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Reklamationen beim Augenoptiker – wie Sie damit umgehen sollten

Aus der EYEBizz Serie “Ran an den Kunden”

Folge 1: Reklamationen

Jeder Augenoptiker weiß, dass es kaum eine Brille gibt, die der Brillenträger selbst beschädigt hat. Häufig lag sie nachts auf dem Nachttisch – und am nächsten Tag war sie kaputt, ohne jede Fremdeinwirkung natürlich. Seit Harry Potter wissen wir, dass dies möglich ist.

Warum haben wir in der Augenoptik so große Probleme mit Reklamationen? Niemand kommt auf die Idee, einen Schuh nach einem Jahr zu reklamieren und kostenlosen Ersatz zu verlangen, weil die Absätze abgelaufen sind. Aber bei einer Brille, bei der sich die Farbe zu lösen beginnt oder die Gläser erste Kratzer haben, sollen wir auch nach einem Jahr oder mehr genau diesen kostenlosen Ersatz liefern. Lassen Sie uns nicht herumeiern: Die Brille ist ein Gebrauchsgegenstand, der oft 15 und mehr Stunden pro Tag benutzt wird. Mehr als jeder Schuh, jedes Hemd, jeder Mantel, jede Waschmaschine. Trotzdem reklamieren wir keine Hemden und keine Schuhe. Und wenn eine Waschmaschine verkalkt ist und der Kundendienst kommen muss, bezahlen wir ganz selbstverständlich Anfahrt und Reparaturkosten.

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Doch wenn ein Glas einer Bohrbrille nach sechs Monaten bricht, diskutieren wir mit unseren Kunden über Sonderpreise und ob das überhaupt passieren darf – „bei so einer teuren Brille“.

Bitte stellen Sie sich genau vor, was der Brillenweakness-314401_640träger täglich mit seiner Brille anstellt: Sie wird ohne Etui in Handtaschen, Hemdtaschen, Hosen und Sakkos aufbewahrt, auf die Stirn und in die Haare geschoben und mit Geschirrtüchern oder TShirts gereinigt. Die Brille ist ein Alltagsgegenstand, der oft viel schlechter behandelt wird als ein Auto oder ein Anzug! Seminarteilnehmer erzählen immer wieder, dass auch sie Brillen kostenlos austauschen, obwohl sie mehrere Jahre alt sind oder erkennbar durch grobe Behandlung beschädigt wurden. Doch aus lauter Angst, den Kunden zu verlieren, tut man ihm eben den Gefallen. Oder hebt ihn sogar selbst auf diese Möglichkeit – um anschließend den Hersteller mit dem angeblichen „Garantiefall“ zu belasten. Wir finden: Das ist der falsche Ansatz!

Denn Augenoptiker, die mit Reklamationen nicht verantwortungsvoll umgehen, tun nichts anderes als Brillen zu verschenken – an Kunden, die sonst neue Brillen kaufen würden.

Tatsache ist: Wenn eine Brille tatsächlich eine kalte Lötstelle haben sollte, bricht sie bereits beim Verglasen, beim Anpassen oder spätestens nach kurzer Tragezeit. Eine Brille, die nach einem Jahr bricht, ist dagegen keine Reklamation: Sie wurde bereits weit über 5.000 Stunden getragen, mehrere hundert Mal gereinigt, unzählige Male auf- und abgesetzt und oft auch noch unsachgemäß aufbewahrt oder transportiert. Ein Schaden ist dann schlicht Verschleiß, aber kein Reklamationsgrund. Auch der teuerste Ski hat nach einer Woche Skiurlaub erkennbare Kratzer und sonstige Gebrauchsspuren – und niemand würde ernsthaft erwägen, ihn deshalb kostenfrei umtauschen zu dürfen.

Wir müssen uns also zunächst einmal selbst klarmachen, dass auch Brillen verschleißen.
Rechnen Sie einmal: Pro Tag 15 Stunden mal 365 Tage ergibt in einem Jahr knapp 5.500 „Gebrauchsstunden“. Wie kann man angesichts dieser Zahlen eine solche Brille einfach kostenlos austauschen? Denken Sie betriebswirtschaftlich! Vermeiden Sie mit einer überhasteten Reklamationspolitik den wirtschaftlichen Super-GAU! Möglicherweise machen Sie einen Kunden mit kostenlosem Ersatz ja glücklich; vor allem, wenn Sie dieses Risiko hinterher auf den Lieferanten abwälzen (der es dann notgedrungen auf seine Preise aufschlagen muss). Vor allem aber vermitteln Sie Ihren Kunden damit, dass eine Brille auch nach mehr als 5.000 Stunden Gebrauch nicht abgenützt sein darf. Und das ist eine absolut unrealistische Vorstellung. Man kann den Kunden auch eine Beispielrechnung präsentieren: Eine Brille, die er für 300 EUR kauft und nur ein Jahr trägt, kostet ihn 82 Cent pro Tag. Welchen anderen Gebrauchsgegenstand kann man für gerade einmal 82 Cent täglich 15 bis 17 Stunden benützen? Beim bekannten Wiederbeschaffungsrhythmus von 4 Jahren sind es sogar kaum mehr als 20 Cent pro Tag!

fragile-485223_640Rechnen Sie dem reklamierenden Kunden freundlich vor, wie viele Stunden er seine Brille schon getragen hat; wie viele (oder besser: wie wenige) Cent er pro Tag für seine Brille ausgibt – und vergleichen Sie das mit anderen Produkten. Zum Beispiel mit einem Mittelklasse-Neuwagen, der an den meisten Tagen 23 von 24 Stunden nutzlos herumsteht – aber sogar ohne Benutzung täglich locker 10 EUR an Wert verliert. Wir garantieren Ihnen eine völlig neue Sichtweise und mehr Verständnis seitens Ihres Kunden!

In unseren Seminaren haben wir mit einigen Augenoptikern eine erfolgreiche Strategie zur Reklamationsbehandlung erarbeitet. Beim vorgenannten Szenario kann man dem Kunden nämlich anstatt „kostenlosem Ersatz“ auch eine Alternative anbieten: Schlagen Sie vor, die Brille zum Hersteller einzusenden und auf eventuelle Materialfehler prüfen zu lassen. Sollte sich dabei herausstellen, dass es sich tatsächlich um einen Herstellerfehler handelt, wird die Brille selbstverständlich kostenfrei umgetauscht. Wenn die Beschädigung aber auf verschleißbedingte Abnutzung oder unsachgemäße Behandlung zurückzuführen ist, wird ihm für die Prüfung sowie Porto und Verpackung eine Pauschale von 50 EUR in Rechnung gestellt; natürlich gibt es in diesem Fall auch keinen kostenlosen Ersatz.

Augenoptiker, die diese Methode einsetzen, berichten erstaunt, dass vielen Brillenträgern an dieser Stelle plötzlich einfällt, dass sie ihre Brille doch nicht sehr pfleglich behandelt haben. Sie verzichten auf das Einsenden und Prüfen und entscheiden sich stattdessen für eine neue Brille oder das Ersatzteil zum vollen Preis. Das Ganze hat auch einen Sekundärnutzen: Sie vermitteln Ihrem Kunden Ihre fachliche Kompetenz und zeigen ihm freundlich, dass er nicht mit Ihnen spielen kann. Außerdem verdeutlichen Sie ihm, dass eine Brille kein Wertgegenstand mit ewigem Leben, sondern ein Ge- und Verbrauchsgegenstand ist, der natürlichem Verschleiß unterliegt. Versuchen Sie es einfach einmal, Sie haben dabei nichts zu verlieren. Ganz nebenbei lassen sich damit auch Kaufrhythmen verkürzen und Zusatzverkäufe von Zweit- Dritt- und Viertbrillen generieren. Denn auch in der Augenoptik gilt, dass Veränderung immer von innen beginnt: Bei uns selbst.

Aus der EYEBizz Serie: Ran an den Kunden

Autoren: Martin Groß und Paul Johannes Baumgartner

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Habe bei Brillen.de vor einem Jahre eine Brille erworden und 6 Monate getragen, bis der einzige mittlere Verbindungsbügel an der Lötstelle brach und ich zwei halbe Brillen hatte. Ohne größere Probleme bekam ich wieder das Gleiche, aber als neues Gestell, in welche meine beiden bereits benutzten Gläser eingesetzt worden. Jetzt aber wieder nach 6 Monaten, ist an dieser Umtauschbrille wieder der mittlere Bügel an der Verbindungsstelle durch gebrochen. Ich bat den Verkäufer mir ein anderes stabileres Gestell zu verkaufen, was leider wegen der Passgenauigkeit der Gläser nicht möglich wäre. Was kann ich tun? Ich bin ein erfahrener Handwerker und somit ist mir bekannt, dass Kopfverbindungen immer einen Schwachpunkt darstellen. Ich kann sicher vorhersagen, dass das neue Brillengestell an dieser Stelle wieder brechen wird.

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  2. Meral, ich kenne dieses Phänomen aus eigener Erfahrung.
    Mir wurden bruchfeste, kratzfeste, unzerstörbare Brillen verkauft, die alle schon die ewigen Jagdgründe gezeitigt haben.
    Mich hat das auch Jedes Mal sehr geärgert. Aber hey, welches Material außer Diamant ist kratzfest? Welches Material unzerstörbar? Nur weil Optiker draußen dransteht bedeutet ja nicht, dass es sich um eine Non-Profit Organisation handelt.
    Also bitte den gesunden Menschenverstand nicht ausschalten wenn es zum Optiker geht.
    LG
    Manuela

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  3. Als Endverbraucher komme ich nicht umhin, diese Strategie, die den Optikern dort empfohlen wird, als sehr kurzsichtig zu bezeichnen.
    Für gute Brillen werden ohne Probleme Preise über tausend Euro, nach oben offen aufgerufen.
    Der Kunde darf neben Qualität auch Service, Offenheit und Kundenorientierung erwarten. Ich bitte, dem durchschnittlichen Kunden auch keine kriminelle Energie zu unterstellen, sondern ein berechtigtes Interesse an fairen Lösungen im unverschuldeten Schadensfall vorauszusetzen.
    Mit den im Artikel propagierten Empfehlungen wird, der Kunde zum ” Gegner ” des Geschäftes abgestempelt.
    Eine zufriedene Kundenbindung funktioniert über Empathie und ja, manchmal, in begründeten Fällen, sogar auch Kulanz. Der Kunde dankt es mit Treue und Zufriedenheit, besser fürs Geschäft als ” Eintagsfliegen. “

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  4. Wenn die Branche schon vor dem Verkauf mit, Kratzfest, Extra Härte, Stabilität, Lotus, Abperl, Clean, Extra Dünn und Leicht usw. WIRBT und auch noch die ganz teuren Gläser mit Besonderer Qualität Verkauft bei dem der Optiker für den Teuersten Glas pro Paar beim Hersteller 5 % vom Verkaufspreis Einkauft dann Erwarte ich auch dass eine 800,00 Euro Brille was den Optiker lediglich 40,00 Euro kostet hat auch EWIG Kratzfest und Qualitativ Hochwertig BLEIBT egal wie ich es nutze. Auch dann wenn es mal Herunterfällt.

    Die Herangezogenen Beispiele sind einfach nur Lächerlich. Dann sagen wir doch mal der Rentenkasse warum die nur so wenig Zahlen und beschweren uns beim Herren und fordern Extra Jahre weil wir doch so brav ca.: 50 Jahre gearbeitet haben.

    Danke aber für diese Seite. Jetzt weis ich wie ich einen Verkäufer seine Argumente im Mund schon stoppe und kann bereit vorbereitet im Falle der Fälle antanzen. Und wenn ein Optiker eine Reklamation nicht annimmt wo ich zufrieden bin, dann gehe ich direkt zu den Online Optiker und Spare 700,00 Euro Mindestens. !

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    1. @ Meral, ich hoffe Sie sind Autohändler.
      Also ich erwarte auch bei einem Auto, welches neu 100.000 Euro kostet, dass es heil bleibt, wenn ich damit einen Unfall baue. Mindestens aber einen kostenlosen Austausch oder Reparatur beim Händler. So in etwa der Vergleich zu Ihrer mit Verlaub schwachsinnigen Sichtweise.

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    2. Woher wissen Sie denn, dass bei einer für 800.-€ verkauften Brille die Kosten für den Optiker bei 40.-€ liegen?
      Ich bin Optikerin und kann Ihnen daher sagen,dass normalerweise schon nur der Materialwert deutlich darüber liegt. Von allen anderen Kosten wie Personal,Miete, Versicherungen etc. ganz zu schweigen.
      Aber kaufen Sie gerne Ihre nächste Brille im Internet. Dort werden Sie sicher ganz persönlich beraten und man paßt Ihnen die Brille dort sicher auch perfekt sitzend an..

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  5. Aber was geschieht mit dem Kunden, dessen neue Brillengläser nach nur 2 Monaten die identischen Beschädigungen (Kratzer) aufweist, wie die zuvor vorhandenen???

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    1. …das Gleiche, das einem Autokäufer passiert, der nach 2 Monaten zum Autohaus kommt und Kratzer im Lack beanstandet! Es wird Ihm erklärt, dass es sich um Gebrauchsspuren oder unsachgemäße Reinigung handelt!!

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