Als selbstständiger Berater hat er eine Meinung, in welche Richtung sich die Augenoptik entwickelt. Auf Nachfrage, diese Meinung mitsamt ein paar Lösungsideen in eyebizz zu präsentieren, sagte Detlef Göttlich zu; gewiss auch, weil er aus unterschiedlicher Perspektive kurzfristigen Handlungsbedarf sieht.
Sven Göttlich (Bild: Optiswiss, www.fotografie-lichtblick.de)
Eine nicht lineare Welt, die unternehmerische Entscheidungen schwieriger macht
Um eine Aussage und Einschätzung in Bezug auf die augenoptische Branche treffen zu können, sollten wir uns ein paar Tatsachen vor Augen führen. Zum einen werden wir in den kommenden zehn Jahren durch den demographischen Effekt einen erheblich stärkeren Druck bei den Fachkräften erfahren – aktuelle Prognose: 5.800 Mitarbeitende weniger. Zum anderen wird es einen signifikanten negativen Effekt auf Kundenseite geben, insbesondere im Segment Gleitsichtgläser. Es wird fünf Millionen mehr Rentner geben, die nachweislich ein anderes Kaufverhalten zeigen. Und die Zahl der Gleitsichtträger wird kleiner, weil weniger nachrücken (Babyboomer-Effekt).
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Zudem haben wir es im Markt schon heute mit einer extrem hohen Anzahl vertikalisierter Geschäfte zu tun, so dass der Lieferant zum Wettbewerber wird. Alleine in Deutschland fallen bereits jetzt mehr als 800 Geschäfte durch eine „vorwärts gerichtete Vertikalisierung“ auf. Das heißt, die Hersteller von Produkten verkaufen diese in eigenen Ladengeschäften.
„Aus einer mitunter trügerischen Sicherheit heraus scheuen sie sich, Veränderungen herbeizuführen, die für die Zukunft existenziell wichtig sind.“
Damit nicht genug tummeln sich immer mehr Investoren in der Branche, die im Retail bereits mehr als 900 Geschäfte zählen und bei denen in der Regel nach fünf Jahren die maximale Rendite das Ziel ist. Das spiegelt jedoch nicht unbedingt eine nachhaltige Ausrichtung wider, und oft mangelt es auch an Branchentugenden, denn dazu muss man das „Herz in der Branche“ haben.
Es gibt zudem, neben den hier genannten, einige andere Einflüsse, die alle parallel wirken und sich in ihrer Auswirkung verstärken, aber kurz gesagt: Wir leben in einer nicht linearen Welt, die unternehmerische Entscheidungen schwieriger macht, weil viel mehr Faktoren zu berücksichtigen sind, als das vor wenigen Jahren noch der Fall war.
Leben im hier und jetzt ist schwierig
Als schwierig empfinde ich immer wieder, dass viele Unternehmer im Hier und Jetzt leben. Aus einer mitunter trügerischen Sicherheit heraus scheuen sie sich, Veränderungen herbeizuführen, die für die Zukunft existenziell wichtig sind.
Vielleicht kennen Sie ja den Film „Zurück in die Zukunft“, in dem der jugendliche Marty McFly mit Hilfe einer von Dr. Emmett L. Brown erfundenen Zeitmaschine in die Vergangenheit gereist ist. Das wäre sicher eine Möglichkeit, die Gegenwart und die oben beschriebenen Entwicklungen und Effekte zu ändern. Jedoch sollten wir uns in der Wirklichkeit darauf konzentrieren, einen Blick in die Zukunft zu wagen, sodass wir heute die richtigen Entscheidungen treffen können, die eine erfolgreiche Unternehmenskonjunktur in fünf, zehn oder mehr Jahren sicherstellt.
Stellen wir uns doch einfach mal die Frage:
„Was wäre wenn …?“
… der Absatz im Markt weiter sinkt und die typischen Treiber im Markt den Verkaufspreis und damit den Rohertrag von Brillen(gläsern) extrem unter Druck setzen, da sie volumen- und grenzkostenorientiert agieren müssen?
… der Erste anfängt, vergleichende Werbung zu schalten, das heißt, dass Ihre Kunden Ihre Produkte in Verbindung mit Ihrem Namen im Vergleich deutlich günstiger finden?
… Ihr Lieferant von heute in eigenen Geschäften Ihre heutigen Produkte, die Sie mit Ihrem guten Namen bei Ihren Kunden positioniert haben, deutlich günstiger anbietet und/oder Sie diese Produkte gar nicht mehr bekommen?
… Sie zehn Prozent Ihrer Stückzahlen im Gleitsichtsegment verlieren?
… Sie als lokale Marke, die Sie über viele Jahre aufgebaut haben, in sehr endlicher Zeit von Ihren Kunden in Frage gestellt werden?
… die Kunden und Neukunden der nahen Zukunft andere Kriterien für den Brillenkauf zu Grunde legen, als gestern und heute?
Es gibt viele Fragen mehr, die es sich lohnt zu stellen und hinsichtlich ihrer Relevanz zu bewerten. Wir verfolgen das im Rahmen der Denkfabrik-Augenoptik und leiten in Ergänzung durch Expertenwissen pragmatische Lösungen ab. Und wir stellen uns diese Fragen auch bei Optiswiss, als unabhängiger Schweizer Brillenglas-Produzent, um zuverlässig und nachhaltig als strategischer Partner unseren Kunden zur Seite zu stehen. Denn wir sind alle in einem Markt unterwegs und als klar positionierter Lieferant für den Mittelstand können wir nur gemeinsam erfolgreich sein. Dazu hat die eyebizz im vergangenen Jahr in der Ausgabe 3.2024 eine Story gebracht.
Zukunft mit richtiger Strategie positiv
Was bedeutet das nun für einen mittelständischen Augenoptiker? Als erstes: Dass es Stand heute gute Lösungsansätze gibt und die Zukunft mit der richtigen Strategie positiv aussieht. Es ist aus eigener Kraft zu schaffen und das ist aus meiner Sicht beruhigend. Das bedeutet aber auch, dass es eine schlechte Idee ist, nach dem Prinzip Hoffnung ohne Strategie zu verfahren, getreu dem Motto: „Es wird schon gut gehen“.
Meine Empfehlung ist es, sich dringend kurzfristig mit den genannten Einflüssen und Fragen zu beschäftigen und für die ganz persönliche unternehmerische Situation zu beantworten und zu bewerten. Absatzmarketing alleine war gestern, heute ist das Thema Beschaffung in Ergänzung extrem wichtig. Die Sicherung des Rohertrags und der Ausbau der Kundenbasis ist mit dem richtigen strategischen Partner sehr gut möglich. Die Positionierung des eigenen Unternehmens und die Entwicklung zur Arbeitnehmermarke in Kombination mit der Investition in Ausbildung ist ein essenzieller Baustein. Das Hinterfragen von alten Strukturen ist sehr wichtig! Der Spruch „das haben wir immer schon so gemacht“ hat Parallelen zur Höhlenmalerei, denn da wären wir heute noch, wenn wir danach gehandelt hätten.
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Detlef Göttlich ist Diplom-Mathematiker, blickt auf 18 Jahre in der augenoptischen Industrie zurück und konnte im Rahmen seiner langjährigen geschäftsführenden Tätigkeit insbesondere im Private Equity Umfeld wertvolle Erfahrungen sammeln. Heute ist Göttlich Mitglied der Geschäftsleitung der Optiswiss AG, gemeinsam mit Wilm Sternemann Gründer der Denkfabrik-Augenoptik und selbstständiger Berater.