Qualität und Mehrwert werden sich immer durchsetzen!
OCT, RAL und Agent Ariane für Augengesundheit
von Ingo Rütten,
Hören beim OCT die Freundschaft und das Verständnis zwischen Augenoptiker und Augenarzt auf? Wohl kaum. Aber es ist ein Beispiel dafür, dass noch längst nicht alle Ressentiments und Vorurteile ausgeräumt sind in Sachen Netzhaut-Screening und optometrische Dienstleistungen – auf beiden Seiten! Anhand der Diskussion um die Nutzung eines OCT in der Augenoptik, lässt sich vermuten, dass uns das Thema Screening zukünftig weiter intensiv beschäftigen wird und muss – abseits und wegen der Technologie.
OCT oder Funduskamera, oder eine Kombination aus beidem? „Vielleicht bilden Augenarzt und Augenoptiker besser eine optometrische Einheit“, fragt sich pragmatisch der Professor für Augenheilkunde an der Uniklinik Köln, Dr. Ludwig Heindl. (Bild: Eyetec)
Ende Mai verkündete zunächst EssilorLuxottica den Kauf von Optegra, eine Plattform für die Augenheilkunde, die derzeit in fünf europäischen Schlüsselmärkten tätig ist. Und vermutlich schon bald den Weg außerhalb von Großbritannien, Tschechische Republik, Polen, Slowakei und der Niederlande antreten wird. Die Akquisition stelle einen wichtigen Meilenstein in der Medtech-Strategie von EssilorLuxottica dar. Sie soll das Angebot des Megakonzerns noch einmal erweitern und unter anderem KI-gestützte innovative Technologien, Wearables, medizinische Instrumente und wissenschaftlich fundierte Augenpflegelösungen umfassen.
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Ein paar Tage später informierte Mister Spex, dass er sein „stationäres Serviceangebot um einen augenoptischen Vorsorge-Check“ erweitere. In allen 65 Stores deutschlandweit wird nun „eine regelmäßige Kontrolle der Augengesundheit“ möglich sein – analog und sehr ähnlich dem Angebot von Fielmann und dessen Tochter Ocumeda – nicht nur beim Preis für den Kunden. Diese beiden Meldungen zeigen, dass Webinarreihen wie die gerade zu Ende gegangene „Masterclass Screening“ von partnerauge zeitlos sind, und dass es sinnvoll ist, dieses Thema auf allen Kanälen auch zukünftig zu begleiten. Es gibt noch viel aufzuklären.
Nicht nur in der Webinarreihe keimte dabei die Diskussion auf, welche Tätigkeiten und welche Instrumente in der Augenoptik eigentlich sinnvoll seien. Die Frage scheint außerhalb unserer Branche nicht mehr zu lauten, ob Augenoptiker Augenvorsorge anbieten „dürfen“, sondern bis zu welchen Punkt sie dabei gehen „können“.
Eine alte stets aktuelle Diskussion
Auch das ist eigentlich eine alte Diskussion, die aber ebenso stets aktuell bleibt – nicht zuletzt durch solche Angebote wie die „Ariane Ophthalmology Suite“, die vielleicht die Alternative wären, wenn die Augenoptik sich nicht um die Augengesundheitsversorgung (mit)kümmern würde. Sie soll offensichtlich – zumindest kann sie – mithilfe proprietärer Analyseverfahren und Künstlicher Intelligenz die Unterstützung für Augenärzte sein, die wir in der Augenoptik gerade aufbauen. Dazu muss man aber wissen, dass der eingesetzte virtuelle „Agent Ariane-Insight“ eine interaktive Selbstdiagnoseplattform ist (siehe https://mikajaki.ai/product/).
Vereinfacht ausgedrückt, steckt der Verbraucher seinen Kopf für sechs Minuten in ein Gerät und beantwortet zudem die durch eine KI bereitgestellten Fragen. Heraus kommt ein umfassender Report, der zur diagnostischen Überprüfung direkt an ein medizinisches Team übermittelt werde und Aufschluss über die Augengesundheit gebe. Im Vorfeld also ohne Augenoptiker, ohne anderes Fachpersonal: ohne menschliche Unterstützung. Ob das eine bessere Augenvorsorge bieten kann als die durch die Augenoptik garantierte?
Akzeptanz von Qualität abhängig
In der „Masterclass Screening“ wurde eine Zusammenarbeit grundsätzlich sowohl von den Ärzten als auch den Augenoptikern und auch von den Technologieanbietern begrüßt. Wie das in der Praxis funktionieren kann, erklärt Hannes Claußnitzer, Vertriebsleiter bon optic, stellvertretend für die Webinarpartner und -teilnehmer: „Unsere Erfahrung mit den Ophthalmologen und deren Feedbacks zeigen, dass die Akzeptanz für das Thema stark von der Qualität der Vorselektion und der Art der Kommunikation abhängt. Trotz aller KI- und telemedizinischen Möglichkeiten sind entsprechende Fachkenntnisse absolut notwendig. Wir bieten dazu Kurse mit Petra Lindner an. Die Zusammenarbeit mit regionalen Augenärzten zur weiteren Versorgung ist eine essentielle Schlüsselfunktion. Es genügt nicht, den Kunden mit einem Bericht in die freie Wildbahn zu entlassen. Unser System vernetzt direkt Augenoptiker und Ophthalmologen – webbasiert und datenschutzkonform. Über dieses Portal können selbstverständlich auch andere Screeningergebnisse bequem übermittelt werden – und der Patient wird, wenn nötig, sofort von der Praxis oder der Klinik einbestellt.“
Die vollautomatische Prüfung im „EyeLib“ dauert immerhin sechs Minuten. Danach aber bleiben in Sachen Augengesundheit keine Fragen mehr offen, heißt es auf der Website der Ariane Ophthalmology Suite. (Bild: Eyetec)
Trotzdem trifft die derzeitige Entwicklung und die Zusammenarbeit zwischen Augenoptiker und Augenarzt nicht überall auf Zuspruch. Auf der Social-Media-Plattform Linkedin zum Beispiel scheinen sich manche der Beteiligten da nicht ganz so einig zu sein. Hier provozierte etwa der in unserer Branche recht bekannte Professor Hakan Kaymak mit einem Beitrag zur Gütegemeinschaft Optometrische Leistung (GOL), die ihrerseits in der Webinarreihe Stellung bezogen hatte. Die GOL hält die Maßstäbe in Sachen Optometrie auch dank des RAL-Gütezeichens auffällig hoch, weder in Sachen Qualitätsanspruch noch in der Kommunikation konnte man ihr bislang etwas vorwerfen. Prof. Kaymak indes stellte die Frage, ob RAL wohl „Relative Ahnungslosigkeit“ bedeuten könne? Als Überschrift hatte der Augenarzt seinem Meinungsbeitrag bereits einen Einblick in seine Sicht der Dinge gegönnt: „RAL: zwischen Pferdehaltung und offenem Kamin. Die optometrische Selbstermächtigung im Schatten des Heilkundegesetzes.“
Bedürfnis nach Anerkennung?
Einzelheiten können wir uns an dieser Stelle sparen, die Grundansichten mancher Augenärzte kennen wir – die gute Nachricht ist, davon gibt es immer weniger. Kaymaks Post gefiel nicht jedem, aber es gab auch ausreichen Lob für seine Worte. Sein Kommentar-Ende zeigt deutlich, wie er über das Angebot optometrischer Dienstleistung in der Augenoptik generell denkt: „Es ist ein beunruhigendes Zeichen dafür, wie leichtfertig in einem der sensibelsten Bereiche unserer Gesellschaft – der Gesundheit – mit Vertrauen, Begriffen und Zuständigkeiten umgegangen wird. Und es zeigt, wie sehr das Bedürfnis nach Anerkennung das Bewusstsein für Verantwortung zu verdrängen vermag.“
Nun sollten wir davon ausgehen, dass der Professor Agent Ariane auch nicht viel besser findet als einen screenenden Augenoptiker, vielleicht aber stößt er sich auch gerade an der hohen Messlatte, die die GOL an den Tag legt. Jedenfalls sind sie immer noch da, die Ressentiments, und damit auch Erklärungsbedarf. Den lieferte Stefan Lahme als Vorsitzender der GOL prompt: Nachzulesen ebenfalls auf Linkedin, hier nur die Schlussworte: „Es sollte im Interesse aller im Bereich Augengesundheit und visueller Wahrnehmung befassten Berufsgruppen sein, zum Wohl der Patienten gemeinsam mit höchster Qualität zu arbeiten. Der steigende Bedarf bei gleichzeitig knapper werdenden Ressourcen wird Ophthalmologen, Optometristen und Augenoptiker fordern. Diese Herausforderungen der Zukunft werden wir nur gemeinsam bewältigen“.
Stefan Lahme, Vorsitzender der Gütegemeinschaft Optometrische Leistungen (GOL), erklärte in der „Masterclass Screening“ das Qualitätsversprechen der GOL. Das aber gefällt nicht jedem. (Bild: Screenshot)
Lahme war auch in der „Masterclass Screening“ zu Gast und erklärte eindrucksvoll, wie er als Mitglied der GOL in der Augenvorsorge tätig ist. Natürlich nutze er dazu auch ein OCT, und die Augenarztpraxen, mit denen er zusammenarbeite, seien glücklich darüber, dass er ihnen die Patienten mit den entsprechenden bereits ermittelten Resultaten schicke. In besagter Webinareihe hatte es bei der Frage, ob ein OCT heutzutage zum Werkzeug des Augenoptikers dazu gehören sollte, einmal erheblichen Widerspruch gegeben. „Mir ist es völlig unverständlich, da kann ich nur den Kopf schütteln“ antwortete Lahme auf die Frage, ob er verstehen könne, dass es Augenärzte gebe, die ein OCT in den Händen eines Augenoptikers für eine schlechte Idee halten.
Know-how untermauern
Zur Erinnerung, wir reden über Kolleginnen und Kollegen, die sehr viel Geld für ein OCT ausgeben und damit ihr Know-how untermauern möchten. Dass es davon immer mehr gibt, liegt auch daran, „dass die Gesundheitspolitik vor einem Wandel steht. Wer davon profitieren will, muss aber mehr als nur Screening anbieten und es mit Vernetzung, KI und Telemedizin kombinieren, um die Versorgung mit zu gestalten und auch von einer Umsatzsteigerung profitieren zu können“, sagt dazu Amir Parasta, Geschäftsführer von Epitop.
Zurück aber zum Einsatz eines OCT in der Augenoptik, der häufiger für gegenteilige Meinungen unter den Augenärzten sorgt. Dr. Catharina Busch, ärztliche Leitung bei Ocumeda, geht das zu weit, sie betonte im Webinar, dass sie viele Jahre lang den richtigen Umgang beziehungsweise die richtige Befundung mit einem OCT gelernt habe. „Das geht nicht von heute auf morgen. Es geht doch vor allem darum, dem Patienten die richtige Dringlichkeit mitzugeben. Der Augenarzt muss ins Boot geholt werden, wenn etwas bewertet werden muss.“ Das gelte für den Einsatz des OCT wie für die Funduskamera, letztere befürwortet Dr. Busch in der Augenoptik, das OCT aber nicht. „Die Funduskamera reicht mit einer guten Anamnese, um ein gutes Screening möglich zu machen und die Leute heraus zu filtern, die ein OCT-Bild benötigen.“ Und Letzteres zu erstellen, obliege dem Augenarzt. Man kann diese Meinung durchaus nachvollziehen, aber es gibt genauso viele Argumente für die Ansichten der Optometristen in der Augenoptik.
Pragmatischer Ansatz
Die akademisch ausgebildete Optometristin Johanna Reckzeh von der VDCO-Young schätzt das OCT, da es vieles erleichtere und vieles verdeutliche. Auch VDCO-Young-Kollege Tom-Luis Platten freut sich über die Sicherheit, die ihm ein OCT beim Screening vermittelt. Einen pragmatischen Ansatz wählte Professor Dr. Dr. Ludwig Heindl, Professor für Augenheilkunde an der Uniklinik Köln, in der Diskussion mit dem Berufsnachwuchs: „Technik lässt sich niemals aufhalten. Das OCT wird auch in der Augenoptik irgendwann in der Breite Anwendung finden, die Frage ist nur, ob es zum jetzigen Zeitpunkt schon sinnvoll ist.“
Heindl plädierte für die Zusammenarbeit zwischen Augenoptiker und Augenarzt. Und er stellte klar, dass er natürlich dennoch seinen eigenen OCT-Scan machen werde, auch wenn der Patient bereits mit entsprechenden Unterlagen vom Augenoptiker käme. Ein Problem sieht er darin nicht, für niemanden. „Der Kunde zahlt beim Augenoptiker, und er wird diesem maßlos dankbar sein, wenn er ihn mit einer pathologischen Verdachtsdiagnose zum Arzt schickt.“ Und zwar auch dann, wenn er dort noch einmal für die vermeintlich selbe Dienstleistung zahlen müsse.
Momentan ginge es vielleicht darum, Wartezeiten beim Arzt zu reduzieren oder mit einem Screening heraus zu finden, ob jemand gesund sei oder nicht. Zukünftig aber würde sich das ändern, dann „gibt es für Augenoptiker neben der Brille und den Kontaktlinsen ein drittes Standbein: das Screening“, erklärte Professor Heindl. Ob dann denn jeder ein OCT haben müsse, „nein. Vielleicht bilden Augenarzt und Augenoptiker besser eine optometrische Einheit. Qualität und Mehrwert werden sich immer durchsetzen!“
Ich finde diesen Diskurs sehr wichtig, und eine Bereitschaft beider Seiten, Augenarzt und Augenoptiker , zusammen zu arbeiten sehr wichtig!
Vor allem da ja jetzt auch Branchenfremde, wie Drogeriemärkte in das Thema “Augengesundheit” eingestiegen sind.
Ich finde diesen Diskurs sehr wichtig, und eine Bereitschaft beider Seiten, Augenarzt und Augenoptiker , zusammen zu arbeiten sehr wichtig!
Vor allem da ja jetzt auch Branchenfremde, wie Drogeriemärkte in das Thema “Augengesundheit” eingestiegen sind.