunden ist, wer den Prozess steuert. Bei dm und bei Ocumeda sind das nicht die Augenoptiker. Aber wenn wir in der Augenoptik eine Dienstleistung anbieten, dann sollten wir auch die Kontrolle darüber haben. Dabei geht es nicht um die Kommunikation alleine, sondern auch um die Datenkontrolle. Was passiert mit den Kundendaten, wenn ich nicht mehr mit meinem Dienstleister zusammenarbeiten möchte?

Ein großes Thema in diesem Zusammenhang ist die Künstliche Intelligenz. Sie hilft, ohne Zweifel. Doch sorgt sie auch für eine Entlastung des Gesundheits­systems? Oder werden doch viele falsch positive Resultate beim Augenarzt vorstellig und das Gegenteil von Entlastung in den Praxen tritt ein, wie Christoph Haarburger es in der letzten eyebizz erklärte?

KI ist eine super Sache, schon deswegen, weil die Analyse des Augenarztes ungleich länger benötigt. Eine KI ist aber nur ein Teil, noch keine Lösung. Haarburger liegt eher richtig, deswegen bieten wir die KI mit Human Grading an, dann wird es sicher und dann kommt es auch zu der besprochenen Entlastung. Die KI-Resultate, die gelb oder rot als Ampelergebnis ausweisen, können bei unserer Lösung remote vom Augenarzt geprüft werden – das reduziert die falsch positiven Ergebnisse. Remote alleine entlastet das Gesundheitssystem aber nicht, es ist die KI, die eine Entlastung möglich macht: Schließlich sind die meisten Ergebnisse grün.

Aber auch da halten manche Kollegen dagegen, weil die KI nur auf drei Auffälligkeiten prüft und daher wiederum etliche Auffälligkeiten unerkannt bleiben, während der Kunde sich in trügerischer Sicherheit wiegt.

Ja, auch das sehe ich für viele der KIs am Markt so ähnlich. Unsere KI erkennt allerdings 13 Auffälligkeiten. Man muss das immer wieder klarstellen: eine KI erkennt keine Krankheiten, sie erkennt Veränderungen – die wiederum auf eine Krankheit zurückzuführen sein könnten. Und um der nächsten Frage zuvorzukommen. Unsere KI ist als Medizinprodukt gemäß MDR zugelassen, als einzige für alle 13 Auffälligkeiten.

Ist die MDR-Zulassung so entscheidend, oder ist sie eher im Wettbewerb der Anbieter eine Möglichkeit, sich zu positionieren?

Die MDR zertifiziert unabhängig die Leistungsfähigkeit und Sicherheit eines Medizinprodukts. Eine Zulassung nach MDR ist nicht verhandelbar, auch der BVA hat dies in seiner jüngsten Stellungnahme bestätigt. Ich meine, wenn wir Akzeptanz für unsere Dienstleistung Augenscreening bei den Augenärzten einfordern, müssen wir mindestens die gültigen gesetzlichen und qualitativen Anforderungen erfüllen.

Visionix Deutschland Augenoptiker Lens Analyser
Der neue Lens Analyser, der ­neben der vollflächigen ­Analyse des Brillenglases auch PD und Einschleifhöhe messen kann. (Foto: Visionix)

Leider werden in der Augenoptik teilweise Lösungen eingesetzt, die entweder nicht für den Einsatz beim Optiker zugelassen sind, oder überhaupt keine Zulassung als Medizinprodukt besitzen. Mir ist zudem keine als Medizinprodukt zugelassene KI bekannt, die Prognosen zu möglichen Herz-Kreislauf-Erkrankungen erstellt. Der Einsatz solcher Tools, deren Sicherheit und Leistungsfähigkeit nicht unabhängig überprüft wurde, trägt meiner Ansicht nach nicht dazu bei, ein seriöses und anerkanntes Screening in der Augenoptik zu etablieren.

Nun ist die Technologie das eine, Sie haben aber eben in Bezug auf den Umbau bei Visionix insbesondere die Unterstützung und die Trainings genannt. Wie ­begleiten Sie die Kunden also in Sachen Screening?

Angefangen bei der Schulung am Instrument bieten wir vierteljährliche Trainings an, damit die Augenoptiker in Sachen Screening fit werden und bleiben. Dieses Trainingskonzept enthält unterschiedliche Elemente – mit Lehrstoff für Starter bis zum Screeningexperten. Jeden Kunden begleiten wir ab Start umfassend und individuell, auch im Aufbau der Customer Journey, Marketing und Kommunikation.

Warum ist das heute immer noch nötig, uns begleitet das Thema nicht erst seit gestern?

Weil der Eintritt ins Augenscreening, der Start einer neuen Dienstleistung nicht immer so verläuft wie erwartet. Die Struktur ist wichtig. Wir agieren als Sparringspartner, arbeiten mit den Kunden eine Zielstruktur aus und zeigen alle Aspekte auf, die bei der Planung und Implementierung bedacht werden sollten. Es gibt Kollegen, die anfangs schlicht überfordert sind. Andere verfolgen einen klaren Plan und können direkt gute Erfahrungen machen. Viele Augenoptiker nutzen die gleiche Customer Journey nahezu unverändert seit ihrer Ausbildung. So haben sich nur wenige zum Change-Experten entwickelt, deshalb freuen sie sich über unsere Unterstützung. Unterstützung! Ich rede nicht davon, dass alles auf den Kopf gestellt werden müsste.

Bei aller Diskussion ums Augenscreening, haben Sie Angst, andere Säulen von Visionix zu vernachlässigen? Braucht heute niemand mehr Schleifautomaten?

Die Angst treibt mich nicht um. Fakt ist, es braucht auch in diesem Bereich andere Lösungen. Fernrandung ist auf dem Vormarsch, deswegen werden kleinere Maschinen attraktiver. Andere legen noch Wert auf die Handwerksleistung, machen sich dafür aber auch moderne Technologie zunutze. Nein, wir vernachlässigen diesen Markt nicht, auch wenn er gefühlt schrumpft. Gerade haben wir einen neuen Lens Analyser vorgestellt, der neben der vollflächigen Analyse des Brillenglases die PD und Einschleifhöhe misst – der ist prädestiniert für die Qualitätskontrolle bei ferngerandeten Brillen.

Sie sehen sich als Anbieter für Filialisten und unabhängige Augenoptiker – es scheint, die Letztgenannten brauchen mehr Unterstützung.

Vielleicht. Wir bieten unterschiedliche Lösungen und sind für Großkunden wie traditionelle Kollegen attraktiv. Beim Filialisten mag es manchmal strukturierter zugehen, alles ist geplant und unsere Lösung muss sich in den Ablauf integrieren. Hier entwickeln wir mit den Kunden individuelle Konzepte inklusive Implementierung und Training und setzen diese gemeinsam um. Der unabhängige Augenoptiker freut sich eher über eine fertige Lösung und übernimmt unsere Konzepte. Das eine ist so gut wie das andere.

Was dürfen Kundinnen und Kunden nach dem ­erwähnten Umbau in naher Zukunft Neues erwarten?

Einen starken Partner, der nicht nur Geräte bietet, sondern gezielt den Verkauf hochwertiger Produkte fördert – für mehr Erfolg und zufriedene Kunden. Die innovativen Lösungen von „MyVISIONIXperience“ heben auch die Brillenglasberatung auf ein neues Level. Aktuell beginnen wir, Einheiten von JenOphthalmo als Vertriebspartner anzubieten. Bislang findet man diese Einheiten Made in Germany speziell beim Augenarzt – wir starten damit zur opti in der Optik.


/// Die Fragen stellte Ingo Rütten.

 

Artikel aus der eyebizz 6.2025 (November/Dezember)

 

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