Wir suchen dich! Quer-Einsteiger in der Augenoptik
von Petra Waldminghaus,
Es herrscht Mitarbeiter-Mangel in der Augenoptik – das beweisen unter anderem die vielen Anzeigen, Hilferufe und kreativen Beiträge in den Sozialen Medien und auf den Websites der Fachgeschäfte. Petra Waldminghaus geht einer Idee nach, die uns zukünftig beschäftigen muss: Quereinsteiger.
Schon vor vielen Jahren saßen bei einer Fassungs-Schulung in England neben Optometristen auch Verkäuferinnen aus der Modebranche in einem Seminar von Petra Waldminghaus. (Bild: Petra Waldminghaus)
Zeitdruck und Doppelbelastung sind beinahe allgegenwärtig und belasten den Arbeitsalltag. Technische Innovationen halten Einzug, um die Herausforderungen zu meistern und neue Ressourcen beziehungsweise Entlastung zu schaffen.
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Als ich vor vielen Jahren für eine Fassungs-Schulung in England gebucht wurde, habe ich nicht schlecht gestaunt, dass neben Optometristen auch reine Fassungsverkäufer und Verkäuferinnen aus der Modebranche in meinem Seminar saßen – ohne optisches Know-how. In Ländern wie England gibt es schon lange die Teilung der Kompetenzen. Live konnte ich dieses System bei meinen eigenen Kunden im Rahmen einer Begleitung zum Brillenkauf in Irland erleben. Das Ergebnis war klasse, vor allem, wenn die Mitarbeitenden im reinen Brillenverkauf gut geschult waren. Das ist leider nicht in jedem Geschäft der Fall.
Hierzulande wird diese Art der Aufgabenteilung immer noch sehr skeptisch gesehen. Quereinsteiger werden vor allem im Servicebereich eingesetzt oder „bei den billigen Ketten“, so der pauschalisierte etwas überhebliche Originalton niedergelassener Sehprofis.
Aus meiner Erfahrung gibt es jede Menge Vorurteile, bei der sich die Branche selbst im Wege steht. Diejenigen, die Mitarbeitende aus anderen Fachgebieten integrieren, sind schon lange einen Schritt weiter. Der Quereinstieg aus anderen Branchen kann eine gute Unterstützung im Service und der Kundenbetreuung sein!
Aufgaben für Quereinsteiger in der Augenoptik
Die möglichen Aufgabengebiete für die Branchenfremden sind vielfältig:
Kundenkommunikation
Telefondienst, Kundenterminierung und Begrüßung
Annahme von Reklamationen, Brillenreinigung und kleine Reparaturen …
Organisation und Verwaltung
Warenannahme, Auszeichnen und Einräumen von Produkten
Sortimentspflege und Dekoration der Waren
Kassenbedienung und Abrechnung …
Das sollten Mitarbeitende anderer Berufsbereiche mitbringen:
Freundliches und gepflegtes Auftreten
Gutes Fingerspitzengefühl im Umgang mit Kunden
Lernbereitschaft, um bei weiteren Themengebieten zu assistieren beziehungsweise diese selbstständig zu übernehmen
Während es bei den oben genannten Themen wenig Bedenken gibt, andere Berufsgruppen einzusetzen, sieht es bei der Fassungsberatung schon ganz anders aus. Diese scheint traditionell den gelernten Augenoptikern vorbehalten zu sein oder den Auszubildenden nach fortgeschrittener Ausbildungszeit. Es herrscht allzu oft die Meinung, dass „nur eine ausgebildete Fachkraft einen passenden Rahmen heraussuchen sollte und kann.“ Dieser Spruch begleitet mich seit 20 Jahren.
Dabei ist auch für Laien sehr schnell zu lernen, worauf es bei bestimmten Messwerten ankommt, damit das Glas in die Brillenfassung passt und ästhetisch aussieht. Zumal ja auch immer ein Sehprofi anwesend ist und kurz die wichtigen Infos dazu geben kann.
Neuerdings erlebe ich, dass in einigen Geschäften aus der Not schnell eine ungelernte Kraft eingestellt und ohne eine Fassungs-Schulung an stressigen Tagen im Verkauf eingesetzt wird.
Der gute Geschmack und die Intuition sollen es hier richten. Wer vorher Mode verkauft hat, sollte das auch mit Brillen können. Das geht natürlich oft schief. Auch wenn Azubis ohne Vorbereitung auf Kunden losgelassen werden. Gibt es nicht? Oh doch! In nahezu jedem meiner Seminare treffe ich auf frustriertes Verkaufspersonal, das die Schulung oft sogar aus eigener Tasche zahlt, da sie im Geschäft wenig angeleitet werden. Das sollte zu denken geben.
Mit einer systematischen und fundierten Vorgehensweise kann jede und jeder in kurzer Zeit lernen, passende Brillenfassungen für die Kundschaft auszuwählen und selbstständig zu verkaufen. Selbst Verkaufsmuffel und unsichere Mitarbeitende bekommen so ein besseres Standing, mehr Freude und sparen dem Unternehmen jede Menge Zeit.
Klingt nach Eigenwerbung? Na klar. Das liegt aber daran, dass in der Ausbildung von neuen Fachkräften dieses Thema viel zu kurz kommt und allenfalls in der Meisterschule ein Thema ist. Meine Meinung und mein Fazit lauten: Quereinsteiger mit dem richtigen Know-how können zum echten Game-Changer werden – denn nur, wenn die Kunden und Kundinnen eine passende Fassung finden, lassen sich auch hochwertige Gläser verkaufen.
Einfach mal ausprobieren und eine neue Sichtweise gewinnen.
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Petra Waldminghaus: Expertin für Wirkung, Auftritt und Brille, Geschäftsführerin von CorporateColor, dem Profinetzwerk für Imageberatung, Autorin, Speakerin, Ausbilderin – und das seit 25 Jahren. Aus den Erfahrungen unzähliger Einzelberatungen, Optikerschulungen, Vorträgen und Durchführungen von Kundenevents ist ihr bewährtes Beratungskonzept entstanden: „Brillenberatung mit System“.
Artikel aus der eyebizz 5.2025 (September/Oktober)