„Achten Sie bei der Anschaffung von Kontaktlinsen nicht nur auf den Preis. Achten Sie auch auf den Service bei der Anpassung, das Know-How und auf einen kompetenten Ansprechpartner bei Trageproblemen. Gehen Sie lieber auf Nummer sicher und nicht zum billigen Jakob.“ So steht das geschrieben in der vermutlich etwas in die Jahre gekommenen Broschüre „12 Tipps für Kontaktlinseneinsteiger“, die wir aktuell noch auf der Website des Berufsverbands der Augenärzte gefunden haben. Dass die Broschüre möglicherweise mehr Unlust als Lust aufs Linsentragen macht, scheint nicht die schlechteste Nachricht zu sein, wenn man Robert Fetzer Glauben schenkt. Fetzer ist Augenoptikermeister, Coach und Trainer – und der Bayer ist in der Branche als Freund des klaren Wortes bekannt. eyebizz hat mit ihm über die „gesunde Kontaktlinsen-Anpassung“ gesprochen.
Robert Fetzer kennt noch die Zeiten, in denen Fluobilder mit Bleistiftzeichnung an den Hersteller gesendet wurden, um eine neue optimalere Kontaktlinse angefertigt zu bekommen. (Bild: Fetzer Schulungen)
eyebizz: Robert, die Zahl der Kontaktlinsenträger in Deutschland ist in den vergangenen Jahren nahezu unverändert geblieben. Laut aktueller Brillenstudie sind es weiterhin fünf Prozent ab 16 Jahren, davon drei Prozent regelmäßige Träger. Warum bleibt diese Zahl seit Ewigkeiten auf diesem niedrigen Niveau?
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Robert Fetzer: Kurz gesagt: Wir haben eine viel zu hohe Aussteigerquote, die bei etwa 20 bis 30 Prozent liegt, bei Neueinsteigern teils bis zu 40 Prozent. Als Hauptgründe sind Komfortprobleme, Pflegeaufwand, mangelnde Zeit bei der Handhabung und eine fehlende Nachversorgung zu nennen. Womit wir auch schnell bei der Lösung des Problems sind: Eine strukturierte Begleitung des Trägers senkt die Drop‑out‑Quote ebenso deutlich wie produktseitige Komfortlösungen.
Bleiben wir mal bei der „strukturierten Begleitung“. Wie sieht die in der Praxis aus?
Für die Praxis gibt es klare Strategien zur Drop‑out-Reduktion. Angefangen mit einer intensiven Beratung und Schulung in der Anfangszeit, der richtigen Unterstützung beim Auf- und Absetzen, die Einweisung in die Pflege und die Routinen. Besonders bei Einsteigern empfiehlt sich auch das Anvertrauen von Tageslinsen oder komfortorientierten Produkten – das ist halt der einfache Weg. Strukturierte Nachkontrollen müssen schon kurz nach der Anpassung fest eingeplant und es muss – eventuell per App – daran erinnert werden. Wir haben die Fetzer-App (Augenoptik Schmuck Fetzer) mit einer Chat-Funktion, mit der sich der Kunde bei Fragen oder Problemen melden kann. Und nicht zuletzt gehört auch die gezielte Kommunikation bei Beschwerden wie Trockenen Augen oder einem unsicheren Sitz dazu.
Wenn man dich so hört, dann stellst du der Anpassung hierzulande kein wirklich gutes Zeugnis aus – denn offensichtlich hapert es an der Umsetzung dieser Strategien, wenn man sich die stabilen fünf Prozent der Linsenträger zu Gemüte führt?
Wir dürfen an dieser Stelle nicht pauschalisieren, aber meine Gedanken dazu stammen nicht nur aus dem Alltag eines Kontaktlinsen-Spezialisten. Meine Eindrücke speisen sich aus der gelebten Realität, die ich aus vielen Vor-Ort-Schulungen im Rahmen von Fetzer Schulungen erlebe. Ich beziehe mich nicht auf theoretische Zahlen, sondern auf Erfahrungen direkt aus der Praxis.
Der stark inkomplette Lidschlag mit einer Stippung Grad 4 gehört zu einer Steuerfachangestellten, die acht Stunden am Rechner sitzt und sich Kontaktlinsen wünscht. (Bild: Fetzer Schulungen)
Und in der Praxis geht es um Verantwortung statt Routine. Damit meine ich nicht, das flüchtige Überfliegen des vorderen Augenabschnitts, eine Linse „aufs Auge klatschen“, den Kunden 30 Minuten spazieren schicken, eine schnelle Überrefraktion dranhängen und am Ende noch 15 Minuten für die Handhabung „freischaufeln“. Leider höre ich genau diese Vorgehensweise Woche für Woche. Und wir schreiben das Jahr 2025 – nicht mehr 1980!
Hört sich dann doch recht pauschal an.
Ja, vielleicht, aber es gibt sie ja, die spezialisierten Kontaktlinsen-Institute oder die Augenoptiker, die die Kontaktlinse lieben, obwohl man doch eh nichts daran verdient. Komisch, aber diejenigen arbeiten erfolgreich und profitabel fast ausschließlich mit Kontaktlinsen! Trotzdem: In vielen Betrieben ist die Drop-out-Quote zu hoch! Ich erlebe bei meinen Schulungen regelmäßig, dass noch immer mit handschriftlichen Karteikarten gearbeitet wird – und diese oft kaum zu entziffern sind. Noch schlimmer wird es, wenn der Anpasser sich jahrzehntelang eigene Methoden zurechtgelegt hat. Eine Drop-out-Analyse? Fehlanzeige!
Dazu ein Beispiel aus der Praxis: Bei einer meiner Schulungen zum Thema Trockene Augen fragte ich kürzlich: „Wie hoch ist Ihre Drop-out-Quote?“ Der Chef meinte: „Keine Ahnung.“ Die Meisterin erklärte: „Oh ja – sehr hoch.“ Die Anpass-Methoden vor Ort: klassisches Schema F – ohne Differenzierung, ohne moderne Standards. Wenn dann noch Linsen verkauft werden, die der Kunde bei Linsensuppe & Co. online günstiger bekommt, als wir sie überhaupt einkaufen können – dann ist klar, wo er kauft.
Soll das also heißen, Schema F ist der eigentliche Grund für die hohe Drop-out-Quote?
Indirekt ja. Bei Schema F sieht der Kunde keinen Mehrwert in unserer Arbeit, dann kauft er die Kontaktlinsen und Pflegemittel mindestens beim nächsten Mal im Supermarkt. Wir müssen es schaffen, den Wert unserer Leistung als Kontaktlinsen-Anpasser zu vermitteln.
Das ist aber auch dann nicht so einfach, wenn der Anpasser mehr Verantwortung an den Tag legt.
Aber genau das ist der erste Schritt. Jetzt ist die Zeit, Verantwortung zu übernehmen. Für die Anpassung. Für die Kontaktlinse. Für das Sehen unserer Kunden. Ein weiteres Beispiel: Dry Eye ist längst eine Volkskrankheit geworden. Wenn wir uns als Anpasser diesem Thema nicht mindestens grundlegend widmen, werden wir noch mehr Kunden verlieren. Genau deshalb lege ich in meinen Schulungen besonderen Wert auf ein fundiertes Dry-Eye-Management – praxisnah, umsetzbar und marktgerecht. Du kannst dir damit als Spezialist für Trockene Augen einen überregionalen Namen aufbauen – unser Einzugsgebiet bei Augenoptik Fetzer beträgt inzwischen rund 200 Kilometer!
Ein Kunde kommt mit Monatslinsen, die eine Woche alt sind. Es hat sich ein Randschlingennetz und ein Lissamingrün-Ring gebildet, der abgestorbene Epithelzellen der Bindehaut zeigt. Auch die beginnende Neovaskularisation zeigt sich. Bei diesem Kunden, der seit drei Jahren Kontaktlinsen trägt und dem noch nie Fluorescein bei einer Anpassung oder Nachkontrolle gegeben wurde, sind Probleme beim Tragekomfort und Sehen keine Überraschung. (Bild: Fetzer Schulungen)
Alternativ biete ich auch eine „Short-Variante“ an – für alle, die in kurzer Zeit die wichtigsten Maßnahmen erlernen und umsetzen wollen, um Tragekomfort und Sehqualität zu steigern und somit zufriedene Kontaktlinsenkunden zu haben, die nicht fremdgehen, weil sie gar nicht auf die Idee kommen.
Ich möchte unabhängig davon noch einen Ausblick von dir in eine bessere Kontaktlinsenzukunft hören.
Die Telemedizin verändert heute schon vieles und wird zukünftig vieles noch mehr und schneller verändern. Wir als Augenoptiker werden zunehmend zur ersten Anlaufstelle – wir screenen, erkennen und verweisen gezielt an Fachärzte. Erste Pilotstandorte für telemedizinische Kooperationen sind schon im Einsatz. Wenn wir uns daran erinnern, wie lange wir um die Anerkennung der Refraktionsbestimmung vor Gericht gekämpft haben – und heute auf vielen Verordnungen von Augenärzten ausdrücklich empfohlen wird, dass wir „nochmals prüfen“ sollen –, dann ist klar: Wir tragen eine Verantwortung für die Augengesundheit unserer Kunden.
Nicht nur heute, sondern auch mit Blick auf morgen. Wenn wir das beherzigen und endlich die Kontaktlinse mehr in den Fokus rücken, dann werden wir die Fünf-Prozent-Hürde überspringen und die Zahl der Kontaktlinsenträger steigern.
/// Die Fragen stellte Ingo Rütten.
Artikel aus der eyebizz 5.2025 (September/Oktober)