Hörgeräte, die man ohne Facharzt und Hörakustiker und ohne fachkundige Anpassung kauft? Was halten Experten von OTC-Hörlösungen? Der Deutsche Hörverband (Berlin) lud zu diesem Thema Ende April zum „DHV Online-Dialog“ ein, mit biha-Hauptgeschäftsführer Jakob Stephan Baschab.
Jakob Stephan Baschab, Haupt-Geschäftsführer der Bundesinnung der Hörakustiker KdöR (biha), informierte bei einem „DHV Online-Dialog“ zum Thema OTC-Hörgeräte (Screenshot, Foto: biha)
Hörgeräte, die man ohne Beratung im Onlineshop, in einer Drogerie oder im Elektronikmarkt kauft? Für die man den erforderlichen Hörtest mittels App oder online selbst durchführt? Und die man sich ohne fachkundige Anleitung durch den Hörakustiker selbst einstellt, um so ein nachlassendes Gehör auszugleichen? Ein wichtiges Thema für die Hörakustik-Branche, dementsprechend groß war das Interesse.
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„Geht es um Over-the-Counter-Hörgeräte, so gibt es derzeit oft sehr ungenaue Vorstellungen“, so Jakob Stephan Baschab, Haupt-Geschäftsführer der Bundesinnung der Höra-kustiker KdöR (biha) und Direktor der Akademie für Hörakustik.
„Bei Lösungen, die besseres Hören ermöglichen, muss klar differenziert werden zwischen einerseits Medizinprodukten und andererseits Sound Amplifiern, also Consumer-Electronic-Produkten“, so Baschab. „Diese klare Trennung ist auch deshalb wichtig, weil es je nach Klassifizierung verschiedene rechtliche Vorgaben gibt, die regeln, was erlaubt ist und was nicht. Ob eine OTC-Hörlösung von Apple oder etwa ein Produkt wie die Hörbrille EssilorLuxottica – vermarktet ein Hersteller seine Produkte als Medizinprodukte, müssen sich die Verbraucher darauf verlassen können, dass es sich hierbei tatsächlich um medizinische Produkte handelt, die ihnen die erwartete Hilfe bieten und sie nicht womöglich sogar gesundheitlichen Risiken aussetzen. Im Zweifelsfall bedarf es hier auch juristischer Klärung, die wir mit größtmöglicher Transparenz anstreben werden, um Klarheit für alle Beteiligten zu schaffen.“
Grundsätzlich begrüßt der Experte Initiativen, die Menschen dazu anregen, sich frühzeitig mit ihrem Gehör beziehungsweise einem möglichen Hörverlust auseinanderzusetzen: „Natürlich ist es gut, wenn Menschen ihr Gehör frühzeitig überprüfen“, so der biha- Haupt-Geschäftsführer. „Doch neben einer Schwerhörigkeit müssen auch deren Ursachen abgeklärt werden. Letzteres kann der Verbraucher nicht allein, und aktuell kann das auch keine Technik übernehmen. Der einzig akzeptable Weg ist hier der Besuch beim Profi, also beim HNO-Arzt, der die Diagnose stellt, und beim Hörakustiker. Mit dem Online-Dialog des Deutschen Hörverbandes wollten wir einmal mehr Klarheit schaffen. Gerade der Austausch mit den Verbänden der Schwerhörigen-Selbsthilfe ist uns hier sehr wichtig.“
DHV-Online-Dialog: Thema hat Nerv getroffen
Der Deutsche Hörverband e. V. (DHV) zeigte sich im Anschluss an den „DHV Online-Dialog“ mit Jakob Stephan Baschab sehr zufrieden: „Die große und überaus positive Resonanz auf unsere Veranstaltung zeigt, dass Thema und Referent einen Nerv getroffen haben“, so Dr. Harald Seidler, Vorstandsvorsitzender des DHV.
„Und wir können uns der Einschätzung von Herrn Baschab nur anschließen: Es ist gut, wenn immer mehr Menschen ein Bewusstsein für das wichtige Thema Schwerhörigkeit entwickeln und wenn neue Technologien den Betroffenen neue Möglichkeiten eröffnen. Dies darf jedoch mit keinerlei Abstrichen in der Qualität der Versorgung einhergehen. Solche Abstriche drohen jedoch, wenn ein Produkt als Medizinprodukt beworben wird, ohne die dafür erforderlichen Kriterien zu erfüllen, oder wenn die gründliche Diagnostik sowie die Beratung und die Betreuung durch Arzt und Hörakustiker umgangen werden.“