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Vier Ansätze vom Fielmann Akademie Kolloquium

Low Vision: Sehbeeinträchtigung und Fachgebiet

Wir wissen: Der Begriff Low Vision beschreibt eine dauerhafte, erhebliche Sehbeeinträchtigung, die sich mit konventionellen Sehhilfen wie Brillen oder Kontaktlinsen nicht ausreichend korrigieren lässt. Zugleich bezeichnet Low Vision aber auch das interdisziplinäre Fachgebiet, das sich mit den besonderen Herausforderungen dieser Einschränkungen befasst. Dabei stehen nicht nur die reduzierte Sehschärfe, sondern auch beeinträchtigte Sehfunktionen wie Kontrastsehen, Blendempfindlichkeit oder das eingeschränkte Gesichtsfeld im Fokus.

Im Rahmen des Kolloquiums der Fielmann Akademie Schloss Plön am 25. Juni 2025 übernahmen vier Referenten dieses Thema. Sie beleuchteten aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven die aktuellen Ansätze und Herausforderungen in der Versorgung sehbehinderter und blinder Menschen. eyebizz war dabei und stellt die Referenten mit ihren Themen folgend vor! /// Redaktion, IR

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Unperfekt anfangen, „aber trauen Sie sich!“

Frank Wersich, Augenoptikermeister und Optometrist (HWK), Geschäftsführer der Schrodin & Wersich Optik GmbH in Baden Baden

„Wie würden Sie sich mit einem Visus von 0,25 schminken oder rasieren?“, fragte Frank Wersich. Für die in Deutschland lebenden etwa 1,5 Millionen Menschen mit einer Sehbehinderung sei es unmöglich, schnell einen Blick in WhatsApp oder in Social Media zu werfen! Low Vision stelle die Betroffenen im Alltag oft vor große Herausforderungen. Aber eine Sehhilfenversorgung sei erst erfolgreich möglich, wenn die Betroffenen ihre Erkrankung angenommen und akzeptiert haben.

Low Vision Frank Wersich Fielmann Akademie Kolloquium
Frank Wersich, Augenoptikermeister und Optometrist (HWK), Geschäftsführer der Schrodin & Wersich Optik GmbH in Baden Baden

Das Angebot an optischen und elektronischen Sehhilfen sei enorm. Gutes Hinhören und Beobachten des Kunden während der Begrüßung und der Anamnese liefere die ersten Ideen, welche Hilfsmittel in Frage kommen. Ein unverzichtbares Hilfsmittel sei Licht. Gutes Licht in einer für den Kunden geeigneten Lichtfarbe spare Vergrößerung und sei dadurch ein sofortiger Gewinn an Lebensqualität. Wersich versicherte, dass der Bedarf an Low Vision in den kommenden Jahren weiter steigen werde – und damit auch der Bedarf an Anpassern. „Fangen Sie unperfekt mit der Low-Vision-Versorgung an, aber trauen Sie sich“, warb er für diesen augenoptischen Tätigkeitsschwerpunkt.

 

Implantierbare Fernrohrsysteme

Laura Stürzbecher, M.Sc. Optometrie/Vision Science, Patient Journey Manager bei Samsara Vision in New Jersey, USA

Mittlerweile stehen auch implantierbare Lösungen zur Verfügung, die Laura Stürzbecher vorstellte. Auch wenn implantierbare Fernrohre derzeit kein Hilfsmittel für alle Menschen mit Sehbeeinträchtigungen sind und das vorgestellte System im Wesentlichen für Patienten mit fortgeschrittener altersabhängiger Makuladegeneration interessant sei, lohnt sich der Einblick in diese Versorgungsmöglichkeit mit einem Galilei-Teleskop-Implantat aus Silikat. Mit einer Dicke von 4,4 Millimetern sei das System deutlich dicker als eine gewöhnliche Intraokularlinse und werde anstelle einer solchen implantiert.

Low Vision Laura Stuerzbecher Fielmann Akademie Kolloquium
Laura Stürzbecher, M.Sc. Optometrie/Vision Science, Patient Journey Manager bei Samsara Vision in New Jersey, USA

Wie bei externen optisch vergrößernden Systemen vergrößere auch das implantierte System das Netzhautbild und ermögliche so die verbesserte Detailerkennbarkeit. Gleichzeitig werde das Sehfeld eingeschränkt, weswegen das Transplantat ausschließlich monokulare Anwendung finde und das Auge ohne Transplantat das periphere Sehen und die Orientierungsfähigkeit aufrecht erhalte.

 

Visuelle Rehabilitation

Ute Hölscher, Sonderschulpädagogin Förderschwerpunkt Sehen und Orientierungs- und Mobilitäts-Rehabilitationslehrkraft aus Schleswig

Dass es auch für Menschen mit einem Sehverlust die Möglichkeit einer aktiven Rehabilitation gibt, ist weitestgehend unbekannt – wohl selbst unter Augenoptikern und Augenärzten. Ute Hölscher stellte die visuelle Rehabilitation vor, die das Ziel hat, das Restsehvermögen zu optimieren, um ein möglichst autonomes und selbstbestimmtes Leben führen zu können. Neben dem Erlernen lebenspraktischer Fertigkeiten stelle das Orientierungs- und Mobiltätstraining ein zentrales Element der visuellen Rehabilitation dar. Das wichtigste Hilfsmittel sei dabei der Langstock. Er diene der physischen Sicherheit, indem er helfe, Hindernisse, Bodenunebenheiten oder Treppen frühzeitig zu erkennen. Er unterstütze jedoch auch die soziale Kommunikation, indem er der Umwelt signalisiere, dass die Person sehbehindert oder blind ist.

Low Vision Ute Hoelscher Fielmann Akademie Kolloquium
Ute Hölscher, Sonderschulpädagogin Förderschwerpunkt Sehen und Orientierungs- und Mobilitäts-Rehabilitationslehrkraft aus Schleswig

Je früher blinde oder sehbehinderte Menschen lernen, sich mit dem Langstock sicher zu bewegen, desto selbstverständlicher werde der Umgang mit dem Hilfsmittel. Hölscher machte klar, dass es dafür entscheidend sei, dass sehbehinderte Menschen frühzeitig über ein Orientierungs- und Mobilitätstraining informiert werden. Gerade Augenoptiker, die im Rahmen der Low-Vision-Beratung vergrößernde Sehhilfen anpassen, könnten hier eine wichtige Brücke schlagen.

 

Annäherung, Vergrößerung, Kepler- oder Galilei-System

Andreas Polzer, Augenoptikermeister und Inhaber Besser Sehen Landshut

Skotome, Verzerrungen und Unschärfe bleiben auch nach der besten Korrektion bei den Betroffenen bestehen. Sehhilfen werden eingesetzt, um das Netzhautbild angeblickter Objekte zu vergrößern und sie durch diesen „Trick“ leichter erkennbar zu machen, stellte Andreas Polzer dar. Die einfachste Form der Vergrößerung sei die Annäherung, eine weitere Möglichkeit die Vergrößerung des Objektes, zum Beispiel die Anschaffung eines größeren Fernsehgerätes. Als letzte optische Option stehe die Systemvergrößerung, beispielsweise durch den Einsatz eines Kepler- oder Galilei-Systems zur Verfügung.

Der Respekt vor Fernrohrlupenbrillen gehe durch ein wenig Übung beim Anpasser verloren, ebenso die Skepsis. Fernrohrlupenbrillen können für jede Sehentfernung angepasst werden, die Ferne, die Mitteldistanz und ebenso für die Nähe. In der Ferne ermöglichen diese Systeme die Umfeldmobilität, die Liniennummer von Bus und Bahn oder Straßennamen können wieder erkannt werden. Ein für die Mitteldistanz optimiertes optisches System sorge zum Beispiel dafür, dass die Zeitung wieder auf dem Tisch liegend zu lesen ist, ohne sie ständig in der Hand halten zu müssen. Auch Bildschirmarbeit könne wieder aufgenommen werden, was einen entscheidenden Aspekt für Berufstätige darstelle. Besonders eindrucksvoll zeige sich der Nutzen bei Musikern: Ein Pianist etwa könne dank einer passenden Fernrohrlupenbrille seine Noten erkennen.

Low Vision Andreas Polzer Fielmann Akademie Kolloquium
Andreas Polzer, Augenoptikermeister und Inhaber Besser Sehen Landshut

Der Klassiker unter den Anwendungen bleibe jedoch die Anpassung einer Fernrohrlupenbrille zum Fernsehen. Die Auswahl aber sei eine besondere Herausforderung. Neben der rein rechnerischen Ermittlung des Vergrößerungsbedarfs müssen zunehmend auch ergonomische und praxisnahe Aspekte berücksichtigt werden. Nach rein optischen Überlegungen werde das System basierend auf dem Kundenvisus und dem erforderlichen Vergrößerungsbedarf ermittelt. Das funktioniere aber nicht, da die Kunden mit den Systemen ihr Fernsehbild oft nicht überblicken können. Da das Sehfeld des Systems zu klein sei, müssen Anwender entweder den Kopf ständig hin und her bewegen oder sich weiter vom Gerät entfernen – beides ist den Betroffenen in der Praxis nicht vermittelbar. Polzer empfahl daher, die Auswahl ausgehend vom erforderlichen Sehfeld zu denken. „Sie werden erstaunt sein, dass Sie auf diese Weise sogar mit weniger Vergrößerung auskommen, als Ihre Ausgangsüberlegung ergeben hat“, erklärte er abschließend.

 

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Artikel aus der eyebizz 5.2025 (September/Oktober)

 

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