In der eyebizz-Ausgabe 3.2025 war viel von Made in Germany die Rede und damit auch viel von Rodenstock, besser gesagt der Rodenstock-Gruppe. Kurz vor Redaktionsschluss erreichte uns damals die Meldung, dass auch der Kundendienst Standorte schließt. Anders als bei der Produktion in Regen und Langen (optovision) würden hier aber keine Arbeitsplätze wegfallen.
eyebizz-Chefredakteur Ingo Rütten hat diesen nächsten Schritt des „Transformationsprozesses“ des Brillenglasherstellers zum Anlass genommen, um mit Thomas Pfanner, General Manager der Rodenstock-Gruppe für Deutschland und Österreich, Ralf Ellermann, Vize-Präsident Global Marketing Rodenstock-Gruppe, und Alexander de Vries (Head of Marketing & Communication bei optovision) unter anderem noch einmal die Rolle des Investors Apax und die Notwendigkeit von unpopulären Entscheidungen für eine erfolgreiche Zukunft zu erfragen.
„Wir haben die Aufgabe als Unternehmensführung, die richtigen Entscheidungen zu treffen.“
eyebizz: Die Schließung der Servicecenter wurde offiziell gar nicht verkündet, gibt es derzeit einfach zu viele schlechte Nachrichten aus München? Was hat es damit auf sich, das nun Kundendienstcenter geschlossen werden?
Ralf Ellermann: Rodenstock ist gerade im deutschen Raum eine bekannte Marke. Wir sind Innovationsführer, da ist es klar, dass auf uns geschaut wird, und es ist dann auch nicht überraschend, dass bei uns gleich von Schließung gesprochen wird, weil es auch für die Presse ein griffigeres Thema ist. In diesem Fall ist es anders. Wir sehen uns immer an: Was ist gut für Rodenstock und was ist gut für unsere Kunden? Denn vor allem für sie möchten wir immer einen Mehrwert generieren. Und wir können noch mehr Servicequalität und mehr Beratungskompetenz einbringen, wenn wir ein best-in-class Servicecenter etablieren. Für die Servicecenter bedeutet das, dass wir keine Leute entlassen, sondern für unsere Kunden die Servicequalität erhöhen.
Thomas Pfanner: Wir analysieren seit eineinhalb Jahren, wie wir die Servicecenter für die Zukunft aufstellen können. Welche Berührungspunkte hat unser Kunde mit dem Service? Was bieten wir an, in was sind wir gut, was können wir verstärken, was müssen wir vielleicht auch vom Kundendienst abgeben? Diese Service-Initiative dient in erster Linie dazu, unseren Kunden aktiv mehr Service zu bieten. Und zwar nicht nur im Hier und Jetzt, sondern vor allem mit Blick auf die Zukunft. Denn unser Ziel ist, gemeinsam mit unseren Kunden zu wachsen und sie bestmöglich in jeder Hinsicht dabei zu unterstützen. Um mehr wertschöpfende Leistungen anbieten zu können, werden die Standtorte in Berlin und Frankfurt bis Ende des Jahres 2025 konsolidiert.
Die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben die Möglichkeit, nach Düsseldorf oder nach Regen zu gehen oder in ein Work-from-Home-Modell zu wechseln, das derzeit schon zu über 50 Prozent im Kundendienst genutzt wird, da wir alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Unternehmen halten möchten.
Also nur der nächste Schritt in der Transformation? Wann ist die abgeschlossen, welche wesentlichen Änderungen wird es auf dem Weg noch geben?
Ellermann: Wir sehen uns als Innovationsführer und möchten unseren Kunden immer das Beste geben, sei es ein besseres Produkt, den besten Service oder auch die beste Kampagnenunterstützung: dann ist eine Transformation wahrscheinlich nie wirklich abgeschlossen. Unser Fokus ist „B.I.G. VISION“, aber wir prüfen immer wieder, was wir denn noch tolles Neues machen können. Wir haben vor zwei Jahren unseren Eye-Care-Check gelauncht. Dieses Jahr war das auf der opti fast überall zu sehen. Auch da waren wir sozusagen einer der Vorreiter. Wir schauen auch in andere Richtungen und deswegen prüfen wir unsere Strukturen und unsere Prozesse kontinuierlich, auch das ist nie abgeschlossen.
Denken Sie, dass der „Aufschrei“ der Branche wegen der Produktionsschließungen in Regen und Langen übertrieben ist, beziehungsweise empfinden Sie einen solchen überhaupt bei Ihren Kunden?
Pfanner: Das ist sehr unterschiedlich, was daran liegt, dass unser Kerngeschäft der traditionelle Augenoptiker ist. Jeder Inhaber hat seine Idee und seine Vorgehensweise, und jeder muss sich auf seinen Markt konzentrieren. Es gibt Entscheidungen in unserem Transformationsprozess, die auch uns wehtun, und natürlich auch dem ein oder anderen Augenoptiker. Das ist vollkommen in Ordnung und legitim. Auch wir sind keine Roboter, die irgendwas abarbeiten, sondern wir sind Menschen aus Fleisch und Blut, da geht manche Entscheidung natürlich auch uns nahe. Trotzdem haben wir die Aufgabe als Unternehmensführung, die richtigen Entscheidungen zu treffen für die Zukunft. Im deutschen Markt sind wir besonders groß, aber trotzdem haben wir die Verantwortung für die weltweiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und das ist unser Hauptfokus aller Entscheidungen. Unsere Aufgabe ist es dann, das ordentlich zu kommunizieren, offen und transparent zu sein.
Alexander de Vries: optovision steht seit dem Relaunch für „German Engineering“, denn schon immer und auch in Zukunft findet ein Großteil der Wertschöpfung in Deutschland statt. Unsere Produkte werden in Deutschland entwickelt, unser engagiertes Außendienstteam steht unseren Kunden vor Ort für Beratung und Schulung zur Seite. Um Wettbewerbsfähigkeit bei unverändert hoher Qualität möglich zu machen, sind effiziente Prozesse und eine sinnvolle Auslastung bestehender Standorte unumgänglich, weshalb wir uns verstärkt auf unseren Produktionsstandort im tschechischen Klattau konzentrieren werden. Unsere Kunden profitieren hierbei von unverändert hoher Qualität.
Glauben Sie, dass ähnliche Entscheidungen von Mitbewerbern nicht so sehr im Fokus des Interesses stehen?
Ellermann: Ja. Wir sind eben eine bekannte Marke, da überrascht es nicht, dass auf uns der Fokus liegt. Andererseits verstehen es alle, dass wir reagieren müssen, wenn wir ein beträchtliches Volumen verlieren, wie jenes, dass durch den Verkauf von GrandVision samt Apollo an EssilorLuxottica nun von Essilor bedient wird.
Pfanner: Wir haben eine führende Stellung im deutschen Markt, weshalb alles, was wir machen, auf breites Interesse stößt. Wir stellen uns dem Ganzen, denn nur durch Transparenz können wir auf das Vertrauen unserer Kunden setzen.
Rodenstock setzt auf biometrische Brillengläser, der Onlinehandel wird dagegen mit nicht vergleichbaren Produkten beliefert. Reicht das, um das Ihren Kunden und hier speziell den unabhängigen Augenoptikern klarzumachen?
Pfanner: Auch das funktioniert mit einer offenen Kommunikation. Die Nachfrage im Onlinehandel ist ja durch die Endkunden getrieben. Und natürlich möchten wir ihnen unsere Produkte nicht vorenthalten. Es ist nichts Verwerfliches daran, mit dem Onlinehandel zusammen zu arbeiten. Weder in Deutschland und schon gar nicht für das gesamte Unternehmen weltweit. Wir sind und bleiben Partner des traditionellen Augenoptikers – aber wir müssen auch, wie Ralf Ellermann gesagt hat, Volumen erzielen, Stückzahlen verkaufen. Die White-Label-Produkte für den Onlinehandel haben nichts mit den Produkten zu tun, die wir unseren stationären Partnern zur Verfügung stellen. Wir sprechen mit unseren Kunden, beraten sie und entscheiden uns für das möglichst beste Produktportfolio. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass das Feedback darauf ebenfalls unterschiedlich ausfällt.
Mindestens so wie Ihr Engagement im Onlinehandel wird das des Rodenstock-Investors Apax diskutiert – zumindest derzeit, auch weil vermutet wird, durch den Transformationsprozess werde die Gruppe auf den Verkauf vorbereitet. Welche Rolle spielt der Investor und der wahrscheinliche Verkauf der Gruppe in der Zukunft?
Ellermann: Ja, wir bekommen häufig die Fragen gestellt, ob Apax uns dazu treibt, die Produktionen in Regen und Langen zu schließen. Seit 2020, also mit der Einführung von „B.I.G. VISION“, durchläuft Rodenstock bereits seine Weiterentwicklung hin zu einem MedTech-Unternehmen. Damit einher geht die klare Fokussierung auf unsere Kernkompetenz der biometrischen Brillengläser. Diesen Prozess haben wir bereits vor dem aktuellen Investor in Gang gesetzt und unser Investor steht klar hinter der Strategie. Und ein solcher Investor hat natürlich ein Interesse daran, zu einem gewissen Zeitpunkt einen Exit zu machen. Aber: das Board und wir selbst sind verantwortlich für die Unternehmensstrategie. Was aber auch wichtig ist: Apax unterstützt uns bei dieser Strategie, auch mit Know-how. Und das funktioniert sehr, sehr gut.
Pfanner: Ich bin regelmäßig im Austausch mit Apax, der Kontakt ist professionell und unterstützend. Unsere Entscheidungen treffen wir jedoch vollkommen unabhängig und immer im Sinne unseres Unternehmens und unserer Kunden.
Der Verdacht liegt aber nun wirklich nahe, spätestens seitdem Rodenstock sich von der Eyewear getrennt hat, kam Apax als Medizintechnikunternehmen in den Fokus.
de Vries: Natürlich wird auch bei uns, bei optovision viel über den Investor gesprochen. Das ist verständlich. Doch im Mittelpunkt unseres Handelns steht nach wie vor eines: unsere Kundinnen und Kunden. Unsere Entscheidungen zielen darauf ab, nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Unternehmensgruppe zu sichern, sondern vor allem die unserer Partner, insbesondere der unabhängigen Augenoptiker. Denn wir wissen: Wenn unsere Kunden erfolgreich sind, sind wir es auch. Deshalb treffen wir heute strategische Entscheidungen, um unseren Service, unsere Innovationskraft und unsere Leistungsfähigkeit so auszurichten, dass wir unsere Kunden auch morgen noch bestmöglich für nachhaltigen Erfolg in einem sich wandelnden Marktumfeld unterstützen können.
Pfanner: Aber trotzdem nochmal zurück zu Apax und Rodenstock. Wir haben den Schritt Richtung Medizintechnik bereits mit der Einführung von „B.I.G. VISION“ 2020 gemacht. 80 Prozent unseres Umsatzes kam über Brillengläser, das Fassungsgeschäft war nicht unser Kerngeschäft, auf das wir uns konzentrieren wollten und konzentrieren mussten. Schon damals haben wir herausgearbeitet, was es bedeutet, ein Medizintechnikunternehmen zu sein und was wir uns darüber hinaus leisten können. Im Endeffekt sucht sich auch ein Investor wie Apax ein Unternehmen aus, das strategisch schon so aufgestellt ist, dass es matched und mit dem man gemeinsam überlegt, was in unser zukünftiges Portfolio passt. Apax hat die Strategie, die von der Unternehmensführung vorgegeben wurde, von Beginn an unterstützt.
Ich gehe mal nicht davon aus, dass Sie mir verraten, wann Apax die Gruppe verkauft, also frage ich anders. Wie sieht die Rodenstock Gruppe 2030 aus? Was ist Ihre Vision, auch insbesondere für optovision?
de Vries: Seit dem Relaunch von optovision im Herbst 2023 und der Einführung der WIDR Lens Technology hat sich vieles weiterentwickelt und das sehr erfolgreich. Unser klarer Fokus auf Innovation und unser Versprechen von „German Engineering“ haben sich nachhaltig bewährt. Auch im Jahr 2030 stehen wir für höchste Qualität, technologische Exzellenz und gelebte Kundennähe. Im Mittelpunkt all unseres Handelns stehen dabei die unabhängigen Augenoptiker und Augenoptikerinnen. Denn sie sind und bleiben unsere wichtigste Kundengruppe. Ihre Wettbewerbsfähigkeit und ihr langfristiger Erfolg sind der Maßstab, an dem wir uns orientieren.
Unsere Kunden profitieren heute mehr denn je von maßgeschneiderten Lösungen, modernster Fertigungstechnologie und einem starken Service. Und das Beste: Bereits in diesem Herbst dürfen sich unsere Partner erneut auf eine echte Innovation aus dem Hause optovision freuen, ein weiterer Meilenstein, mit dem wir den unabhängigen Augenoptiker noch besser unterstützen.
Ellermann: Und dann kommt 2027 die nächste Innovation von Rodenstock. Wir sind aktuell ein bisschen europazentrisch, wir werden in den kommenden Jahren in andere Märkte gehen und das auch erfolgreich. Derzeit haben wir einen Testballon aufsteigen lassen, bei dem wir gute Fortschritte machen. Wir kommen dann von einem zuerst sehr deutschlandzentrierten und derzeit auf Europa setzenden hin zu einem globalen Unternehmen.
Das heißt, 2027 zum 150. Geburtstag Rodenstocks wird es andere Schlagzeilen geben. Welche?
Ellermann: Unserer Vision folgend – allen Menschen bestes Sehen zu ermöglichen – entwickeln wir sowohl unsere Produkte stetig weiter und präsentieren in regelmäßigen Abständen neue Innovationen, die das Sehen noch besser machen. Sicherlich werden wir auch 2027 als Innovationsführer im Bereich MedTech von uns reden machen.